1989

Dokumentarstück zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  AchterZwerg

Das Echo
der Salven im Jubel ertrunken

nur zaudernd
gesellen sich Tote zum Fest

Wir schultern sie rücklings
mit höflichem Lächeln
dort kauern sie schweigend –

zu schwer im Gewicht

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

Stelzie (55)
(07.10.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Liebe Kerstin,
Bertolt Brecht hat einmal sarkastisch bemerkt: "Alle großen Ideen scheitern an den Leuten."
Könnte was Wahres dran sein ...

Herzliche Grüße
vom 8. Wessizwerg

 FrankReich (07.10.19)
Obwohl der Titel an 1984 erinnert, würde ich mir einen zeitloseren wünschen, im Sinn des Gedichtes, denn das verdient bei weitem mehr, als nur diese Fixierung, irgendetwas mit ...tag wäre

Ciao, Frank

 AchterZwerg antwortete darauf am 07.10.19:
Das wird schwierig ...
In einer früheren Fasssung gab es mal was mit Erinnerungssteinen; aber 30 Jahre nach dem Mauerfall wüssten junge Menschen damit vermutlich nichts mehr anzufangen,

ahnt
der8.

 FrankReich schrieb daraufhin am 07.10.19:
Stimmt, ich vergaß, dass junge Leute heute noch Gedichte lesen, aber mal im Ernst, glaubst Du nicht, dass jene, die an Gedichten Interesse zeigen, nicht auch über die Bereitschaft verfügen, sich historische Ereignisse und deren Hintergründe zu erschließen?

Ciao, Frank

P.S.: "Mauersegler" oder so wäre auch nicht schlecht.

 loslosch äußerte darauf am 07.10.19:
an orwell erinnert hier nichts. ich sehe den spannungsbogen 1789 - 1989. damals gabs die vielen leichen.

 FrankReich ergänzte dazu am 07.10.19:
Ich bezog mich zunächst nur auf den Titel, Loschi, einer Jahreszahl, die aufgrund ihrer Datierung sehr wohl mit Orwells "1984" assoziiert werden kann, um allerdings so wie Du Bezug auf die Zeit vor 1989 nehmen zu können, ist es erforderlich 8ers Text gelesen zu haben, denn auch Genre und Thema weisen nicht zwangsläufig darauf hin.

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Danke, Lothar!
Es freut mich sehr, dass du hinter das Geschriebene schaust und zwischen den Zeilen liest.
Und das nicht zum ersten Mal.

Hallo Ralf,
"Mauersegler" gefallen mir überhaupt nicht, und ich sehe hier keinerlei Bezug zum Text.
Es geht ja nicht ums Segeln, sondern um einen langen Prozess, der viele Opfer gefordert hat und indirekt weiter fordert.
Das ist in vergangenen Revolutionen nicht anders gewesen. -
Trotzdem: Danke schön! :)

Liebe Grüße an euch2
der8.
Al-Badri_Sigrun (61)
(07.10.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Das stimmt leider, lieber Jaika.
Es gab aber (umgekehrt) auch Menschen, die freiwillig in die DDR gezogen waren, weil sie (zunächst) an die Idee des sog. real existierenden Sozialismus glaubten.
Sterben mussten sie dafür allerdings nicht.

Herzliche Grüße
der8.

 AvaLiam (07.10.19)
...nicht zu vergessen der Menschen, denen das Leben zur Hölle gemacht worden ist in der DDR

und für die der Mauerfall ein jahrelanger und / oder immerwährender Prozess ist...

nachdenkliche Grüße - Ava

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Liebe Ava,
für mich gehört das Wirken des Stasi zum Widerlichsten überhaupt. Aber selbst bei der zeitlich viel früher angesiedelten Inquisition gab es welche, die behaupteten, nur die Seelen der Gepeinigten retten zu wollen ...

Was soll man dazu sagen?

Antwort geändert am 07.10.2019 um 09:41 Uhr

 AvaLiam meinte dazu am 07.10.19:
lieber 8. ,

ja - da hast du absolut Recht...
du kannst auch gern beides vermischen... aus dem eigenen Familien-und Nachbarschaftskreis weiß ich, dass man um seine eigene Seele, Haut und Familie wie auch immer zu retten, sich in den Dienst der Stasi stellen musste.
Oft entkam man auch den 20 Jahren Zuchthaus für Landesverrat die bereits dann ausgesprochen wurden wenn man einen etwas lockeren Witz über Reagan, Gorbatschow und Honecker machte oder konnte diese unerträgliche und lange Zeit in diesem noch unerträglicheren Zuchthaus durch den Verkauf seiner eigenen Seele an die Stasi deutlich reduzieren.

Was - was soll man dazu sagen?

Ich kenne Menschen von beiden Seiten und bin selbst durch die Stasi etwas nennen wir es erlebnisreicher und mir ist ihr Einfallsreichtum bestens bekannt. Ich habe aber auch Menschen kennengelernt die selbst nicht überlebt hätten oder ein Teil ihrer Familie nicht, hätten sie nicht im Sinne der Stasi gehandelt.
Es ist also ziemlich schwierig, da den Richter und Henker zu spielen. Jedenfalls empfinde ich das so.
Opfer gibt es auf jeden Fall beiderseits. Und Schuldgefühle können eine sehr grausamer und geduldiger Henker sein.

