Gezeitentiefe

Parabel zum Thema Alter

von  FrankReich

In dem Jahr, als sie geboren wurde, war ich gerade volljährig geworden, und hatte alles andere im Sinn, als ein Neugeborenes über ein Taufbecken zu halten, oder mir Gedanken über seine zukünftige Entwicklung zu machen, und so begegnete ich ihr, die ich, ohne es zu ahnen, schon ihr Leben lang kannte, erst achtzehn Jahre später in einem Zug auf dem Weg zur Arbeit, verlor sie jedoch ebenso schnell wieder aus den Augen, da ich meinen Job kurze Zeit später aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste.
Ihre Aura allerdings hatte sich mir unauslöschbar eingebrannt, und hinterließ auf mich den gleichen traurigen Eindruck, den ich von ihr gewann, als ich sie neun Jahre danach vor einem Kaufhaus wiedersah, diesmal gänzlich ohne Begleitung, die ich damals ohnehin nur für Arbeitskolleginnen hielt.
Auch in der Folgezeit, in der ich sie gelegentlich traf, bemerkte ich den gleichen melancholischen Zug um ihre Mundwinkel, der sie schon in ihrer Kindheit begleitet haben dürfte, gleichzeitig jedoch auch ein begeistertes Interesse an ihrer Umgebung, an mir, und selbstverständlich auch ihre Schönheit, die mit den Jahren immer sinnlicher wurde, Bekanntschaft jedoch schlossen wir erst in meinem sechsundsechzigsten Lebensjahr.
Sie ist in ihrem bisherigen Leben selten einmal krank gewesen, und ich in meinem nie wirklich gesund, deshalb hätte weder ich ihre Probleme vorher haben wollen, noch sie meine.


Anmerkung von FrankReich:

Es fehlt leider das Thema "Reife".

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (28.10.19)
Das klingt nach einer sehr persönlichen Erfahrung, so, dass ich diese kaum zu kommentieren wage. Den letzten Satz würde ich aber ändern. Er ist nicht glaubwürdig, weil da ein Gegensatz existieren müsste zwischen früher und später. Was ist es denn, was man jetzt haben will anstelle der Probleme früher? Ich würde schreiben .... haben nicht früher zusammengefunden o.ä.,,,,,,,Oder ganz weglassen nach "gesund". Insgesamt gefällt mir der Text. Gruß Gina

 FrankReich meinte dazu am 28.10.19:
Hi Gina,

super Kommentar, aber nein, es ist keine persönliche Erfahrung, sondern eine, wie sie hätte sein können, bzw. werden könnte, dennoch etwas sehr persönliches, was Du am Alter erkennst, denn mit 66 Jahren fängt das Leben an (tatsächlich sollte das eine Anspielung auf Udo Jürgens Schlager sein) , die bin ich allerdings noch nicht. :D
Der Gegensatz zwischen vorher und dem jetzigen Zustand ist der, dass die beiden Protagonisten in diesem Alter nun bereit sind, bzw. die "Reife" besitzen, sich mit den Problemen des anderen auseinandersetzen zu können, bzw. sie miteinander zu teilen, und auch zu lösen, so möchte ich das zumindest gerne verstanden wissen.
Da dieses Verständnis ja nun durch Deinen Einwand fraglich geworden ist, bin ich mir nicht sicher, ob es an Deiner Lesart oder meiner Ausdrucksweise liegt. Vielleicht fällt Dir oder anderen Lesern ja noch eine dementsprechende Wendung ein.
Evtl. liegt es aber auch am Titel, den ich von "Reifezeit" noch in "Gezeitentiefe" umändern werde.

Ciao, Frank

P.S.: Danke für Deine Empfehlung, und eine interessante Anmerkung habe ich noch zu obigem Text:

Die Protagonistin ist zur Zeit der Bekanntschaft 48 Jahre alt, der früheste Eintritt der Menopause liegt lt. Wikipedia bei 45 Jahren, der durchschnittliche bei 51 Jahren, um auf die 66 Jahre zu kommen, musste ich ein wenig kungeln, da ich symbolisch auch unbedingt den Altersunterschied von 18 Jahren beibehalten wollte, somit hat die Frau leider? vier Jahre zu früh in die Wechseljahre kommen müssen.

 eiskimo (28.10.19)
Ein Leben im Zeitraffer, oder besser gesagt "ein Aneinander-Vorbei-Leben".
Trotzdem viel Magie und Sinnlichkeit, fast ein Happy End - das macht den Text richtig schön und lässt hoffen!
Hat mir gefallen
lG
Eiskimo

 FrankReich antwortete darauf am 28.10.19:
Danke, Mann,

und das Happy End wird auf jeden Fall eines, wenn die Menschen soweit sind, mit oder ohne Partner ("die ich, ohne es zu ahnen, schon ihr Leben lang kannte, [...]). :D

Ciao, Frank
Sin (55)
(28.10.19)
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 FrankReich schrieb daraufhin am 28.10.19:
Danke für diesen Kommentar, Sin,

ich hatte stets geglaubt, dass ich zu etwas Höherem berufen sei, im Bereich der Dichter und Denker wird das wohl nicht mehr funktionieren, denn Erfahrung bedarf sowohl einer frühen als auch kontinuierlichen Beschäftigung, und gerade das habe ich schleifen lassen, es ändert aber nichts am Spaßfaktor und meinem gesamtliteraturwissenschaftlichen Interesse, von dem ich hoffe, es in diesem Forum auch verbessern zu können. So waren für mich die Surrealisten bisher ein Buch mit sieben Siegeln, und auch über Stilmittel habe ich hier schon einiges lernen können.
Klar, Du hast recht, mit dem Alter kommt die Erfahrung, doch es ist wie bei den Sprachen: Was in der Kindheit und Jugend verinnerlicht wurde, das hilft Dir im Alter, Probleme allerdings verzögern die Entwicklung, und erst wenn dort eine Lösung in Sicht ist, kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Vorteile des Alters lassen sich also in der Jugend optimieren, wenn denn die Voraussetzungen gegeben sind. :D

Ciao, Frank
Agneta (62)
(29.10.19)
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 FrankReich äußerte darauf am 29.10.19:
Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn Du es wirklich nicht gewagt hättest, hier eine Kritik anbringen zu wollen.
Ich verlange auch gar nicht, dass Leser die Menopause als Teil der weiblichen Reifephase ansehen, sondern habe es nur zum besseren Verständnis erklärt, und es ist schade, dass Du die Stilmittel aus der Erzähltheorie nicht kennst, aber hör mir endlich auf mit diesem albernen "man", wenn Du Dich meinst. Auch dieses hätte, hätte, Fahrradkette geht mir tierisch auf den Senkel, denn die Relevanz zur Ausarbeitung kannst Du ruhig mir überlassen.
Auch dieses "soll darauf hindeuten, [...]" nicht mehr aneinander wegzulaufen." Ja?, soll es das? Nein, das soll es nicht, aber schön dass Du meinen Text besser verstehst als ich, und im Gegensatz zu Dir will ich wenigstens noch etwas lernen.

Ciao, Frank

P.S.: Eines noch: Google doch einmal den Begriff "einen Eindruck gewinnen" aus. Viel Spaß noch. :D
Agneta (62) ergänzte dazu am 29.10.19:
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 FrankReich meinte dazu am 30.10.19:
Hör doch auf mit diesen Alllgemeinplätzen, mich nervt Kritik im Allgemeinen nicht, und das, was Du hier ablässt, ist nicht mal welche, sondern es sind lediglich Unterstellungen, die auf Dein Unverständnis gegenüber meinen Texten herrühren. Komischerweise vermag Eiskimo schon ein Stilelement auszumachen, wenn Du Dich vergackeiert fühlst, dann ist das alleinig Dein Problem ("hier wie überhaupt"? Was soll das denn nun wieder? ), natürlich sind meine Halbsonette keine Sonette, sondern Halbsonette, gehören damit meiner Meinung nach jedoch in die Kategorie Sonette, und ich möchte hier gar nichts darstellen, sondern stelle Texte ein, und ertragen muss ich auch nichts, solange es nicht begründet ist, und Spott, ja meine Güte, ich frage mich wirklich, was man Dir zeit Deines Lebens angetan haben muss, dass Du mir mit so billigen Eitelkeiten kommst.
Mit van Gogh kann ich mich auch nicht vergleichen (ebenso wenig wie ich das mit Kafka getan habe), denn seine Malerei wurde zeit seines Lebens nicht einmal anerkannt, ich habe wenigstens ein paar Leser, die sich über meine Texte amüsieren, und nun noch zu Moja: Du Schlaumeier willst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Du ihre Texte verstehst, denn das habe ich auf ihren Seiten etwas anders in Erinnerung, und genau das ist der Punkt. Lesen heißt nicht gleich verstehen. Wenn Du vom Grundsatz her etwas verstehen, bzw. lernen möchtest, dann reicht lesen einfach nicht, Du musst es Dir auch erklären können, bzw. es studiert haben. Und jetzt mal Butter bei die Fische: Hast Du Literaturwissenschaften studiert?
Ciao, Frank

P.S.: Eine Bemerkung zu "Gezeitentiefe" noch: Udo Jürgens singt in seinem Lied, dass das Leben erst mit sechsundsechzig Jahren beginnt. Wieso beginnt es für die Protagonistin in obigem Text augenscheinlich schon mit 48 Jahren?
Eine Parabel ist übrigens eine lehrhafte, auf einem Vergleich beruhende Dichtung, und wenn der letzte Satz von "Gezeitentiefe" nicht auch nach Deinem Verständnis auf einem Vergleich beruht, der eine Quintessenz beinhaltet, dann solltest Du Dir das schnellstens von jemandem erklären lassen, der es versteht.
Und nur, weil meine Methoden innovativ sind und mein Verständnis unkonventionell ist, sagt das beileibe noch nichts über richtig und falsch aus.

Antwort geändert am 30.10.2019 um 08:05 Uhr
Agneta (62) meinte dazu am 30.10.19:
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 FrankReich meinte dazu am 30.10.19:
Hi Agneta,

tja, die Zukunft, dann schau mal genau hin, allerdings höre ich da gerade heraus, dass Du Dich für einen Dichter hältst, ich kann mich aber auch täuschen. Ich bin übrigens keiner, habe es auch nie behauptet, und ein Prosatext, selbst wenn es sich um eine Parabel handelt, muss nicht unbedingt lyrisch sein, und wer beurteilt, was platt ist? Du?
Ja, und endlich stellst Du einmal eine Frage, die Du Dir nicht selbst gleich beantwortest, obwohl sie sich selbst beantwortet, denn hier wird ein Vergleich zwischen den Leben der beiden Protagonisten gezogen.

Und was Halbsonette angeht: Vor ca. 60 Jahren gab es auch noch keine Raumfahrt, und weil Du so schön am springen bist, auch das ist Ansichtssache, denn Lieder gehören sehr wohl zur Literatur, dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Kirchen,- Volkslieder, Schlager oder Popsongs, etc. handelt, auch hier solltest Du Dich einmal mit einschlägigen Poetiken wie z. B. von Dieter Burdorf beschäftigen, und ich möchte nicht, sondern habe meinen Prosatext als Parabel ausgewiesen.
Letztendlich ist mir aber auch völlig egal, was Du über mich denkst, denn ich weiß es besser.
Du hast mir übrigens meine Frage noch nicht beantwortet, und zwar die letzte vor meinem P.S.

Ciao, Frank
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