Zur Verteilung des Humors

Essay zum Thema Wissenschaft

von  FrankReich

Das Leben ist über weite Strecken total ungerecht, denn die meisten Menschen haben eine äußerst ausgeprägte, überzeugende und feinsinnige Art von Humor, besonders jedoch beherrschen sie das Feld der Ironie und sogar der Selbstironie meisterhaft, je nachdem, wie sie gerade zurecht sind oder die Situation es erfordert. Dieses lässt sich jedoch nur in den seltensten Fällen eindeutig feststellen, optimal wäre es daher, wenn die entsprechenden Stellen solch einer Komik vorher von ihnen markiert werden würden, um zu gewährleisten, dass auch im für sie passenden Moment und selbstverständlich auf die angemessene Weise gelacht wird. Das wiederum scheint jedoch überhaupt nicht in ihrem Verständnis vorgesehen zu sein, und erweist sich dann auch für den von ihrem Humor Betroffenen als irre komisch, wodurch er sich seinen somit sparen kann, was allerdings für alle Beteiligten nur von Vorteil sein dürfte, denn offensichtlich verfügt er sowieso über keinen.

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (28.11.19)
da keine vertipper im text sind, kann ich nicht sagen: prädikat horst.

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
Danke, Loschi, aber Dir zuliebe ...

 Dieter_Rotmund (28.11.19)
Klingt sehr danach, als sei der/die Erzähler/in vom Asperger-Syndrom betroffen.
Gerne gelesen.

Kommentar geändert am 28.11.2019 um 10:28 Uhr

 FrankReich antwortete darauf am 28.11.19:
Klingt sehr danach, als würde sich der Kommentator mit dem Asperger-Syndrom besser auskennen als der Essayist.
Danke für die Lesung.

Antwort geändert am 28.11.2019 um 10:52 Uhr

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 28.11.19:
Nein, hab's extra nachgeschlagen, um nichts Falsches zu schreiben.

 FrankReich äußerte darauf am 28.11.19:
Das eine schließt das andere ja nicht aus.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 28.11.19:
Mag sein, ich bin dennoch kein Experte für Kinderkrankheiten.

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
... bis "Experte" nehme ich Dir das bedenkenlos ab.

 LotharAtzert (28.11.19)
Die Idee eines Humorsparbuches (wenn alles klappt, ist das Wort unterstrichen) finde ich gut, sorge mich jedoch zur Zeit etwas um die ungünstige Zinsentwicklung. Vielleicht kannst du mit Tipps weiterhelfen, Ralf.

Ciao
Lothar

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
Nee, Lothar, mach Du mal ruhig so weiter, das passt schon. :D

Ciao, Frank

 AchterZwerg meinte dazu am 28.11.19:

 EkkehartMittelberg (28.11.19)
Hallo Ralf, Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Da man aber meistens über keinen verfügt, wenn man nichts zu lachen hat, ist man auf den Humor anderer angewiesen. Wenn die dann aber gerade damit geizen, ist Humor das, was im Bedarfsfalle ganz weit weg ist.
Bedürftige Grüße
Ekki

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
Hi Ekki,

danke für Deine Empfehlung, und ich habe da kürzlich mal jemandem in die Tasche gepinkelt, so als Markierung, und als der sich beschwerte, konnte ich ihn beschwichtigen, weil ich ihn wohl mit einem Baum verwechselt habe, da muss ich ganz schön blind gewesen sein. Die Situation war schon saukomisch, aber jetzt blicke ich wieder voll durch, sein Mitleid ist mir aber auf ewig sicher.

Ciao, Frank

Antwort geändert am 28.11.2019 um 15:09 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.11.19:
Ach, den kenne ich auch. Das ist der, der sich nie entscheiden konnte, seine Hose zur Reinigung zu bringen. Na, du hast ihm auf die Sprünge geholfen.

 AchterZwerg (28.11.19)
Die Sache mit der Markierung leuchtet mir sofort ein: einfach Anführungstrichelchen an den Anfang und das Ende der Texte setzen.

Dann wird klar, dass der entweder

a) geklaut oder
b) humoristisch gemeint oder
c) hermetisch ist

In allen drei Fällen kann sich der Leser entspannt zurückfallen lassen und - im schönen Selbstgespräch - anmerken:

Ich hab' alles verstanden *stolzmalguck)!

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
Hi A-Z,

danke für Deine Empfehlung, und Humor ist wirklich eine Wissenschaft für sich, denn so mancher ist deswegen schon unter das Messer gekommen, weil da irgend etwas verwechselt wurde.

Ciao, Frank

 Graeculus (28.11.19)
Ja, genau dafür haben wir jetzt doch die diversen Smileys! Durch sie weiß man immer genau, wann man lachen muß ... jedenfalls bei Texten.
In mündlicher Rede muß man sich mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände begnügen, die Anführungszeichen anzeigen.

Problem gelöst. Oder?