So - Ich geh jetzt raus Pilze suchen.
Ich brauche einen friedlichen Kontrast zu der Schwere des Vormittags.

ganz liebe Grüße - Ava

Antwort geändert am 07.10.2019 um 11:28 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Vielen Dank für deinen klugen, mutigen Kommentar! :)
Ich denke auch, dass es unzählige und unselige Verquickungen gegeben hat, die es dem Einzelnen kaum erlaubten, der lauernden Stasi-Spinne zu entkommen. - Sonst hätte dieses unglaublich weitläufige Netz an Bespitzelungen gar nicht funktioneren können.

Liebe Grüße zurück
der8.

 Momo (07.10.19)
Zu groß war die Kluft zwischen Freudentaumel und trauerndem Gedenken.
Tote, Gefolterte und zynisch Hintergangene mussten zurück bleiben für den Blick nach vorn und nur die direkt Betroffenen, Hinterbliebenen halten an ihrer Trauer fest.
Diese allgemeine Ausblendung, die nur an bestimmten Gedenktagen aufgebrochen wird, sah man ja auch nach 1945.

LG Momo

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Ganz meiner Meinung, Momo!
Zum Teil führe ich das allerdings auf die absolute (!) Abwertung der DDR zurück, die diese im Nachhinein erfahren hat.
Dies gilt besonders für den Kunstbereich - obwohl es dort selbstverständlich gute Künstler gegeben hat.
Die Krone dieser Entwicklung ist für mich das Niederreißen des Kulturpalastes (Wolfgang Hänsch).

Na ja. Hierzu sind die Meinungen geteilt. Ich persönlich finde nicht, dass man alles plattmachen und ausmerzen muss, was Menschen so viel bedeutet hat. - Auf Arte gibt es dazu übrigens, sonntags, eine interessante Reihe: Rotes Erbe.

Schöne Grüße
der8.

 Artname meinte dazu am 07.10.19:
Ich bin mir nicht so sicher, von welchen Toten hier die Rede ist. Auch in der DDR wurde friedlich und banal gestorben. Und wenn hier die Mauertoden zum Fest erscheinen dürfen, warum nicht auch die Anderen?

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Hallo Artname,
ich bin der Ansicht, dass der Titel hinreichend auf den Mauerfall hinweist. Insofern steht es für mich außer Frage, welche Toten hier gemeint sind.

Hätten alle Toten das "Einladungskärtchen" erhalten, wäre es vielleicht ein bisschen voll geworden, nicht wahr?

Freundliche Grüße
der8.

 TassoTuwas (07.10.19)
Guten Morgen 8.,
außergewöhnliche geschichtliche Ereignisse wird es immer wieder geben und doch wird man daraus keine gültigen Erkenntnisse für die Zukunft ableiten können. Denn jedes dieser Geschehnisse ist ein Unikat. Es bleibt den Historikern vorbehalten uns die begangenen Fehler zu erklären, auch das nutzlos
Schöne Woche wünscht
TT

 AchterZwerg meinte dazu am 07.10.19:
Da stimme ich gern zu.
Manche sagen ja, sie könnten eine Sachlage besser beurteilen, weil sie dabei gewesen seien. Das Gegenteil ist der Fall.
Wir können nur "berichten."

Früher glaubte ich noch an den Nutzen einer (späteren) gründlichen Analyse. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass die Menschheit keine (kaum ?) Fortschritte zu verzeichnen hat, die über ihre technische Entwicklung hinausgeht. - Lediglich in ihren Träumen (!) von Gleichheit und Brüderlichkeit.

Liebe Grüße
der8.
Sin (55)
(07.10.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AchterZwerg meinte dazu am 08.10.19:
Vielen Dank für deinen Kommentar, Sin.
Es ist fast unglaublich, was Menschen einander antun können. Im Namen Gottes, im Namen des Fortschritts, im Namen eines großen deutschen Denkers (Marx), der sich noch heute im Grabe herumwälzen wird, wenn er des "real existierenden Sozialismus" gedenkt.
In diesem Zusammenhang wundern mich die zahlreichen Initiativen nicht, die Akten des Stasi komplett verschwinden zu lassen ...

Herzliche Grüße
der8.

 FloravonBistram (01.11.19)
Gänsehaut und Tränen...Wenige Worte, doch ganze Geschichten darin enthalten.
lg Flo

 AchterZwerg meinte dazu am 01.11.19:
Hallo Flora,
mehr an Wirkung kann sich eine Lyrikerin nicht erhoffen.

Danke schön und liebe Grüße
der8.

 harzgebirgler (30.11.20)
ohne opfer freiheit zu erringen
wird gewiß ganz selten nur gelingen.

lg
harzgebirgler

 AchterZwerg meinte dazu am 30.11.20:
Das ist wohl wahr.
Hauptsache, der Rasen wird nicht widerrechtlich betreten!

Gruß
der8

 eskron (03.01.23, 11:43)
Ging mir so leicht von der Zunge, 
hab es zitiert.
Morgens ausm Bett. 
Neben mir ein Junge-
Glaub, er sprach ein Gebet.

1989 hab ich nicht erlebt - doch meine Eltern flohen ein Jahr zuvor aus den Abgründen der UdSSR …. Viel gelauscht, schwer zu begreifen . So ein Gedicht bleibt und schmerzt da wo es fast schon schmerzen muss.

Kommentar geändert am 03.01.2023 um 11:53 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 03.01.23 um 17:44:
Vielen Dank für diesen lyrischen Kommentar! <3 

Trial and error - die fortdauernde Misere der Menschheit.
Es ändert sich wenig; die Schauplätze sind austauschbar,
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram