Lautstark am Bratwurststand

Anekdote zum Thema Unachtsamkeit

von  Buchstabenkrieger

Fritz hatte kaum seinen Sitzplatz beim in Kürze startenden Open Air-Klassikkonzert eingenommen, da bekam er auch schon Hunger. Glücklicherweise erblickte er am Rande des Geschehens eine mobile Bratwurstbude.

Das Büdchen bot nicht allzu viel Auswahl: Bratwurst, Brühwurst, Brötchen, Toastbrot, Pommes und diverse Soßen und Mayonnaise für Wurst und Fritten. Eigentlich gar nicht so schwer, sich hier eine passende Kombination herauszusuchen.
Die weitaus größere Herausforderung als die richtige Wahl der Wurst und des Brotes bot da schon die Soße für die Currywurst. Es gab sie nämlich in sieben verschiedenen Schärfen: von „normal“ bis „die schärfste Currywurst in NRW“. Genau auf diese letztgenannte war Fritz „scharf“.
Es ging nur sehr schleppend voran in der Schlange. Vor ihm standen fünf Leute; hinter ihm entstand eine Gruppe von zwei Frauen und zwei Männern, etwa in den Endsechzigern. Vermutlich zwei Ehepaare.
Die beiden Frauen beratschlagten sich, was sie essen sollten.
„Da, sieh mal!“, schrie die eine Frau die andere an. „Das da ist eine Bratwurst mit Brötchen!“ Dabei zeigte sie wild gestikulierend auf eine Frau, die sich gerade eine solche gekauft hatte und nun nach dem Bezahlen den Stand verließ.
Fritz war verwirrt. Seit wann muss eine erwachsende Frau einer anderen zeigen, wie eine Bratwurst mit Brötchen aussieht? Bevor er länger darüber nachdenken konnte, rief die Frau: "Die Wurst ist im Brötchen drin!“
Fritz schaute der Frau mit der besagten Wurst hinterher und konnte die Aussage innerlich nur bestätigen. Alle anderen in der Schlange wartenden Leute schienen es ihm gleich zu tun.
Dann zeigte die zweite Frau auf eine Preistafel, die im Verkaufsbüdchen hing. Dort waren eine Bratwurst und eine Bratwurst samt Brötchen abgebildet.
„Die andere Frau vorhin hatte eine Bratwurst bestellt und da war Toast dabei!“, jaulte die Zweite.
Die Erste quiekte: „Ne, ich will aber lieber eine Bratwurst im Brötchen, nicht mit Brötchen.“ Pause. „Was willst du denn?“
„Ich nimm vielleicht ´ne Brühwurst mit Brötchen!“, schrie die Zweite zurück. „Aber nur, wenn sie schön knackig und nicht so schlaff! ist!“, ergänzte sie.
Am liebsten hätte sich Fritz die Ohren zugehalten oder wäre abgehauen. Doch sein Hunger war stärker.
Mittlerweile war Fritz so nah am Schild , dass er die verschiedenen Schärfegraden der Soßen im Detail lesen konnte.
Plötzlich stand eine der Frauen neben ihm und gaffte in die Auslage.
„Warte! Du bist ja noch gar nicht dran!“, rief die andere.
Die getadelte Frau lächelte Fritz entschuldigend an und schritt zurück.
„Was willst du denn nun nehmen?“, wurde die erste von der zweiten Frau angebrüllt. Die erste Frau hatte ja jetzt schließlich einen Informationsvorsprung, den die zweite mutmaßlich auch für sich nutzen wollte.
„Ich werde vielleicht doch lieber eine Currywurst nehmen!“, teilte sie ihr und den umstehenden Leuten mit.
„Mit Pommes oder Brötchen?“, war die an die Allgemeinheit gerichtete Gegenfrage.
„Mal sehen, ich weiß noch nicht!“
Endlich war Fritz dran. „Eine Eins-Komma-Fünfer“, sagte er dem Verkäufer. Das entsprach einer Soße mit einem Schärfegrad von 1,5 Millionen Scoville. Im Vergleich zur an sich schon recht scharfen Tabasco-Pfeffersoße war diese etwa 400 bis 500 Mal stärker.
Die erste Frau stand - wieder mal - neben ihm. Jetzt war es Fritz aber egal, wo sie stand, was sie nun sagen oder machen würde. Er hatte ja seine Wurst bestellt und wartete voller Vorfreude auf den scharfen Genuss.
Die Frau strahlte ihn nur an und nickte zustimmend, als er seine Wurst und zwei halbe Scheiben Toast entgegennahm. Hatte sie überhaupt mitbekommen, was er bestellt hatte? Wusste sie, was genau er da in der Hand hielt?
Fritz bezahlte und ging zufrieden zurück in Richtung Stuhlreihen.
Aus der Ferne hörte er, wie die Frau völlig entschlossen und lautstark ihre Bestellung abgab: „Ich bekomme das gleiche wie der junge Mann von eben!“
Stirnrunzelnd blieb Fritz stehen, pikste ein Stück Wurst auf und ließ es im Mund verschwinden. Er zuckte zusammen. Seine Zunge brannte, Schweiß lief ihm von der Stirn. Fröstelnd hechelte er sich Luft zu, ging leicht taumelnd und sich an den Stuhlrücken festhaltend zurück zur Würstchenbude.
Als er - noch immer schwer atmend - nur noch wenige Meter von der Frau entfernt war, sah er, wie sie sich das erste Stück Wurst in den Mund steckte. Fritz hörte das Blut in den Ohren rauschen und stieß einen erstickten Schrei hervor. Die Frau drehte sich schmatzend um und lächelte Fritz an.