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
Hallo Graeculus,

bisher kannte ich Dich nur über Deine Kommentare, die eine weise Toleranz auszeichnet, mittlerweile habe ich auch Deinen Text gelesen, und freue mich um so mehr, einen Deiner Kommentare unter meinem "Essay" vorzufinden.
In der Tat ist Humor eine Wissenschaft für sich, wir Deutsche benutzen und verstehen ihn zumeist als Mittel, um andere zu kränken oder zu brüskieren, bzw. als Instrument der Selbstgerechtigkeit gegen sie zu verwenden, in welcher Form auch immer. Da können die Betroffenen eigentlich recht froh sein, wenn sie seine Zeichen entweder verkennen, zu ihren Gunsten miss,-, gar nicht verstehen, oder sogar nicht einmal mit ihm konfrontiert werden.
Es gibt allerdings auch genügend Menschen, die ihren Humor einsetzen, um andere zur Reflexion anzuregen, aus assoziativen Gründen, zur Vertiefung zwischenmenschlicher Beziehungen oder sogar zur "Entschärfung des Klimas" ( :D ).
Bei der ungleichmäßigen Verteilung des Humors gestaltet sich eine Unterscheidung jedoch leider als höchst kompliziert, selbst Akzente stellen keine Anhaltspunkte mehr dar.
Das prominenteste Beispiel dürfte zur Zeit Dieter Nuhr sein, denn die Geister scheiden sich, ob er nun verletzen, bzw. hetzen oder zum Eruieren bewegen möchte. Bestimmt sind auch unter seinen Kritikern Menschen, die ihm jeglichen Humor absprechen.

Ciao, Frank

P.S.: Danke auch für Deine Empfehlung.

 Owald (28.11.19)
Ich hab keinen Humor. Ich bin selber komisch.

 FrankReich meinte dazu am 28.11.19:
Willkommen im Club.

 millefiori (29.11.19)
Es hat halt jeder seine eigene Art von Humor und genau deshalb versteht auch nicht jeder des anderen Witz.
Humor zu ernst genommen, ist auch nicht mehr witzig.

Mit dem Kritisieren ist es ähnlich.

Liebe Grüße
millefiori

 FrankReich meinte dazu am 29.11.19:
Wenn jeder mein "Essay" so verstehen würde, wäre meine Wunschvorstellung erreicht, und eigentlich könnte ich es dann löschen, aber dazu müsste es dann zumindest auch jeder gelesen haben, und selbst das dürfte schon zuviel verlangt sein.

Ciao, Frank
Hannah (72)
(29.11.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 FrankReich meinte dazu am 29.11.19:
Hallo Babette,

irgendwie hast Du recht, und auf dieses "Wie" scheint es auch anzukommen, allerdings bin ich mir auch sicher, dass das einigen Menschen irgendwie egal ist, ich jedoch gestehe, dass mir so ein Lacher oft auch im Keller entwischt.

Ciao, Frank

P.S.: Danke auch für Deine Empfehlung.

 Willibald (06.02.20)
Steganographischer Meistergriff ....

What is the definition of an agnostic, dyslexic insomniac?
Someone who lies awake at night wondering if there’s a dog.

(Groucho Marx, 1890–1977)

.... mittels Metathesis ...

:)

 FrankReich meinte dazu am 07.02.20:
Oh my god, it´s a dog.
Danke für Deinen Kommentar, ich denke, dass ich mich mit dem Humor von Groucho Marx bisher zu wenig beschäftigt habe, werde das aber beizeiten nachholen, bin allerdings immer noch mit dem von Hoffmannswaldau beschäftigt. :D

 Willibald meinte dazu am 07.02.20:
Grüß Dich, RR.

Hoffentlich ist bei Hofmannswaldau neben der steganographischen Deutung der Venuspassage die doch sehr plausible Deutung mit der berühmten Poeterey-Stelle in das Licht der Aufmerksamkeit gerückt? Die Sache mit der deutschen Skandierung von "Venus" und "Juno"? Reclamausgabe S.52?

In der Senioren-WG (Willibalds Corner) ist diesem Problem eine signifikante Passage gewidmet.

greetse
ww

Antwort geändert am 07.02.2020 um 15:24 Uhr

 Willibald meinte dazu am 07.02.20:
Salute, vielleicht doch noch mal:

 Senioren-WG

Etwas ausführlicher:

Ov. met. 10,519ff. -
letzter Vers: typische lateinische Skandierung (Dativ Veneri)

Lā́bĭtŭr ṓccūltḗ fāllī́tquĕ vŏlā́tĭlĭs ǣ́ tas DSSD
ḗt nĭhĭl ḗst ānnī́s vēlṓcĭŭs: ī́llĕ sŏrṓre DSSD
nā́tŭs ăvṓquĕ sŭṓ, quī cṓndĭtŭs ā́rbŏrĕ nū́per, DDSD
nū́pĕr ĕrā́t gĕnĭtū́s, mŏdŏ fṓrmōsī́ssĭmŭs ī́nfans, DDDS
iā́m iŭvĕnī́s, iām vī́r, iām sḗ fōrmṓsĭŏr ī́psost, DSSS
iā́m plăcĕt ḗt Vĕnĕrī́ mātrī́sque‿ūlcī́scĭtŭr ī́gnes. DDSS

Die berühmte Stelle, in der Opitz für die deutsche Metrik das akzentuierende Prinzip und zwei Versfüße (Trochäus, Jambus) protegiert, ist von Beispielen gefolgt, die sehr, sehr kauzig und obskur dargelegt werden:

Opitz tadelt diesen Vers:
Venús die hát Junó nicht vérmocht zúe obsíegen;


An dem obigen
Verse tadelt Opitz zunächst,
dass in ihm
"Venus" und "Juno",
(die trochäischen Wortfüsse),
einen jambischen Versfuss vorstellen sollen,
dass
"vermocht"
( der jambische Wortfuss),
einen trochäischen Versfuss vorstellen soll.

Dabei nennt er aber
"Venus" ein jambisches „Wort“,
"vermocht" ein trochäisches,
was sie natürlich nicht nach der natürlichen Betonung
(als Wortfuss),
sondern nur in dem getadelten Vers (als Versfuss)
sind.

