Robert Gernhardt hatte Recht

Sonett zum Thema Aggression

von  Judas

Ich furze auf ein Blatt Papier und nenne das Sonett – wer will mich daran hindern?
Ich kann halt nicht dichten
so wie all diese lichten
Gestalten denen ich hier sagen will: euer Verhalten ähnelt Kindern,
die laufend quäken und zanken.
Und in euren kleinen, kranken
Köpfen denkt ihr doch tatsächlich, dass irgendein Schwanz sich heute noch um Sonette
schert.

Und trotzdem schreibt ihr die.

Ich sag's wie Ryan Reynolds „but why?“, ja why would you write such a Dreck? Keiner will Sonette
oder ist es die Etikette,
die euch zwingt, Gedichte in Korsetts zu pressen?

Die können so nicht atmen.

Habt ihr denn längst vergessen:
es gilt doch Formen zu überwinden, nicht Inhalte!
Aber ihr haltet eben fest an diesen Förmchen, die schon kacke waren, als man sie erfand. Und wehe, jemand wagt was Neues oder bricht raus aus diesen jambenschwangeren Reimen und diesem scheiß Versmaß.
Mit Lyrik gewinnst du keinen Blumentopf mehr. Setzt sie ab, die rosa-
rote Brille und schreibt Prosa.

Das ist nicht böse gemeint,
aber ernst.


Anmerkung von Judas:

Ein Kommentarstrang inspirierte mich zwar zu diesem feinsten Stück Lyrik, trotz allem werden keine real existenten Personen vom Text angesprochen. Wer sich trotz dieser Anmerkung aber angesprochen fühlt, ist selbst schuld und ziemlich egozentrisch.

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (13.12.19)
Nicht übel, Madame, allerdings bin ich der Meinung, dass es weder um Formen oder Inhalte geht, sondern um Selbstüberwindung. Auch sind Regeln sicher notwendig, aber weniger ist halt mehr.
Dem Sonett genügen 14 Verse, zzgl. seiner Zwischenformen.
Und ja, Blumentöpfe lassen sich mit Lyrik allgemein nicht mehr gewinnen, von Ausnahmen wie Grünbein einmal abgesehen, aber sie ist ein guter Einstieg zur Entwicklung z. B. poetischer Prosa. Ebenso wie Goethe begann wohl auch Gernhardt mit Gedichten.
Dein Ding hier ist trotzdem gut, allerdings wird sich da wohl keine Sonettante kommentatorisch heranwagen, dennoch kann ich das nicht oft genug erwähnen, das Ding hier ist ein ganz, ganz ausgezeichneter Sonettenkranz, mit allen Raffinessen und sonstigem Pipapo, den macht Dir so schnell keiner nach.

Ciao, Frank

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Danke und so. Aber: wer hier Sonettante sein soll oder nicht ist nicht meine Sache. Siehe Anmerkung. Persönlicher Zwist ist mir egal. Mich hatte einfach nur fasziniert und eben inspiriert, wie stark man sich mit Sonetten befassen kann. Und das auch noch freiwillig und eifrig!

 FrankReich antwortete darauf am 13.12.19:
Schon klar, aber ich denke, dass es hier nicht um das "wie" geht, sondern das "warum". Im Barock entbrannten regelrecht Dichterkriege um die Formen der Dichtkunst, speziell des Sonetts. Heftig, faszinierend und inspirierend zugleich. Allerdings kann ich da nur für mich sprechen, und ich bin der Meinung, dass Lyrik durchaus seine Berechtigung hat, auch in gebundener Form, weil durch die Beschäftigung damit auch Rückschlüsse auf geschichtliche Entwicklungen möglich werden, ebenso wie sie Vergleiche zu sonstigem Regelwerk gestattet, ihre Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist, und sie ein super Absprungbrett zur Prosa bildet.
In der Literaturwissenschaft nimmt das Sonett übrigens auch heutzutage noch eine sehr gewichtige Rolle ein, es ist noch immer nicht ausreichend erforscht, aber okay, diese Wissenschaft ist halt auch nur irgendein Schwanz, der allerdings schert sich noch um Sonette, vielleicht nicht unbedingt freiwillig, aber eifrig. :D

Ciao, Frank

 Judas schrieb daraufhin am 13.12.19:
Definitiv nicht freiwillig. Ich hatte LW im Germanistik Studium ;)

 AchterZwerg äußerte darauf am 13.12.19:
@ Ralf
... allerdings bin ich der Meinung, dass es weder um Formen oder Inhalte geht, sondern um Selbstüberwindung.
Größeren Quatsch (ersatzweise Scheiß) habe ich lange nicht gelesen!

 loslosch ergänzte dazu am 13.12.19:
muss heißen: selbstkasteiung.

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
@Zwerg jo persönlich werden bitte unter den eigenen Texten, danke :)
Cora (29) meinte dazu am 13.12.19:
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 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Das stimmt es war auch nur mehr so vorsichtshalber gemeint. Es sieht ja ein Blinder mit Rüchstock, dass das eine Stichelei ist die nichts mit dem Text zu tun hat.

Antwort geändert am 13.12.2019 um 12:33 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 13.12.19:
@8. Zwerg
Egal, ob Dein Beitrag nun persönlicher oder textbezogener Natur ist, sachlich ist er auf keinen Fall, und @Cora, eine seltsame Aussage? Auch das ist unsachlich, weil absolut nicht begründet, denn bevor Du so etwas behauptest, solltest Du erst einmal nachfragen, was dahinter steckt. Unhöflich und unüberlegt sind somit beide Kommentare.
@8. Zwerg
Ich habe mich auf obigen Text bezogen, in dem es heißt: "Es gilt doch Formen zu überwinden, nicht Inhalte.". Hallo, überleg doch mal, welche Formen und Inhalte wir tagtäglich als gegeben hinnehmen, ohne darüber nachzudenken, ob sie richtig, falsch, verbesserungs,- veränderungswürdig sind, bzw. eine neue Definition erfordern oder sogar ersatzlos gestrichen werden können. Ich versuche das so gut wie möglich zu reflektieren, für mich gehört dazu allerdings auch Selbstüberwindung.
Apropos, lieber Zwerg, da wir gerade bei Assoziationen sind ( .D ) : "In einem kühlen Grunde ... Ja, es stimmt, da muss erst einmal ein Mensch drauf kommen, aber da wären wir wieder bei der Reflektion, die gelingt manchmal sogar durch eine Frage.
@Judas
Das war keine Stichelei, sondern eine Killerphrase.

 AchterZwerg meinte dazu am 13.12.19:
@ Judas

"@Zwerg jo persönlich werden bitte unter den eigenen Texten, danke "

Das wird nicht nötig sein, denn ich werde deine Texte (und Kommentare) in Zukunft aus- und mir ersparen.
Herzlichen Dank dafür. :)

 FrankReich meinte dazu am 13.12.19:
@8.Zwerg
Ach Du liebe Keramik, das musst Du doch nicht gleich persönlich nehmen. :D

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Da hat jemand die Anmerkung nicht gelesen.
Cora (29)
(13.12.19)
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 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Runde Würfel sind super cool :) bitte keinen persönlichen Zwist hier austragen.
Cora (29) meinte dazu am 13.12.19:
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 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Der, vor dem ich mich sorge. Ganz verstehe ich aber ehrlich gesagt deinen Kommentar auch nicht.
Cora (29) meinte dazu am 13.12.19:
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 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Ahhh okay sach dat doch gleich :D
Der Text ist übrigens nicht 100% ernst zu nehmen. Ich gönne natürlich jedem den Spaß, den er/sie/es mit Lyrik hat.
Davon abgesehen gibt es tatsächlich runde Würfel. Hatte ein Pen & Paper Freund von mir. Die funktionieren sogar! Haben irgendwie so ein kleines Gewicht drin, glaube ich.
Agneta (62)
(13.12.19)
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 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Da hast du natürlich nicht ganz Unrecht aber mich fasziniert eben dieser Eifer in dem von dir genannten Krieg den ich zB also unglaublich banal empfinde :D

 Artname meinte dazu am 13.12.19:
So banal, dass du die Flammen mit Öl löschen möchtest?

Ich mag den Text, da ich zuweilen das Gleiche denke, während ich nach anderen Formen suche...

Seit wann können Menschen in Korsetten nicht atmen? Sie atmen anders. Ist Andersartigkeit schlimm? Ich denk darüber mal so und mal so und manchmal sogar so!

lg

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Öl ins Feuer? Nun... *setzt sich langsam eine sehr lässige Sonnenbrille auf*

 Artname meinte dazu am 13.12.19:
Oops, der Clown setzt sich eine lässige Sonnenbrille auf. Gehört das nicht schon zu der Nummer von morgen?

Ok, ich will nicht kryptisch kommentieren. Ich denke, dass die Gefühle und Gedanken Jedem ursprünglich kommen - während die Form anschließend eine Art Souveränität vorgaukelt. Auch mir erscheint das Sonett, das sogenannte Klanggedicht, sehr verführerisch, all dem Unausgegorenen, was mir einfällt, einen klangvollen Rahmen zu...ähm... verleihen. Oft versuche ich mich an einem Sonett und denke bereits beim ersten Reim... Uuuuuhhh, viiiiel zu harmonisch!

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Hast du mich grad Clown genannt? :( nee aber jetzt mal echt: ich gönn doch jedem, Sonette zu mögen und zu schreiben.

 Artname meinte dazu am 13.12.19:
Oops, der Clown setzt sich eine lässige Sonnenbrille auf. Gehört das nicht schon zu der Nummer von morgen?

Ok, ich will nicht kryptisch kommentieren. Ich denke, dass die Gefühle und Gedanken Jedem ursprünglich kommen - während die Form anschließend eine Art Souveränität vorgaukelt. Auch mir erscheint das Sonett, das sogenannte Klanggedicht, sehr verführerisch, all dem Unausgegorenen, was mir einfällt, einen klangvollen Rahmen zu...ähm... verleihen. Oft versuche ich mich an einem Sonett und denke bereits beim ersten Reim... Uuuuuhhh, viiiiel zu harmonisch!

 Artname meinte dazu am 13.12.19:
Oops, ein Vergleich und eine Betitelung ist doch hoffentlich nicht das Selbe?

Ansonsten schreibe ich sehr, sehr selten Sonette. Was mir mir nach so viel Spott schon wieder reichlich komisch vorkommt.

lg

 HerrSonnenschein (13.12.19)
Respekt! Der Text hat Kraft und fesselt. Und gekonnt ist er auch.

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Ich hab halt skill das braucht man in der Lyrik :D

 Oreste (13.12.19)
Verstehe nicht, was du gegen Sonette hast. Die Teile sind starrköpfig, langweilig und überflüssig; nur sind die allermeisten Leute das nicht auch? Hm. Okay, ich versteh dich doch.

(;

 Judas meinte dazu am 13.12.19:
Bester Kommentar bisher :D

 Oreste meinte dazu am 13.12.19:
Man gewöhnt sich dran.
Agneta (62) meinte dazu am 13.12.19:
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 Oreste meinte dazu am 13.12.19:
Ja, Agneta, das ist wie mit dem Wetterbericht. Oder dem Fähnchen auf dem Häppchen.
Slivovic (49)
(13.12.19)
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 eiskimo (13.12.19)
Man kann vom Dreimeter-Brett ins Wasser plumpsen oder einen Salto rückwärts mit Schraube darbieten. Nass werden am Ende beide Springer.
Aber für den Betrachter macht es schon einen Unterschied.
Letztlich kommt es auf den Anspruch an.
vG
Eiskimo

 niemand meinte dazu am 13.12.19:
@ Eiskimo
Das hast Du echt gut! gesagt
LG niemand
Fisch (55) meinte dazu am 13.12.19:
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 Judas meinte dazu am 15.12.19:
Immer diese Metaphern, überall Metaphern! Verdammte Dichter!

 Augustus (13.12.19)
die Anfänge der Gedichte beruhten auf einer gegenseitigen und auf der persönlichen Ebene von zwei Menschen. Sie waren kleine Geschenke oder Aufmerksamkeiten zwischen Liebenden. Da die Art und Form von der Alltagssprache abwich, musterten sich die Gedichte nach und nach zur Kunst.
Die Perser und Araber sowie Griechen entdeckten bei ihren Vorfahren lyrische Texte, die sie beeindruckten und diesem Gefühlsethos nacheifarten.
Flankiert wurden solche Entdeckungen von der Musik und natürlich von Erzählungen, denn gerade die Geschichten aus 1001 Nacht sind ein schönes Zeugnis der arabischen Blüte, die zu dem Zeitpunkt aufgegangen ist.

