Die verlorene Antike

Essay zum Thema Literatur

von  Graeculus

Die antike Literatur besitzt für die gesamte europäische Tradition eine enorme Bedeutung. Man kennt (meistens) und liest (manchmal) Homer, den Ödipus, die Medea, Platon und Aristoteles, Cicero, Seneca und noch einige andere Autoren mit ihren Werken.
Wenig bekannt ist der Umstand, daß die uns erhaltene Literatur der Antike lediglich 10 Prozent der damals geschriebenen ausmacht.
Weitere 10 Prozent der Werke sind uns nur unvollständig erhalten: so etwa von den Historikern die „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“ von Thukydides, die „Annalen“ des Tacitus, die „Römische Geschichte“ des Livius und die „Römische Geschichte“ des Cassius Dio.

Am schlimmsten aber ist der beinahe vollständige Verlust von 80 Prozent der Literatur, von der wir entweder nur durch kurze Zitaten (Fragmente) oder als Titel in einer Liste etwas wissen. Für diese Verluste nenne ich einige Beispiele:

• Der Krieg um Troja, vom Urteil des Paris angefangen bis zur Heimkehr von Agamemnon, Menelaos und Odysseus, wurde in einem ganzen Dutzend von Epen („der epische Kreis“) dargestellt, von denen uns lediglich zwei – unter dem Namen Homers – erhalten sind: die „Ilias“ (welche ein einziges Jahr dieses zehnjährigen Krieges schildert) und die „Odyssee“. Von den übrigen zehn Epen: Titel, wenige Bruchstücke. Vieles, was in diesen verlorenen Epen stand und was man gemeinhin kennt (das Urteil des Paris und das hölzerne Pferd z.B.), ist aus anderen Werken rekonstruiert. Das umfangreichste aus der Antike erhaltene Epos steht außerhalb des troischen Sagenkreises, ist spätantik und – obwohl dem durch und durch heidnischen Gott Dionysos gewidmet – von einem christlichen Bischof verfaßt: die „Dionysiaka“ des Nonnos, eine literaturgeschichtliche Kuriosität. Der lateinische Vergil mit seiner „Aeneis“: im Mittelalter gerne gelesen, deshalb immer wieder abgeschrieben und erhalten. Als ein weiterer Epiker außerhalb des troischen Epenkreises, dessen Werk (u.a. eine „Thebais“) nur in Fragmenten erhalten ist, sei Antimachos genannt.

• Dramen, eine griechische Erfindung, wurden in den dortigen Theatern grundsätzlich als eine Einheit von je drei Dramen mit zusammenhängendem Thema (also als Trilogie) plus ein Satyrspiel aufgeführt. Unter den etwa drei Dutzend überlieferten Dramen (Autoren: Aischylos, Sophokles und Euripides) befindet sich nur eine einzige vollständige Trilogie (die „Orestie“ des Aischylos) und nur ein Satyrspiel (der „Kyklops“ des Euripides). Von allen anderen Werken dieser Autoren und von allen anderen dramatischen Autoren Griechenlands besitzen wir lediglich Fragmente (bei anderen Autoren zitiert) oder Titel. Von einer kompletten Literaturgattung, dem Satyrspiel (nicht zu verwechseln mit der Satire, die in Rom entstanden ist), also nur ein einziges überliefert! Aus Rom, also in lateinischer Sprache: die Dramen Senecas; von allen übrigen nur Stückwerk.

• Neben der Tragödie (dem Drama) hat die Antike auch die Komödie erfunden. Von der gesamten sog. Alten Komödie ist uns nur das Werk eines einzigen Autors gut bekannt: Aristophanes. Alle anderen Autoren: kleine Bruchstücke. Bei den Römern: Plautus und Terenz gut überliefert; der wichtige Quintus Ennius bloß in Fragmenten. (Viele, die Latein gelernt haben, werden immerhin seinen geistreichen Hexametervers „Simia quam similis turpissima bestia nobis“ kennen.)

• Was die in drei Ländern der Welt (eines davon: Griechenland) entstandene Philosophie angeht, so haben Platon und Aristoteles es gut getroffen: Ihre Werke sind vollständig erhalten, von Aristoteles sogar mehr, als er überhaupt geschrieben hat. Von den Vorsokratikern (Heraklit, Parmenides, Anaxagoras und viele andere): kein einziges vollständiges Werk. Demokrit, in der Antike so hoch geschätzt wie Platon: nur Fragmente. Pythagoras und Empedokles: ebenso. Selbst von Epikur sind lediglich einige Briefe sowie Bruchstücke aus seinen Büchern erhalten. Von den Stoikern ist insgesamt – dank ihrer berühmten Vertreter Seneca d.J. und Marc Aurel – etwa ein Drittel über-liefert.

• Sappho, die berühmteste Dichterin der Antike: kein einziges vollständiges Gedicht ist von ihr erhalten. Nicht eines! Ähnlich steht es mit Archilochos und Alkaios. Pindar ist hingegen gut überliefert.

• Eine weitere Erfindung der Griechen: das Lexikon. Der Hesychios und der Iulius Pollux sind in späteren, gekürzten und verstümmelten Abschriften erhalten.

• Die vielen Fragmente, die wir dem Umstand verdanken, daß manche antike Autoren andere zitieren, manche sogar Zitate gesammelt haben, gehen vor allem auf fünf Hauptquellen aus der Spätzeit zurück: Athenaios von Naukratis, Clemens von Alexandria, Stobaios, Zenobios und Diogenes Laërtios (letzterer für die Philosophen). Hätten wir diese Fünf nicht, stünde es noch ärger.

• In der Spätantike haben heidnische, griechisch schreibende Autoren sich kritisch mit dem neu entstandenen Christentum befaßt. Julianus Apostata („der Abtrünnige“), ein Kaiser immerhin, ist gut überliefert, aber der kluge Kelsos nur in Form einer ihn zitierenden „Widerlegung“ des Christen Origines. Erstaunlich gut erhalten ist Libanios, der eifrigste Briefeschreiber der Antike: 1500 erhaltene Briefe, nebst einigen Reden.

• Recht zufriedenstellend (wenn auch weit von Vollständigkeit entfernt) steht es um die wegen ihres praktischen Nutzens bis in die frühe Neuzeit hinein oft abgeschriebenen und gelesenen (also tradierten) medizinischen Autoren: Hippokrates (selbst wenn man nicht weiß, ob auch nur ein einziges der unter seinem Namen überlieferten Bücher tatsächlich von ihm stammt), Galen (der antike Autor mit den meisten erhaltenen Schriften), Soranos (ein Gynäkologe), Alexander von Tralleis, Celsus und etliche andere.

• Zufrieden kann man auch sein mit den mathematischen und physikalischen Autoren. Um nur einige zu nennen, deren Werke wir kennen: Euklid, Archimedes sowie Heron von Alexandria (ein genialer Erfinder von Maschinen aller Art, sogar der Dampfmaschine). Ähnlich steht es mit der Naturforschung: die „Geographie“ des Ptolemaios und die „Naturgeschichte“ des Plinius sind erhalten, auch wenn manches andere Werk fehlt.

• Auch die Redekunst (Rhetorik) ist eine Erfindung der Griechen. Tatsächlich sind sowohl viele Reden (von Demosthenes, Isokrates, Lysias, Aischines und anderen), als auch theoretische Werke über die Rhetorik (Aristoteles) überliefert, dazu von den römischen Rednern anderthalb Regalmeter Cicero und als Theoretiker Quintilian.

• Relativ gut steht ferner eine Literaturgattung da, die weitgehend auf die Griechen zurückgeht: der Roman. Da sind einige Werke erhalten (Heliodor, Parthenios, Longos z.B.), wenn auch etliche verloren. Ich nutze die Gelegenheit, den humorvollen, unterhaltsamen und vielseitigen Lukian zu erwähnen, dessen Werke in der europäischen Geistesgeschichte öfters aufgenommen und variiert worden sind. Genau genommen ist er dank der Schilderung einer Reise zum Mond sogar ein Ahnvater der Science fiction, was ihm einen nach ihm benannten Mondkrater eingetragen hat.

Der Hauptgrund für all diese Verluste liegt in dem christlichen Furor, der binnen eines Jahrhunderts bestrebt war, die gesamte heidnische Literatur zu vernichten. Einzig dem Christen Cassiodor (ca. 490 – ca. 590) ist es zu danken, daß er für immerhin etwa 100 Codices, die er in seine Mönchsgemeinschaft Vivarium rettete, den sog. Flaschenhals offenhielt, durch den wenigstens ein geringer Teil der antiken Literatur den Weg in die karolingische Epoche schaffte.

