Applaus - Wann ist er wirklich angebracht?

Anekdote zum Thema Wertschätzung

von  Buchstabenkrieger

Ist Ihnen das auch schon mal passiert?

Da fliege ich zum ersten Mal geschäftlich in der Business-Klasse einer Chartermaschine, das Flugzeug landet sanft und ich bin der einzige, der applaudiert.
Doch so schnell ich zu Klatschen anfing, so schnell hörte ich auch wieder auf, als ich meinen vermeintlichen Fauxpas bemerkte.

Allen anderen interessierte der gute Job des Piloten nämlich scheinbar gar nicht – sie packten ganz unbeteiligt ihre Zeitschriften weg, nestelten an ihren Smartphones oder suchten schon ihr Handgepäck zusammen.
Dabei fand ich es gar nicht unangebracht, schließlich war ich diese gute Sitte doch schon von Kind an gewohnt. Bereits bei meiner ersten Landung auf Mallorca klatschte ich eifrig mit meinen Patschhändchen mit, als die Maschine sicher auf dem Landefeld aufsetzte.
Klatschen ist laut Wikipedia der Ausdruck einer Billigung oder des Gefallens einer Darbietung. Passt doch.

Ist es für die Business-Reisenden womöglich kein besonderes Erlebnis mehr oder was ist der wahre Grund für ihre Enthaltsamkeit?
Sind sie einfach nur genervt durch ihre Geschäftsreise?
Zu beschäftigt oder schon in Gedanken ob ihrer geplanten, geschäftlichen Aktivitäten?
Fliegen sie womöglich zu oft, dass sie sich schon an die wahrlich gute Arbeit des Piloten gewohnt haben?

Ein Angstforscher klärte mal auf, dass es beim Beifall im Flugzeug gar nicht um die Piloten oder das Team gehe. Vielmehr sei das Klatschen Ausdruck der Erleichterung, eine Gefahr überlebt zu haben.
Ach, so ist das also.

Da gibt es doch noch ganz andere Situationen, bei denen ich der Angst ausgesetzt bin und mein Leben von der erfolgreichen Leistung einer einzelnen Person abhängig ist.
Ich denke da speziell an meine anschließende Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel durch den heftigen Verkehr einer osteuropäischen Hauptstadt.
Ähnlich wie der Pilot setzte auch der Fahrer sein ganzes Können ein, um die Reifen zum Quietschen, die Hupe zum Tröten und den Wagen bei gelb-roten Ampeln nicht zum Bremsen (nein, das wäre ja zu simpel), sondern zum Rasen zu bringen.

Das war ein ebenso anspruchsvoller Job wie das Führen und die Landung eines Jumbojets. Wenn nicht sogar noch viel schwieriger. Schließlich war das Taxi nicht das einzige Gefährt auf der Straße, sondern musste sie sich mit Hunderten anderen Autos teilen und unzähligen, anderen Verkehrsteilnehmern unter wildem Lenken ausweichen.

So viele verschiedene Lichtsignale und Schilder gab es zu beachten, die nicht nur einem alleine galten, sondern allen anderen auch.
Die Parkbucht war zudem gerade mal groß genug für ein einziges Fahrzeug; kein Vergleich zur sich unendlich erstreckenden Landebahn.
Außerdem war sie nicht so schön beleuchtet wie diese. Der Taxifahrer bekam auch keine Parkbucht per Funk zugewiesen, sondern musste hart um diese kämpfen.

Der Fahrer tat wirklich sein bestes. Schlussendlich hat er noch ein weit größeres Problem als der Kapitän im Flieger: Er bekommt sein Geld erst am Zielort. Da ist Leistung gefragt.
Wir waren am Ziel, das Taxi hielt an und der Fahrer drehte sich grinsend um. Er trug nicht so eine schöne Uniform wie der Kapitän, sondern ein durchgeschwitztes T-Shirt. Der Schweiß war der Ausdruck seiner Anstrengungen, seiner Bemühungen.

18 Euro betrug der Fahrpreis umgerechnet. Ich hatte nun zwei Möglichkeiten:
Alternative 1: Ich drücke mein Gefallen dieser Darbietung durch ein Klatschen aus, gebe ihm passend die 18 Euro und verschwinde schnellstens mit meinem Koffer (der Pilot bekam ja im übertragenden Sinne schließlich das gleiche von mir – nämlich den passenden Flugpreis und den Applaus).
Ich entschied mich aber schließlich doch für die zweite, zugegebenermaßen feige Alternative:
Ich gab ihm einen Zwanziger, nahm in aller Ruhe mein Gepäck und schlenderte zum Hotel.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (15.08.19)
Oh, ich finde, nach der Lektüre dieses Textes ist  er durchaus angebracht.

Liebe Grüße
p.

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 15.08.19:
Hallo princess,

Danke für deinen netten Kommentar und das tolle Video 😀

LG, Buchstabenkrieger

 TrekanBelluvitsh (15.08.19)
Nach deinem Bericht habe ich den Eindruck, dass es da schon einen Unterschied gab. Für den Piloten war es sein Beruf. Für den Taxifahrer Selbstbestätigung... und Freude am Fahren!

 Buchstabenkrieger antwortete darauf am 15.08.19:
Hallo Trekan,

Selbstbestätigung - ja, das passt sehr gut.
So habe ich es damals auch empfunden.

Glücklicherweise ging es gut aus.

Danke für deinen Besuch und
LG, Buchstabenkrieger

 TassoTuwas (15.08.19)
Ich klatsche auch nach jedem guten Text, den ich hier lese!
Meine Frau sagt, ich hätte einen an der Klatsche
LG TT

 Buchstabenkrieger schrieb daraufhin am 16.08.19:
Hi Tasso,

ich danke dir für deinen Kommentar und die Empfehlung.