Dass die Gedichte heutzutage prostituiert werden weiß ja jeder. Die Inflation hat im 18 Jahrhundert begonnen und findet in unserem Jahrhundert ihren Höhepunkt. Die Dichtkunst wird oder sollte wieder in die privaten Kreise zurückkehren, damit sie wieder an Bedeutung gewinnt, obwohl nach der herrschenden Meinung die Poesie dem Volk gehört.

Kommentar geändert am 13.12.2019 um 21:31 Uhr

 Alazán (18.01.20)
Das schöne an Formen ist a) dass man sie brechen kann - was hieße sonst "frei"? - und b) dass sie eine starre Struktur wie eine Barockkirche darbieten, in der aber auch ein Punk-Konzert stattfinden kann. Kurz: Die Form kann Horizonte sprengen lassen, wenn man statt Tee mal Gin oder eine Katze reinfüllt und sich das ganze von außen betrachtet. Ebendiesen Vorteil entwickelt eine Form genau erst dann, wenn möglichst viele mit dieser Form vertraut sind (sonst wäre es keine Form geworden) und sie dann mehr oder weniger brechen. Shakespeare gilt als Godfather des Sonetts, dabei hat er es eigentlich glorios verhonepipelt, was die Römer sich da ausgedacht hatten, 1800 Jahre zuvor. Und ein heutiges Sonett kann ein tolles sein, selbst ohne Sarkasmus, wenn es poltisch oder liebes-politisch in uns etwas bewegt, was wir so noch nie gesehen haben: Es wird umso sichtbarer, weil wir die Form bereits übersehen, weil wir sie KENNEN.
:-*
LG Philipp

 Judas meinte dazu am 18.01.20:
Alles richtig! Drum sind gewisse Diskussionen drumherum auch so dämlich. Übrigens hat Robert Gernhardt ja selbst seinen Sonetthass in ein perfektes Sonett gepackt.
Knutschi zurück ;)
Judas

 Alazán meinte dazu am 18.01.20:
Dieses Maß an Selbstkritik erinnert mich an Mark Twains Versuche mit der deutschen Sprache ^^ immer wieder lesenswert. Du übrigens auch - schön, dass Du nach all den Jahren noch hier bist!

 Judas meinte dazu am 18.01.20:
Ja das kann ich nur zurück geben!

 drmdswrt (11.04.21)
Immer wieder lesenswert. Und manchmal hat man das Gefühl, dass es mit jedem Tag wahrer wird.

 Judas meinte dazu am 11.04.21:
Immer wieder gerne. ;)

 Dieter Wal (11.04.21)
EIN WAHRES  VOGONISCHES MEISTERWERK! DANKE!!

 Judas meinte dazu am 11.04.21:
Wow, na danke... so schlimm ist's jetzt auch nicht...

 Dieter Wal meinte dazu am 11.04.21:
Nicht schlimm. Überwältigend scheußlich. Du schreibst meistens ansonsten einfach nur überwältigend.

 Judas meinte dazu am 13.04.21:
Pff.

 Trugverschluss meinte dazu am 04.05.21:
Tzz .. und ich war mal soooo stolz auf ein Sonett.

Ich finde, es ist so eine Zwangsjacke, die ich durch Faszination einfach gerne mal anziehe! Manchmal kann ich nicht schnell genug wieder raus. . mal ist es Tiefenentspannung.

Schon keck, dein Text. Klar :)

Allerdings: .Jetzt .. echt? Sonett-Bashing?

 Judas meinte dazu am 04.05.21:
Klar. Wieso auch nicht ;)

 Trugverschluss meinte dazu am 04.05.21:
Ja. Stimmt.

Trotzdem: Menno.

Antwort geändert am 04.05.2021 um 21:58 Uhr

 Judas meinte dazu am 05.05.21:
:D

 Beislschmidt (31.12.21, 00:59)
Olfaktorisch gesehen eine Offenbarung.
Das Papier hat sicher leicht geflattert.
Ganz lieber Beislgruß  :)

 Judas meinte dazu am 31.12.21 um 01:05:
So ein bisschen, ja. ;)
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