Man kann es halten wie mit dem berühmten Glas Wein: bedauern, was fehlt, oder sich freuen über das, was erhalten ist – obwohl dies bei weitem kein halbes Glas ausmacht.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (26.12.19)
Sehr informativer Essay über die antike Literatur. Etwa 1200 Abiturienten pro Schuljahr haben in Bayern noch das Graecum. Das Latinum ist mehr verbreitet. Ich erinnere mich an Seneca, Cicero, Caesar. Konnte recht flott Italienisch lernen mit den Lateinkenntnissen. Weihnachtlicher Gruß Gina

Kommentar geändert am 26.12.2019 um 09:14 Uhr

 loslosch meinte dazu am 26.12.19:
... recht flott italienisch lernen.

das mag stimmten. wenn aber italiener latein lernen, wirds kompliziert. von einer person weiß ich, dass es nicht so ist, eine andere wiederum bestätigt den lernvorteil.

 Graeculus antwortete darauf am 26.12.19:
In Herculaneum, vom Vesuv verschüttet, ist ja eine Bibliothek mit lauter zusammengepappten Schriftrollen gefunden worden, die man nicht aufrollen kann, ohne sie zu zerstören. Man weiß deshalb gar nicht, welche Texte sie enthalten.
Nun hat man eine Technik entwickelt, sie Schicht um Schicht zu durchleuchten und so den kompletten Text lesbar zu machen. Fast nicht zu glauben, aber ich habe es schon mehrfach gelesen.

Jetzt bin ich gespannt, ob man damit wird Lücken schließen können.

Dem zurückgehenden Griechischunterricht wird das wohl nicht unter die Arme greifen. Wir verlieren den Kontakt zu unseren Wurzeln, weil die Kenntnis der Tradition in den aktuell favorisierten MINT-Fächern keinen Vorteil bietet.
Aber auch Mathematiker, Informatiker usw. sind ja 'nebenher' noch Menschen, und wenn sie sich mit den allgemein-menschlichen Anliegen befassen, wie sie in der griechischen Philosophie und Literatur behandelt worden sind, dann müssen sie immer wieder das Rad neu erfinden.
Als Beispiel nenne ich die Einsicht in die (wissenschaftlich weder zu erklärende noch zu behebende) Macht des Irrationalen, wie Euripides sie in den "Bakchen" vor Augen führt.

Antwort geändert am 26.12.2019 um 15:44 Uhr

 loslosch (26.12.19)
vom vorsokratiker xenophanes fehlt originär so gut wie alles. "Karl Popper hielt Xenophanes für einen Vorläufer des kritischen Rationalismus." (wiki.)

legendär seine überlieferte aussage: "Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus.“

 Graeculus schrieb daraufhin am 26.12.19:
Xenophanes ist ein gutes (von mir namentlich nichtmal erwähntes) Beispiel für das, was ich meine: Er muß ein sehr kluger, interessanter Autor gewesen sein, an dessen wenigen überlieferten Thesen, z.B. der über religiösen Glauben, man schon erkennen kann, daß er zeitlos ist. Ein seltsames Paradoxon: zeitlos und doch verloren.

 TrekanBelluvitsh (26.12.19)
Das trifft ja nicht nur auf die Antike zu: Auch von den Werken, die zu Shakespeares Zeit in den Theatern aufgeführt wurden, sind nur wenige erhalten. Das liegt an der Herrschaft der Puritaner zu Beginn des 17. Jhd., noch mehr jedoch wohl an dem Großbrand von London im Jahre 1666.

Der unbekannte Autor des Nibelungenlieds hat dieses auch nicht erfunden, sondern bekannte Erzählungen, Mythen und Legenden zusammengesetzt. Ob diese Art der Zusammensetzung originär von ihm ist, kann man nicht sagen, ebenso was von ihm selbst stammt.

Selbst für die Neuzeit gilt: Gut geklaut ist besser als schlecht selbst erfunden. Man denke nur an "Der Untergang des Hauses Usher" von Poe. Wie oft der Plot in Filmen und Büchern kopiert wurde, wäre bestimmt eine Doktorarbeit wert.
;-)

 Graeculus äußerte darauf am 26.12.19:
Das ist möglich, darüber habe ich noch nicht nachgedacht: was überhaupt insgesamt an Literatur verloren ist. Es wird so sein.
All those moments will be lost in time like tears in rain.

 EkkehartMittelberg (26.12.19)
Lieber Graeculus, die Hauptursache für die verlorene Antike hast du aufgeführt, nämlich den christlichen Furor..
Leider droht der kleine gerettete Teil der Antike durch Nichtbeachtung verloren zu gehen, weil der herrschende Materialismus unserer Zeit nicht in der Lage ist, den großen immateriellen Nutzen des geretteten Erbes zu erkennen.
Ich danke dir für dein heervorragendes Essay.
Beste Grüße
Ekki

 Graeculus ergänzte dazu am 26.12.19:
Das ist sehr traurig und geht anscheinend, wie auch Du schreibst, mit dem schwindenden Bedeutung der Kutlur- und Geistesgeschichte gegenüber den MINT-Fächern einher. (s.o.)
Dieser Traditionsverlust hat Folgen, die wir bedauern, anderen nicht einmal bewußt sind.