Gleich darauf aber nennt er "obsiegen" (das damals
als Wortfuss óbsiegen betont wurde) einen Daktylus; damit aber hat er bereits die Perspektive gewechselt.
Denn "obsiegen" war wohl
als Wortfuss, in der natürlichen Betonung, ein Daktylus;
in dem getadelten Vers aber ist es ein
amphibrachyscher Vers.

vgl.
Jakob Minor: Neuhochdeutsche Metrik. Straßburg 1902, S. 350f.

Antwort geändert am 07.02.2020 um 17:30 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 07.02.20:
Ich würde dem nicht allzu viel Bedeutung beimessen, denn korrekterweise hätte es dann lauten müssen: "das ich die Venus selbst im Deutschen eingewiesen", und zum Thema Steganographie und Humor habe ich da noch ein kleines Bonmot für Dich:

39. Opitzens

Mich hat ein Ohrt der Weldt gegeben,
der wird mit Rohm die Wette leben.
Ich suche nicht, ich bin gepriesen,
das ich die Venus unterwiesen.


Ich hoffe, nun werden Hoffmannswaldaus steganographische Absichten etwas deutlicher, falls Du das jedoch immer noch für einen Zufall hältst, sehen wir weiter. :D

Ciao, Frank

 Willibald meinte dazu am 07.02.20:
Hm, Frank,

jou, Bonmot kleines ist trefflich ...
zurück zum Text mit "dir" und "die":

39. Opitzens.
Mich hat ein kleiner Ohrt der Teutſchen Weldt gegeben /
Der Wegen meiner wirdt mit Rohm die wette Leben /
Ich ſuche nicht zuviel ich bin genug geprieſen /
Das ich dir Venus ſelbſt im Teutſchen unterwieſen.

http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/hoffmannswaldau_grabschriften_1662?p=10
1662 (dir Venus)

https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10924898_00012.html
1680 (die Venus)

"jemanden im Deutschen unterweisen", ihn also "Deutsch sprechen lassen" ist durchaus ein gelungener Sprachwitz (Pointe, argutia) für die Angleichung an deutsche Aussprache des lateinischen Wortes.

Die zentrale Stelle in der Poeterey mit der akzentuierenden deutschen Dichtung (im Gegensatz zur lateinischen, quantitierenden Dichtung) ist überaus bekannt und eben mit diesen Beispielen (Venus, Juno) gekoppelt.

Daher kann man hier von einer Erkennungsmarke bei den poetologiekundigen Rezipienten ausgehen, die ob dieses internen Spaßes entzückt und beglückt lächeln. Weil sie das verstehen..

Der Gebrauch von "Venus" im Gedicht als poetologische Erkennungsmarke kombiniert mit dem trochäischen Gebrauch von "Venus" im Epitaph, naja - aber doch wahrscheinlicher als der latente Hinweis auf erotische Destruktion und entsprechendes Siechtum Opitzens. Oder gleich wahrscheinlich.

Der Dativ "dir" (ein Benefaktiv, ein Dativus commodi) in der Fassung von 1662 lässt sich auf deutsches Land beziehen. Der Geburtsort Opitzens steht dann metonymisch für die größere territorilae Einheit und ihre Sprachgewohnheiten, so wie "Rom" für Römer und lateinische Sprachkultur steht.

Das Venusmotiv in vielen Poemen Hoffmannwaldaus, so dass sich in dem "Ich" nicht nur der sprechende Opitz, sondern auch sein (dankbarer) venuspreisender Genosse Hoffmannswaldau preist...

greetse
ww

[

Antwort geändert am 07.02.2020 um 19:27 Uhr

Antwort geändert am 07.02.2020 um 19:32 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 07.02.20:
Hi Willibald,

selbstverständlich haben Lektor, bzw. Verleger Originale vorgelegen, wenn Du näher hinschaust, siehst Du, dass am "r" von "dir" herumretuschiert wurde, ein ganz berühmtes Beispiel zu solchen Manipulationen findest Du in Hoffmannswaldaus "Gedancken über die eitelkeit.". In Neukirchs Ausgabe von 1695 heißt es in V. 18 noch "lod", in der von 1697 bereits "todt", wir bleiben hier bei der 1. im DTA, da diese authentischer ist. Schau genau hin, und Du siehst den Versuch, das "l" in ein "t" umzuwandeln, ein Gedankenfehler allerdings, der dadurch entstanden ist, dass der letzte Buchstabe auf der Originalschrift nicht erkannt worden ist. "lod" also, ein Letternvergleich zeigt jedoch, dass "d" und "h" sich bis auf den Abschwung gleichen, in Hoffmannswaldaus Manuskript dürfte daher "loh" gestanden haben, im Verszusammenhang ist das auch viel logischer. ich übertrage V. 18 mit "loh" einmal ins Hochdeutsche: Und mehr als brennend ins Grab der Wolllust trägt, hier wird also ein logischer Bogen zu V. 16 & 17 geschlagen.
Ganz so kompliziert verhält es sich bei "39. Opitzens", V. 4 natürlich nicht, jedoch würde "dir" im Verszusammenhang keinen, bzw. weniger Sinn ergeben als "die".
Nun weiter zu "Venus". Sicher darf das auf oberflächlicher Ebene gerne als sprachlicher Fuchstrick anerkannt werden, und ist auch ganz witzig, es bleibt jedoch auf der Ebene vordergründiger Stilmittel, die ja auch dazu dienen soll, von der wirklichen Besonderheit des Textes abzulenken. Ich gebe zu, dass mir dieses "Kleinod" bisher entgangen ist, habe aber bereits eine Abhandlung geschrieben, in der ich Hoffmannswaldau Mimikry unterstelle, und jetzt weiß ich auch, wieso er ausgerechnet die "Venus" wählen konnte, die Opitz im Deutschen unterwiesen hat. Hoffmannswaldau muss sich 1679 bei der offiziellen Veröffentlichung seiner "100 (es waren mittlerweile, so glaube ich 104) Grab=Schrifften" sicher gewesen sein, dass ihm niemand auf die Schliche kommen würde, sonst hätte er "39. Opitzens" erst gar nicht zur Veröffentlichung freigegeben.
Ich will es kurz machen, und gebe Dir noch ein Juwel an die Hand, dass Dich hoffentlich von Opitzens "Amour faux pas" überzeugt:

39. Opitzens

Mich hat ein kleiner Ohrt im Teutschen unterwiesen,
der wegen meiner wird mit Rohm die Wette leben.
Ich suche nicht zuviel, ich bin genug gepriesen,
das ich die Venus selbst der Teutschen Weldt gegeben.


Der kleine Ohrt wäre in diesem Fall entweder Bunzlau oder Beuthen, so genau habe ich mich damit noch nicht beschäftigt. Diese Version allerdings wäre viel unverfänglicher, und hätte evtl. Ahnungen überhaupt nicht erst aufkommen lassen. Ich kann Dir auch sagen, warum Hoffmannswaldau das in seiner 1679/80er Veröffentlichung nicht umgebaut hat: Er würde schlafende Hunde geweckt haben.

Ciao, Frank

P.S.: Sei doch bitte so freundlich, mir eine Quelle zu nennen, die die "Venusmetrik" als Stilmittel Hoffmannswaldaus deklariert, ich könnte sie wunderbar als Ablenkungsversuch zur steganographischen Komponente einbauen. Hoffmannswaldau war wirklich ein Genie. :D

 Willibald meinte dazu am 08.02.20:
Das Wort "Venus" ist in deutschen Texten immer trochäisch in der Prosasprache und wird dann ebenso in lyrischer Sprache genutzt.
Dass Hoffmannswaldau "Venus" in seinen Gedichten immer wieder unterbringt, sei es direkt (leicht zu googlen), sei es indirekt ("Galante Gedichte", darin unter anderem die "Vergänglichkeit der Schönheit") ist sicher bekannt.

Die Variante "dir" ist keine notwendige Voraussetzung für die Isotopie "metrisch regulative Leistung der ebendeshalb zu rühmenden Opitzfigur). Die argutia-These (einem personennamen und ihrer Trägerin die deutsche Aussprache und Metrik beibringen) ist nicht geschwächt.

Wie überhaupt auffällt, dass die Opitzsche "Innovation", wegen der er von vielen seiner Zeitgenossen gerühmt oder bekämpft wird, in deiner Argumentation - soweit ich sehe - völlig aussen vor bleibt.

Das bedeutet rein schreibtaktisch, man müsste bei der Verteidigung der steganographischen Lesart sehr viel vorsichtiger vorgehen.

Ähnlich angreifbar sind übrigens auch andere Argumente dieser opitzkritischen Lesart. Etwa die These von der Schmähtendenz bei anderen Epitaphen, der Polysemie von "ich bin genug gepriesen", bei der These von der notwendigen Metathesis, in Zeile Drei, beim Vorwurf der selbstevidenten Arroganz und Überheblichkeit in der Venuszeile.

Dann ist denn auch die Steganographische These keineswegs mehr der Weisheit letzter Schluss. Aber immerhin eine bedenkenswerte Hypothese neben anderen.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass sie in einem so hohen Maße favorisiert wird, dass sie gar nicht mehr relativiert werden darf. Bei einer wissenschaftlichen Arbeit eine Einfallspforte für heftige und kraftvolle Kritik.

Ein Prof nämlich mit argumentativ-erkenntnistheoretischen Prämissen kann ernsthafte Zwickmühlen aufmachen, wenn er etwa das Schema "Schluss auf die beste Erklärung" bemüht.

Greetse
ww

 FrankReich meinte dazu am 08.02.20:
Sorry, Willibald,

ich verstehe wirklich nicht, wieso ich dieser nebensächlichen Pointe mehr Beachtung schenken sollte, als ihr zukommt, und selbst bei oberflächlicher Rezeption dürfte einem Leser schon klar werden, dass dieses Gedicht keineswegs als Epitaph, also zeitnahe Beileidsbekundung gewertet werden darf, Das stellte schon Lothar Noack in "Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)", .S. 98, fest, ich zitiere: Es gibt keine Zeugnisse Christian Hoffmanns als Ausdruck der Betroffenheit über den Tod des von ihm hoch verehrten Dichters; die später verfaßte poetische Grabschrift auf Opitz kann nicht als ein solches gewertet werden.Natürlich ist das noch kein Nachweis für meine Feststellung, warum jedoch sollte in den "100 Grab-Schrifften", die in der Ausgabe von 1662 nachweislich alle satirischer Natur sind, es ausgerechnet die über Opitz nicht sein? Meiner Meinung nach stellt das Gedicht auch in seiner originalen Lesart schon keine Rühmung dar, sondern eine gewaltige Übertreibung, die den Charakter Opitzens punktgenau skizziert. Ich habe die Quelle jetzt gerade nicht parat, Hoffmann von Fallerslebens Biographie über Opitz beschäftigt sich allerdings ebenfalls mit Opitzens Aura, die fast schon an Größenwahn grenzt, und genau das kommt in "39. Opitzens" zum Ausdruck. Natürlich sticht sie heraus, die Nummerierung ist das Todesjahr Opitzens und er ist der einzige Tote, den Hoffmannswaldau persönlich kannte, aber gerade das gibt doch auch Anlass, sich mit diesem Gedicht unter dem Gesichtspunkt der Satire, bzw. Groteske auseinander zu setzen, und gerade deshalb dürfte der gesamte Überbau nur Camouflage für den steganographischen Untergrund darstellen.
Was macht eigentlich die opitzkritische Lesart angreifbarer als die "unkritische", bzw. rühmende? Opitz wurde zwar für seine Innovationen gerühmt (ich spreche sie ihm ab und denke, dass er sie lediglich aus Ernst Schwabe von der Heydes Manuskript übernommen und verfeinert hat), ebenso bekannt war er jedoch für seine Frauengeschichten, und hier setze ich auch an, denn es gibt bspw. in "Briefe und Lebenszeugnisse", Nachweise von Freunden, die nach seinem Tod "Flurbereinigung" betrieben haben.
Übrigens widerspricht sich Hoffmannswaldaus Verehrung Opitzens auf der einen Seite und seine Belustigung über das Männchen auf der anderen keineswegs bei Berücksichtigung seiner Erziehung, außerdem war er Diplomat durch und durch.
Nun zum Schluss, denn natürlich muss meine Einschätzung relativiert werden, reine Dementi jedoch bringen weder mich noch ihre Gegner weiter, wie Du sicher bemerkt hast, erkenne ich die Eleganz der "Venus-metrischen Scharfsinnigkeit" durchaus an, jedoch nicht als Rühmung, sondern als weiteren satirischen Baustein.
Und ja, ich gestehe, dass ich meine Hypothese favorisiere, allerdings bin ich noch weit davon entfernt, meine Arbeit veröffentlichen zu können und durchaus kritikempfänglich, bin mir jedoch sicher, sie beweisen zu können, wenn ich die Chance bekäme, Einsicht in diverse Quellen zu erhalten.

Ciao, Frank

P.S.: Die Quelle bzgl. der Argutia-These kenne ich bspw. nicht. Wer hat die These aufgestellt und wo kann ich das nachlesen?

 Willibald (10.02.20)
Ausführlicher Kommentar verlagert: Stenagos und Steganos
.......................................................

»Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat«,
sagt das Känguru und zieht an seiner Pfeife,
»muss das, was übrig bleibt,
die Wahrheit sein,
so absurd sie auch klingen mag.«

Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Offenbarung Berlin: Ullstein 2014, S. 231.

Kommentar geändert am 10.02.2020 um 17:44 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 10.02.20:
Um das Unmögliche ausschließen zu können, besteht die Prämisse darin, es erkannt zu haben. aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus, denn wie lässt sich die ganze Wahrheit ermitteln, wenn erst Teile davon erschlossen sind?
In der Literaturwissenschaft sind meine steganographischen Entdeckungen bisher noch unbekannt. ob sie der Wahrheitsfindung bzgl. der Rühmung oder Schmähung dienen, sei zunächst einmal dahingestellt. Ich bin zwar zunächst davon ausgegangen, dass der Überbau von "39. Opitzens" der Schmähung dienen soll, weil es mir als das logischere erscheint; diese Annahme zu verteidigen, liegt jedoch nur untergeordnet in meinem Interesse. Mir geht es nur darum, anhand der Steganographie Rückschlüsse zu ziehen und diese zu beweisen.
Gehen wir doch einmal von der Kausalität aus, dass a, also argutezze Rühmung oder latente Schmähung sich deshalb auf b, also die Steganographie bezieht, um diese zu kaschieren. Wäre es da wirklich tragisch mich in der Definition der Kausalität a geirrt zu haben? Außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, dass Hoffmannswaldau überhaupt keine Veranlassung sah, die steganographischen Elemente noch einmal zu sichern, er somit zwei völlig voneinander unabhängige Einheiten in einem System schuf. Dein obiges Beispiel mit dem Känguru beschreibt das sehr gut, denn absurd bedeutet ja nicht logisch, sondern menschlich unmöglich, wobei ich im Falle Opitzens allerdings davon ausgehe, dass er seinen poetischen Erfolg zu einem nicht geringen Teil Charaktereigenschaften wie Überheblichkeit und Skrupellosigkeit zu verdanken hat.

Ciao, Frank

 Willibald meinte dazu am 10.02.20:
Nun, da kann man nur hoffen, dass die steganos ausserhalb der Epithaphiendeutung weniger stenoschlüssug sind.

In einem detektivischen Sinne sind jedenfalls die steganographischen Deutungen und ihre Prämissen und ihre Conclusionen von sehr viel geringerer Wahrscheinlichkeit als die von Willibald ausgebreiteten, scheint mir als Willibalden.

Man kann nur hoffen, dass sich methodischer Zeifel und sorgfältige Skepsis mit der Grandezza und dem Schwung des Steganobrillentrögers soweit verbünden können, dass dieser sich nicht gegen alle Einwendungen gefeit sieht.

Möge Occams Razor (entia non sint multiplicanda) nach einer Veröffentlichung möglichst wenig Anlass zum Wüten und Sicheln haben. Und möge der argutia-gedanke seine bei RR mögliche Wirkung tun. Der Bibelcode und seine Vettern sind keine guten Verteidiger gegen Occam.

Die im privaten Kommentar sinngemäß zitierte Passage aus einer Frühphase der Barock-Hermetik-Arbeit weist recht viele Merkmale von kurzschlüssiger, zirkulärer und auch immunisierender Grandezza auf.

Greetse

Antwort geändert am 10.02.2020 um 20:08 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 10.02.20:
Tja, soviel zum Thema auftrumpfende, zerstörerische Kritik. Ich sehe durchaus ein, dass ich etliche meiner Äußerungen werde relativieren müssen, mit Schlagworten wie "Schluss auf die beste Erklärung", "Bibelcode" und "Occams Rasiermesser" zeigst Du mir allerdings nicht gerade, dass Du geneigt bist, eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen als die von Dir favorisierte .
Ich werde dennoch so bald wie möglich auf Deine PN eingehen, bis dahin,

Ciao, Frank

 Willibald meinte dazu am 10.02.20:
Nun ja, mir schien es so, du hättest bereits mit diesem deinem komm bereits auf die pn eingegangen sein wollen. Darauf schien mir der Hinweis zu deuten, es gehe um die Schmähung vo O. durch H. und diese These sei für deine Arbeit eher Nebensache.

Aber wie auch immer.

Sei gegrüßt. Ein in jeder Hinsicht interessanter Gedankenduktus. Und höchst diskutabel wie literaturwissenschaftlich problematisch. Aber auch einfach argumentativ problematisch. Aber wem sage ich das. Der versteht das ja wohl eher als Bestätigung für die Richtigkeit seines Ansatzes?

 FrankReich meinte dazu am 10.02.20:
Halllo Willibald,

auf Deine PN werde ich deshalb noch gesondert eingehen, weil sie mich in meiner Verteidigung meiner "Hoffmannswaldau-Steganographie" tatsächlich unterstützen könnte, insofern hast Du natürlich recht mit Deiner abschließenden rhetorischen Frage. Besonders gewundert hat mich nämlich, dass Du die von mir gebotene 3. Rezeptionsvariante des "Opitz-Epigramms" völlig ignoriert hast.

Ciao, Frank

P.S.: Ich schätze, dass gerade sie die Rühmungsthese gewaltig in Wanken bringen dürfte.
Der Begriff Stenagogie sagt mir übrigens nichts.

Antwort geändert am 11.02.2020 um 12:31 Uhr

 Willibald meinte dazu am 11.02.20:
Grüß Dich, Frank

"Stenagogie" ist ein Kunstwort, jongliert ein bisschen mit Steganogogie und -graphie:
stenos: "eng";
agōgē „Führung, Leitung"

Es meint eine Engführung in der Argumentation.
Es berührt sich mit "Enthymema", einer Art von Kurz-Schluss, der nur die eigenen Prämissen anerkennt. Und im Steigerungsfall Gegenbeobachtungen entweder gar nicht zulässt oder sie als Beleg für die eigene These erklärt.

Bevor nun - was wirklicih nicht zu wünschen ist - Fäuste geballt werden, lass uns vorab klären, was wirklich ein sehr ernsthafter Prüfstein ist, diese Frage nämlich:

Unter welchen Voraussetzungen wäre es für Dialogpartner einsichtig, dass eine These geringe Wahrscheinlichkeit hat.?
Kürzer: Unter welchen Umständen ist die Steganographie-These - ich bleibe beim Opitz-Epitaph - falsifizierbar, nahezu falsifizierbar ?

beste Grüße
ww

Antwort geändert am 11.02.2020 um 15:45 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 11.02.20:
Hi Will,

danke für Deine Aufklärung. Nun, dieses Kunstwort scheint also geschaffen worden zu sein, um Überheblichkeit, Herablassung und Anmaßung zu kultivieren, denn im Moment sehe ich nur, dass Du Gegenbeobachtungen ebenso wenig zulässt, wie sie mich für meine Arbeit bisher interessiert haben. Letzteres allerdings hat sich geändert, ich werde sie berücksichtigen, keiner kann mir allerdings vorschreiben, wie ich das handhabe, denn es geschieht selbstverständlich auf argumentativer Ebene.

Hier nur ein Beispiel:

Du argumentierst unter 2.1 Deiner PN mit dem "Nachruf" des Qurinus Kuhlmann auf Opitz, weißt jedoch auch, dass Kuhlmann Opitz nie kennen lernte und auch, dass er, zumindest kurzzeitig, unter Hoffmannswaldaus Einfluss stand. Ich bin der Auffassung, dass es sich hierbei zwar um eine Rühmung handelt, vorrangig jedoch um einen Versuch der Aemulatio und das erklärt natürlich auch, warum Kuhlmann so dermaßen übertreibt. Wenn ein Mensch erst einmal von einem Ideal überzeugt ist, wird es unmöglich, ihn davon abzubringen und der Lebenslauf Kuhlmanns zeigt eindrucksvoll, wohin ideologische Borniertheit einen Menschen führen kann.
Mit Scherffensteins Charakter habe ich mich noch nicht auseinander gesetzt, er außerdem wird Opitz ebenfalls nicht gekannt haben, die beiden "Epitaphe" unterscheiden sich in Form und Machart jedoch gewaltig, also auch hier bitte keinen verallgemeinernden Weg einschlagen.

Übrigens rückst Du mit Deiner Einschätzung immer weiter von der Möglichkeit, dass ich richtig liegen könnte, ab.
Um damit zur Falsifizierbarkeit zu kommen, müsstest Du mir schon beweisen können, dass es sich bei meinen steganographischen Entdeckungen um "Ausrutscher" seitens von Hoffmannswaldau handelt, den sogenannten "Kempner-Effekt" also, während meine Arbeit darauf ausgerichtet ist, zu beweisen, dass sie es nicht sind.
Den Falsifizierungsversuch solltest Du jedoch am Objekt starten, denn mit dem "Bibelcode" zu argumentieren, ist ebenso ein Allgemeinplatz wie das barocke Kleid, das Du Hoffmannswaldau anzuhängen suchst.
Bis zu einem gewissen Maß lasse ich das "Schwulstverständnis" zu Hoffmannswaldaus Lyrik durchaus gelten; seine Neigung zur Steganographie zeigt sich nur in wenigen seiner Werke; jedoch bin ich der Meinung, dass er im Gegensatz zum globalen Umgang mit dem Redeschmuck der barocken Gesellschaft eher einen Spiegel vorhält, der allerdings tiefergehend durchschaut werden muss, da die einfache Ebene der Interpretation bei solch einem komplexen Charakter wie dem des Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau einfach nicht ausreicht.
Nun gut, Du gehst davon aus, dass meine Entdeckungen falsifizierbar sind, bisher sehe ich allerdings nur deduktive Schlüsse, wie wäre es, wenn Du Dich auf den "Sonderfall" "Hoffmannswaldau" konzentrierst? Und selbstverständlich geht es in diesem Diskurs nur um das "Opitz-Epigramm", wobei ich ausdrücklich betone, dass es in Hoffmannswaldaus Gesamtwerk keinen Einzelfall darstellt.
Einerseits könnte ich froh sein, in Dir einen Gegner meiner Entdeckung gefunden zu haben, andererseits meine ich, dass sich diese Diskussion nur weiterentwickeln kann, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet.

Ciao, Frank

 Willibald meinte dazu am 11.02.20:
Mein Gott, ich bin doch kein Gegner!

 FrankReich meinte dazu am 11.02.20:
Hi Will,

Gott lassen wir da jetzt aber mal aus dem Spiel, das ist ein Thema, welches ich gerne auf Deine Erörterung verlagern möchte. :D
Was allerdings den Gegner anbelangt wäre für mich daran nichts tragisch oder verwerflich, gemeinsam bekämen wir die Lichtung schon in den Griff.

Ciao, Frank
:

 Willibald meinte dazu am 12.02.20:
Wenn es denn zweckdienlich ist,
so sei die Apostrophe hiermit korrigiert zu "mon Dieu! ".....

greetse
ww

 FrankReich meinte dazu am 12.02.20:
Hallo Willibald,

selbst wenn Du es in "Sakra" umändern würdest, nein, zweckdienlich wäre es, wenn Du Dich direkt zu den steganographischen Besonderheiten im "Opitzepigramm" äußern würdest, besonders zur 3. Entdeckung. Da Du Dich entschieden hattest, den Kommentarstrang zu wechseln, hier noch einmal die Variante:

39. Opitzens

Mich hat ein kleiner Ohrt im Teutschen unterwiesen,
Der Wegen meiner wird mit Rohm die wette leben.
Ich suche nicht zuviel, ich bin genung gepriesen,
Das ich die Venus selbst der Teutschen Weldt gegeben.

Gerade diese Rezeptionsart zeigt doch, dass das Epigramm bzgl. der sexuellen Auslegungsmöglichkeit im 4. Vers total hätte entschärft werden können, und die Rühmung wäre trotz Metaphorik sogar noch realistischer gewesen, denn die "Venus-Metrik", also die Eindeutschung auf Jambus, würde in dieser Version um einiges besser zur Geltung kommen.
Ich frage Dich daher noch einmal: "Warum hat Hoffmannswaldau diese Version nicht von vornherein favorisiert, sondern sie steganographiert?"
Natürlich wäre es immer noch möglich, dass alle drei Varianten dem Zufall unterliegen, aber doch wohl sehr unwahrscheinlich, 3 Ausrutscher in einem Epigramm, das von einem Dichter erstellt wurde, der als Meister des Scharfsinns, Pointe und Satire gelten dürfte???
Diese Art von Zufall könnte dann allerdings auch auf die "Venusmetrik" angewandt werden.

Zu meinem Hinweis, dass am 3. Buchstaben des 2. Wortes
im letzten Vers manipuliert wurde, hast Du Dich übrigens auch noch nicht geäußert, ebenso wenig wie Du mir bisher mitgeteilt hast, wo ich den Beitrag über die "Venusmetrik" als Beleg zur Rühmungsthese nachlesen, bzw. auf welchen Autoren ich mich hinsichtlich dessen beziehen kann.

Ich würde mich ebenfalls freuen, wenn Du meine Bemerkung zu Kuhlmanns "Epitaph" noch quittieren würdest und auch insgesamt hatte ich mir als Antwort mehr erwartet als nur den lapidaren Satz "Mein Gott, ich bin doch kein Gegner".

Ciao, Frank

 Willibald meinte dazu am 12.02.20:
Nun denn, dann also zu den "Erwartungen"::

Dass Opitz die Quantitätsregulierung der klassischen lateinischen Sprache wegschiebt und die deutsche Akzentuierung (die Poeterey-Stelle habe ich zitiert) propagiert, kann man in einschlägigen Barockdarstellungen nachlesen (z.b. Volker Meid, Dirk Niefanger, Hans-Georg Kemper, Christian Wagenknecht, Alfred Behrmann, Jakob Minor).

Die barocke Rezeption der Poeterey ist ebenfalls gut zu recherchieren. Die vielen Auflagen der Poeterey und des De contemptu sind in den modernen Ausgaben der Poeterey gut dokumentiert.

Der Originaltitel lautet: Martini Opitii Buch von der Deutschen Poeterey. Jn welchem alle jhre eigenschafft vnd zuegehör gründtlich erzehlet/ vnd mit exempeln außgeführet wird. Gedruckt in derFürstlichen Stadt Brieg/ bey Augustino Gründern. Jn Verlegung David Müllers Buchhändlers in
Breßlaw. 1624.

Die Vorrede signalisiert das Gewicht des Buches für die Heimatstadt, für Schlesien und das "teutsche Vaterland". Ein Topos, der zeitgenössisch Furore machte.

Zahlreiche weitere zeitgenössische, "barocke" Auflagen kamen heraus, die man in den neueren Ausgaben des 20. Jahrhunderts zumeist aufgeführt findet. Zu diesen einige Anmerkungen:

Bei den neueren Ausgaben beginnt es intressant zu werden
mit der von Richard Alewyn betreuten. Er war der Wiederbegründer der von Braune eröffneten Reihe, die nun den offeneren Titel ›Neudrucke deutscher Literaturwerke‹ führte. Vgl. Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Nach der Edition von Wilhelm Braune neu herausgegeben von Richard Alewyn.- Tübingen: Niemeyer 1963 (Neudrucke deutscher Literaturwerke. N.F.; 8) (2. Auflage 1966).
Alewyn bietet in der Einleitung einVerzeichnis der berichtigten Druckfehler sowie eine aktualisierte Bibliographie der Ausgaben der›Poeterey‹.

Aus den sechziger Jahren ist sodann hinzuweisen auf die Edition der ›Poeterei‹ in dem sehr instruktiven Sammelband: Poetik des Barock. Hrsg. von Marian Szyrocki.- Reinbek: Rowohlt1968 (Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft; 508–509), S. 7–55. Sodann liegen
zwei Reclam-Ausgaben vor: Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Hrsg. von
Cornelius Sommer.- Stuttgart 1970 (Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 8397–98). Geboten werden zusätzlich Sacherklärungen sowie eine Bibliograhie und ein Nachwort. Eine bibliographischnochmals ergänzte Auflage erschien 1995. Des weiteren: Buch von der Deutschen Poeterey. Hrsg.
von Herbert Jaumann. Studienausgabe.- Stuttgart: Reclam 2002 (Reclams Universal-Bibliothek;
18214). Die Edition ist mit reichhaltigen Anmerkungen, einer Bibliographie und einem Nachwort
ausgestattet.
Schließlich ist hinzuweisen auf die kommentierte Wiedergabe des Textes in: Martin Opitz: Gesammelte Werke. Kritische Ausgabe. Hrsg. von George Schulz-Behrend. Band II: Die
Werke von 1621 bis 1626. 1. Teil.- Stuttgart: Hiersemann 1978 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart; 300), S. 331–416. Diese Ausgabe ist mit einer wichtigen entstehungsgeschichtlichen Einleitung versehen.

Dass diese Poeterey-Passage unmittelbar mit der Venus-Metrik kombiniert ist, wurde ebenfalls belegt.

Die den/die-Variante - auch darauf wurde schon verwiesen - ist in jedem Falle recht gut mit der These zu verknüpfen, dass die deutschorientierte, akzentorientierte Metrik und die Galante Dichtung rühmenswerter Weise in Opitz ihren Vater hat.

Dass eine steganographische Umstellung des Epigramms eher erst dann vorzunehmen ist, wenn die beiden tradierten Drucke und ihre Versionen mit den Zeitumständen in einem befremdlichen, sehr befremdlichen Verhältnis stehen, dürfte einer detektivischen, literaturwissenschaftlichen Methodik entsprechen, so wenig "innovativ" sie auch erscheinen mag.

Im Übrigen hat wohl in einer Diskussion an der Universität eher der die Bringschuld, der behauptet, man müsse die Texte steganographisch gegen den Strich der Drucke lesen. Er muss plausibel machen, dass die tradierte Version Widersinniges birgt. Und dass die entsprechenden Interpretationen, dieses Widersinnige übersehen und falsch sehen. Und dass die steganographische Version mit der soziokulturellen Einbettung bestens harmoniert. In Punkt 4 der pn wurde auf die Problematik der Steganoherleitung eingegangen.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die relativ ausführliche Aufstellung, die Willibald in der pn von 1 - 4 gebracht hat, ohne jede Bringschuld und aus Interesse für einen intressanten Ansatz gefertigt wurde.

Man möge die dortige Argumentation noch einmal durchgehen.
Und sie auf ihre Belastbarkeit prüfen. Das Kuhlmann-Argument mit der fehlenden persönlichen Bekanntschaft lässt sich dort recht gut überprüfen, unter anderem springt ins Auge, dass H. mit Diogenes und Cicero und Seneca drei fremdzeitliche Größen enkomiastisch avisiert und dann nach Lipsius mit seinen zwei Weibern ! unseren Opitz unterbringt).

Nicht zu vergessen, dass die Methodik, mit "Multidimensionaler Interpretation" (Kausalketten A und B, Monokausalität, Polykausalität) vorzugehen, beleuchtet wurde. Mit Hinweisen auf analoge und recht brüchige, selbstimmunisierende Argumentationen (Evolution mit und ohne Gott, Grabepigramm mit Ruhmesrede und steganographisch feinstem Spott, Hexen und Viren als Pestauslöser).

Beste Grüße in den Abend, ich fahre jetzt mit meiner Tochter zu einem Abendessen. Meine Energie ist dann die nächste Woche auf andere Phänomene als Hoffmannswaldau gerichtet.

Antwort geändert am 12.02.2020 um 19:50 Uhr
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