Anmerkung von Buchstabenkrieger:

Neues Ende.
Der Prota bekommt nun auch sein Fett weg und scheint sogar noch vorsorglich handeln zu wollen.
Ende erneut überarbeitet: Wendung. der Frau schmeckt's gut.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (23.08.19)
Da kommt mir der Ich-Erzähler zu weltmännisch-überlegen weg, das macht die Geschichte insgesamt unsympathisch.

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 23.08.19:
Hallo Dieter,

danke für deine Zeit und deinen Kommentar.

Da kommt mir der Ich-Erzähler zu weltmännisch-überlegen weg,
Das ist gewollt. Gut so. :)

das macht die Geschichte insgesamt unsympathisch.
Das ist natürlich nicht gut. Hm ...
Vielleicht sollte der unsympathische Prota am Ende schlecht wegkommen. .. Ich überlege mal. Kann ja sein, dass es noch weitere Kommentare diesbezüglich gibt.

Schon mal schönes Wochenende und

LG, Buchstabenkrieger

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 29.09.20:
Gewollt ist das Gegenteil von gut.
Agneta (62)
(27.08.19)
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 niemand schrieb daraufhin am 27.08.19:
@ Agneta
Wenn Du, wie heute ich, eine Gruppe Frauen erlebt hättest, liebe Monika, dann verstündest Du vielleicht dieses von Dir bemängelte
bezüglich der Darstellung dieser.
Mir klingeln jetzt noch die Ohren. Und die Damen waren keinesfalls Teenager, sondern gestandene Personen. Ich saß auf einer Bank, wartend und konnte nicht fort, weil ich auf 2 Räder aufpassen musste. Frauen können schon nerven. Sie sind oft schrill, reden aufdringlich, fern jeder Empathie zu den Mitmenschen. Der heutigen Gruppe war auf jeden Fall alles egal, außer ihren Befindlichkeiten. Warum also sollte man dieses Verhalten nicht ansprechen/dürfen?
LG Irene
P.S. es sind natürlich nicht alles so, aber wenn, dann darf man es doch erwähnen. Es sind doch keine Heiligen.
Agneta (62) äußerte darauf am 27.08.19:
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 Buchstabenkrieger ergänzte dazu am 28.08.19:
Hallo Agneta,

danke für deinen Kommentar.

Ja, die beiden Frauen werden hier plappernd, unentschlossen und nicht auf ihre Umgebung rücksichtsnehmend dargestellt.
Der Prot/Mann selbst als unempathisch/unsympatisch. Von daher herrscht doch Gleichstand. :)
Aber: Das hätte alles auch in umgekehrten Rollen geschehen können. :)

Mir fehlt poetisches Handwerk, Augenwzinkern, wenn man sich als Autor wertend über jemand anders stellt.
Da gebe ich dir Recht, Agneta. Und ich verspüre Lust, die Geschichte entsprechend anzupassen.

Hallo niemand,

dir auch ein Danke für deinen Besuch.

LG, Buchstabenkrieger

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 28.08.19:
Hallo Agneta nochmal,

das Ende ist überarbeitet/erweitert.

Vielleicht hast du ja Gelegenheit, es dir mal anzuschauen.

Danke dir und

LG, Buchstabenkrieger
Agneta (62) meinte dazu am 28.08.19:
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 Buchstabenkrieger meinte dazu am 29.08.19:
Hallo Agneta,

toll, dass du erneut vorbeigeschaut und einen guten Tipp dagelassen hast.

Dein Vorschlag für das Ende gefällt mir sehr gut. Kommt überraschend, ist eine Wende, ist besser. Ich passe den Text entsprechend an.

Danke und
LG, Buchstabenkrieger
Agneta (62) meinte dazu am 29.08.19:
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 Buchstabenkrieger meinte dazu am 29.08.19:
Ich muss dazusagen, dass dies mein erster Text war, den ich als Übergang von den Anekdoten zu den Kurzgeschichten versucht hatte. (Zuvor hatte ich "bloß" Anekdoten geschrieben.)
Heute würde ich den Text vermutlich anders schreiben.

Bereit sein: Immer! Zulernen: Immer!
Man lernt nie aus.

LG, Buchstabenkrieger
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