 Dieter Wal (26.12.19)
Von Sappho kenne ich das "Scherbengedicht"* komplett und drei weitere im vollen originalen Wortlaut.

*) Es wurde um 1980 in Ägypten bei Ausgrabungen mit einem Schreibfehler überliefert und diente einem römischen Schüler von seinem Griechischlehrer dazu, das vielleicht schönste griechische Gedicht durch Abschrift auswendig zu lernen. Ich lernte es über Giebels Sappho-Buch kennen. Zweisprachig.

Es befindet sich an meiner Südwand neben Franz von Assisis Sonnengesang.

Kommentar geändert am 26.12.2019 um 20:40 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Du meinst nicht: Nachdichtungen?

Ich habe mich, zugegeben, weit aus dem Fenster gelehnt: kein einziges.
Zum Überblick: In der Einleitung der Edition von Andreas Bagordo (Tusculum) heißt es: "Bei Sappho ist der Lyrikforscher mit heiklen Aspekten konfrontiert: einem Textbestand in Trümmerform [sic!], einer Überlieferung dieser Trümmer, die nicht unbedingt nach rationalen Kriterien erfolgte, sowie dem Verlust der ursprünglichen Bestandteile wie der Musik und - im Falle der chorischen Lyrik - des Tanzes."
Das Kapitel mit der Werkübersicht steht unter dem Titel: "Sapphos erhaltene Fragmente."

Ob ich jetzt tatsächlich doch das eine oder andere vollständige Gedicht übersehen habe in der Ausgabe, muß ich in etwas mühsamer Detailarbeit überprüfen. Ich gebe dann Bescheid.

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Weiter: "Die lyrische Produktion der griechischen Antike ist zum größten Teil nur fragmentarisch erhalten. Aus der Zeit vor Bakchylides und Pindar gibt es kaum Gedichte, von denen wir behaupten können, sie seien vom Beginn bis zum Schluss vollständig überliefert." (a.a.O., S. 32)

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
"Nicht zuletzt aufgrund des erbärmlichen Überlieferungszustandes der frühgriechischen Lyrik im Allgemeinen und der Lyrik Sapphos im Besonderen wurde über weite Teile der rund 2600 Jahre, die uns von ihr trennen,
Sappho eher als Person rezipiert." (a.a.O., S. 33)

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Da, wo Bagordo zum Textteil übergeht, lautet die Überschrift: "Die Fragmente." Ich komme der Sache näher.

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Meinst Du mit dem "Scherbengedicht" das "Florentiner Ostrakon" (Fr. 2 Voigt)? Das ist nichtmal annähernd vollständig.
Du könntest mir mal die Voigt-Nummer angeben.

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Nein, 197 Fragmente in der Zählung von Voigt, plus einige neuere fragmentarische Funde; kein einziges Gedicht ist vollständig überliefert.

Geschrieben haben soll Sappho: "neun Bücher lyrischer Gedichte, dazu Elegien und anderes." (a.a.O., S. 8)

So bleibt mein Kenntnisstand, bis Du mir genauere Angaben machst, die ich dann überprüfen kann.

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Falls ich mich geirrt habe, dann sage ich das auch; doch bisher sehe ich das nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.12.19:
Veemutlich handelt es sich bei dem Ostrakon titulierten um das Scherbengedicht. Dann müsste der Herausgeber nach 81 ediert haben. Die Hymne ist vollständig erhalten, wenn man erkennt, was ein vollendetes Gedicht ist.

Beginn in meiner Übersetzung: "Komm hierher, von Kreta...
Schluss: " und schenke in goldenen Strahlen als reiche Gabe der Festesfreude Nektar aus."

Antwort geändert am 26.12.2019 um 23:31 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Die Tusculum-Ausgabe stammt von 2009 und muß also das von Dir erwähnte Gedicht enthalten.
Das Florentiner Ostrakon trägt die Nummer Fr. 2 Voigt und beginnt "Aus dem Himmel herabkommend ...
hierher zu mir aus Kreta
*) [komm zu diesem] Heiligtum,
dem Weihevollen, wo ein namutiger Hain steht
...."
_____
*) rekonstruiert

Im Original liest sich das folgendermaßen:
.. ανοθεν κατιου[σ]-
†δευρυμμεκρητεσιπ[.]ρ[.....]|.†ναῦον
ἄγνον ὄππ[αι....]|χάριεν μὲν ἄλσος

Und so, in dieser Art, mit solchen Lücken geht das weiter.
Eine Zeile fehlt komplett; der Text bricht zudem ab.

