Zeichen

Alltagsgedicht

von  juttavon

an der Ampelkreuzung
mit staubiger Lunge, gemeinsam
Bilder auf der Netzhaut rasen
schreien
sägen
an Windschutzscheiben
vertrocknen Tränen

der Wind schreibt Nachrichten
in Wolken, Wüsten, Brände
wer wird sich danach richten
Bussarde erwarten auf Straßen frisches Aas
wir sind entsorgt ohne Inhalt
oder Innehalten
die versäumte Schwerkraft eines Steinschlags

Herzkranz an der Tür
oder auf Gräbern
Salbei duftet
und Beifuß
die Feuerstellen sind erkennbar noch
können wir
uns zurufen

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (07.01.20)
Beileid!!!

Ciao, Frank

P.S.: Ich liebe die Assoziativstilmittel in Deinen Texten, auch invers würde der vorletzte Vers Sinn machen, diesen vielleicht sogar intensivieren, außerdem hättest Du im drittletzten Vers mit "noch" dieses verfluchte Verdopplungsstilmittel, dessen Bezeichnung ich immer vergesse.

 juttavon meinte dazu am 07.01.20:
Danke!

Gute Idee mit der Inversion, werde ich übernehmen.
(Übrigens für Dein Vokabelheft: Apokoinu)
;-)

HG Jutta

 FrankReich antwortete darauf am 07.01.20:
Gerne, aber leider werde ich einen Eselsbrückentango tanzen müssen (Apokoinu = Apokalype, o. s. ä.), denn isch abe gar kein Vokabelheft!!!

Ciao, Frank
wa Bash (47)
(07.01.20)
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 juttavon schrieb daraufhin am 07.01.20:
Danke Dir!
Auch alles Gute für das begonnene Jahr!

HG Jutta

 albrext (08.01.20)
Ich schreibe dem Wind
ein paar Worte geschwind.
Es ruft aus dem Wald,
ich komme bald.

Viel Glück im Neuen Jahr
und weiterhin viele gute Einfälle
wünscht dir
Albrecht

 juttavon äußerte darauf am 13.01.20:
Vielen Dank, lieber Albrecht!
Das wünsche ich Dir auch für das begonnene Jahr!

HG Jutta

 Habakuk (10.01.20)
Gefällt mir gut, liebe Jutta.
Sehr sprachmelodisch und bildstark. Deine Verse rufen spontan Bilder von den Bränden in Australien hervor. Die Bildebene ist ein wichtiger Teil eines Gedichts, um Gefühlswelten durch das Erstehen von inneren Bildern zu vermitteln. Das gelingt deinen Versen eindringlich.

Der Titel sagt sehr viel. „Zeichen“ im Sinne von Warnungen, Menetekel, Mahnrufen, Vorzeichen. Ansonsten sprechen die Bilder für sich. Auf einige möchte ich dennoch näher eingehen.

Schönes Wortspiel in S2 V5. „entsorgt“ im Sinne von sorglos, so interpretiere ich es.
„die versäumte Schwerkraft eines Steinschlags“ assoziiere ich mit der Nichtbeachtung von Gesetzmäßigkeiten, die sowohl auf geistiger wie physikalischer Ebene gelten. Zwei Beispiele mögen dies unterstreichen: „Du erntest, was du säst. Actio gleich reactio.“ Will heißen: Alles hat Ursache und Wirkung, über die Mensch sich nur allzu leichtfertig hinwegsetzt. Die Mühlen dieser Gesetze mögen langsam mahlen. Aber sie mahlen unaufhaltsam.
„wer wird sich danach richten?“ Die Eskalationsstufen sind noch nicht ausgeschöpft, fürchte ich. Noch nicht ausreichend. Noch lächeln viele über uralte Schriften. Auch das wird sich ändern.
Das Bild des Bussards als Wächter und Warner, der Wandlung und Veränderung kündigt.
Salbei und Beifuß sind Heilpflanzen, die bei Schutz- und Räucherritualen zum Einsatz kommen.
Noch können wir uns zurufen. Noch.

Auf assonantische bzw. alliteratorische Klangfiguren einzugehen, spare ich mir. Sie sind aber in deinen Gedichten stets vorhanden und sorgen für sprachlichen Wohlklang.
Auffallend der häufige Einsatz des Stilmittels „Apokoinu“, wodurch eine Art der Doppeldeutigkeit entsteht, die neue Sinnebenen öffnet.
Die erste Strophe könnte man im engeren oder auch weiteren Sinne als eine Apokoinu-Konstruktion ansehen. Die Verse „wir sind entsorgt ohne Inhalt / oder Innehalten /die versäumte Schwerkraft eines Steinschlags“ ebenso, je nachdem, wie man die einzelnen Verse bzw. Versteile sich aufeinander beziehen lässt.
„Herzkranz an der Tür / oder auf Gräbern / Salbei duftet / und Beifuß“ ist ein ebensolches Beispiel, da auch hier die fehlende Interpunktion eine eindeutige Zuordnung ausspart. Ein letztes Beispiel hierzu: „die Feuerstellen sind erkennbar noch / können wir / uns zurufen“.

Summa summarum: Lesenswert.

HG
H.

 juttavon ergänzte dazu am 13.01.20:
Herzlichen Dank, lieber H. Den Bildern hast Du eine prophetische und spirituelle Perspektive gegeben, da gehe ich gerne mit.

HG Jutta

 Bella (16.02.20)
Das sind ganz starke Bilder, liebe Jutta! Für mich beschreiben sie eine schmerzende Lethargie, ein graues Hin- und wieder Wegsehen, während um uns etwas Tödliches um sich greift, an dem wir beteiligt sind.
Die ersten beiden Strophen haben es mir besonders angetan!

 juttavon meinte dazu am 16.02.20:
Danke Dir für den schönen Kommentar!

Ich hatte schon überlegt, die letzte Strophe wegzulassen; sie ist auch einem Festhalten an Hoffnungszeichen geschuldet.
Ich schau mal, wie das weiter in mir arbeitet.

HG Jutta

 Bella meinte dazu am 16.02.20:
Oha, das hoffungsvolle Festhalten an der letzten Strophe/dem letzten Vers kenne ich sehr gut!
Ich finde, es ist beides auf seine Art schön in Bezug auf das Gedicht.
Wünsche dir gutes Reifen :)
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