Ich habe deinen Applaus bis hierhin gehört :)

Kann deine Frau schon verstehen

LG, Buchstabenkrieger
Fisch (55)
(15.08.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Buchstabenkrieger äußerte darauf am 16.08.19:
Hallo Fisch,

danke, dass du vorbeigeschwommen bist.

Dir ist der Text zu lang (so verstehe ich deinen Vergleich mit den 6 Drabbles / 600 Wörten) redundant und verplappert, aber gleichsam zerdünnt - wobei ich das mit dem zerdünnt nicht verstehe. Hättest du dafür ein kleines Beispiel? Ich lerne ja noch und möchte mich verbessern.

Danke und
LG, Buchstabenkrieger

 niemand (15.08.19)
Mir gefällt dieser Text, weil er genau den wunden Punkt dieser Zeit berührt und zwar den, dass wir an alle Annehmlichkeiten gewöhnt
[quasi Wohlstands verzogen] nichts mehr wirklich zu schätzen wissen. Klar, wir zahlen, weil es ohne Geld nichts zu haben gibt,
aber darüber hinaus kommt nichts. Alles scheint selbstverständlich zu sein und wir [nebst der Berechnung was es so kosten könnte] kaum den wirklichen Wert einer Sache, einer Leistung etc.
mehr sehen/sehen wollen, weil wir es verlernt, oder erst gar nicht gelernt haben es anders zu betrachten. LG niemand

 Buchstabenkrieger ergänzte dazu am 16.08.19:
Hallo niemand,

freut mich sehr, dass dir der Text gefällt. Danke auch für die Empfehlung.

Ich stimme deinen Ansichten voll zu und hoffe, dass der Text auch andere zum Nachdenken anregt. Über das, was wir für selbstverständlich halten, nicht mehr zu schätzen wissen (Ich sehe, ich wiederhole bloß deine Worte. So sehr stimme ich dir zu.)

LG, Buchstabenkrieger
Sätzer (77)
(15.08.19)
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 Buchstabenkrieger meinte dazu am 16.08.19:
Hallo Sätzer,

danke für deinen Kommentar und die Empfehlung.

Schön, dass du den Text lebendig geschrieben findest; allerdings wohl auch etwas zu lang. Und dabei finde ich es schon relativ kurz ...

Wenn du mir ein, zwei Beispiele nennen könntest, wo ich kürzen könnte, wäre ich dir sehr dankbar. Ich bin da wohl zu betriebsblind.

LG, Buchstabenkrieger

 FrankReich (15.08.19)
Dein Titel zielt auf Allgemeingültigkeit ab. Ich spende Beifall, wenn mir eine Vorstellung besonders gut gefallen hat, obwohl ich das auch nicht mache, wenn ich vor dem Fernseher oder im Kino sitze, und wie der Protagonist Deiner Kurzgeschichte teilweise zugesteht, auch nicht bei Dienstleistungen, die sich nicht auf Kulturelles beziehen (also schon bei Sightseeing-Bustouren, da gilt der Beifall aber nur dem Busfahrer, wenn er gleichzeitig den Animateur spielt, was aber eher selten vorkommt).
Zudem frage ich mich, ob die Piloten einer Chartermaschine den Applaus überhaupt registrieren würden, und vielleicht liegt dieser Angstforscher gar nicht mal so falsch, denn Kinder geben ihrer Freude bei jeder Gelegenheit durch Klatschen Ausdruck, Erwachsene differenzieren da doch schon mehr.
Für mich wäre also ein Applaus für den Flugkapitän genauso unangebracht wie einer für den Taxifahrer, die Frage, die ich aber tatsächlich nicht beantworten kann, ist, ob bspw. der Pilot einer Boeing 747 den Applaus in seinem Cockpit wahrnimmt.
Ich gestehe, dass ich erst zweimal in meinem Leben geflogen bin, ziemliche Flugangst hatte, und schon deshalb nicht auf die Idee gekommen wäre zu klatschen, und ebenso wie die Leute um mich schweigend das Flugzeug verließ, ohne während beider Flüge auch nur einmal die Kapitäne gesehen zu haben.

Ciao, Frank

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 16.08.19:
Hallo Ralf

(oder Frank; ich kenne viele, die diese Namen schon mal vertauschen :) )

Ich spende Beifall, wenn mir eine Vorstellung besonders gut gefallen hat, obwohl ich das auch nicht mache, wenn ich vor dem Fernseher oder im Kino sitze,
Gut, bei Vorstellungen sitzt man ja vor "wahren" Personen, die den Beifall mitbekommen und sich bedanken können (wie im Theater), da finde ich Applaus gerechtfertigt. Anderenfalls wurden auch schon mal faule Tomaten geschmissen oder Buhrufe laut.

Früher habe ich öfter erlebt, dass sogar im Kino beim Abspann geklatscht wurde. Das scheint heute nicht mehr vorzukommen.

Ganz selten, wenn ich einen Film richtig spitzenmäßig finde, klatsche ich sogar zustimmend beim Abspann vor dem Fernseher. Genauso wie ich laut auflache, mich beömmle, klatsche ich halt auch.

Zudem frage ich mich, ob die Piloten einer Chartermaschine den Applaus überhaupt registrieren würden
Ich denke, die Crew sagt es den Piloten anschließend.

Danke für deinen Besuch und eine Gedanken.

LG, Buchstabenkrieger
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