Das kann man nicht vollständig nennen!

 Graeculus meinte dazu am 26.12.19:
Da Du, wie Du angibst, eine zweisprachige Ausgabe besitzt (vielleicht sogar dieselbe?), müßtest Du das Problem nachvollziehen können.

 Graeculus meinte dazu am 27.12.19:
Nein, Du nennst Giebels als Herausgeber; das ist eine andere Ausgabe als meine.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.12.19:
Giebel bringt eine eigene Nachdichtung des Gedichtes, ohne es in ihrer allzugroßen Bescheidenheit zu erwähnen. Den Originaltext auch. Sie ist zwar Altphilologin, doch keine textkritische Editorin, sondern mutmaßlich d i e auf vorsokratische griechische Antike spezialisierte Münchner Fachbuchautorin, die ihre Themen weniger philologisch und mehr religionswissenschaftlich und kulturwissenschaftlich beleuchtet. So sinnvoll und schön deine Ausgabe sein dürfte, eignet sie sich zur Sappholektüre wie ein prähistorisches Grabungsfeld für Lebensrettende Maßnahmen der Verstorbenen geeignet ist. Als Theologe ignoriert man die Fußnoten zunächst, um eine möglicherweise häufig tradierte Textversion in ihrem Wortlaut zu berücksichtigen. Dann erstellt man eine eigene "Rekonstruktion" des Textes, um sich eine eigene Meinung zu bilden, die kritische Texteditoren sonst zu stark vorbestimmten.

Antwort geändert am 27.12.2019 um 05:09 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.12.19:
Ich habe mehrere Ausgaben. Aber es ging ja nicht um eine lesbare Ausgabe, sondern um die Tatsache, daß nicht ein einziges vollständige Gedicht von Sappho überliefert ist - was Du bestritten hast.
Ich zitiere nochmal: "ein Textbestand in Trümmerform".
Unter den Titel "Die verlorene Antike" paßt Deine Aussage also nicht - eher unter '"Die lesenswerte Antike".

 Dieter Wal meinte dazu am 27.12.19:
Das sind essenische Reinheitsvorstellungen. Bertus Aafjes in seinem Vorwort über Nachdichtungen Altägyptischer Lyrik ins Niederländische ohne Kenntnis des Altägyptischen anhand diverser Übersetzungen ihm bekannter Fremdsprachen sls Nachdichtungsprinzip: "Im Land der Blinden ist der Einäugige König."

Textkritik macht keinen Text.

Giebel bringt ein vollendetes Gedicht.

In anderen Anthologien fand ich drei vollständige weitere. Wahrscheinlich handelt es sich um Nachdichtungen bei schlechtem Überlieferungsstand.

KOMM HIERHER, VON KRETA ZUM HEILIGEN TALGRUND,
WO EIN LIEBLICHER HAIN VON APFELBÄUMEN IST,
MIT ALTÄREN, DIE VON WEIHRAUCH DAMPFEN,
KÜHLES WASSER RAUSCHT DURCH DIE APFELZWEIGE,
UND VON ROSEN IST DER GANZE PLATZ UMSCHATTET,
VON SICH WIEGENDEN BLÄTTERN SENKT SICH SCHLUMMER NIEDER,
DARINNEN IST EINE ROSSENÄHRENDE WIESE,
PRANGEND MIT VOLLERBLÜHTEN FRÜHLINGSBLUMEN,
DAS ANISKRAUT HAUCHT SÜSSEN DUFT,
SANFTE WINDE GEHEN DAHIN.
KOMM DENN, KYPRIS, NIMM DU DIE FESTESKRÄNZE
UND SCHENKE IN GOLDENEN SCHALEN
ALS REICHE GABE DER FESTESFREUDE
NEKTAR AUS!


Kypris ist ein Beiname Aphrodites.

 JohndeGraph (28.12.19)
Da die Antike mein Steckenpferd ist, habe ich den Artikel mit Begeisterung gelesen. Das kann ich und wollte ich dazu schreiben: Ich fand das mehr als interessant.

Grüße J.d.G.

 Graeculus meinte dazu am 28.12.19:
Ich bin immer wieder berührt, wenn ich auf einen Menschen treffe, dem - wie mir - die antike Kultur am Herzen liegt. Es gibt sie offenbar noch!
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