Wenn ich nicht deine Tochter wäre

Gedanke zum Thema Dank/(Un-)dankbarkeit

von  Xenia

Dieser Text ist Teil der Serie  Mutter
Wenn mein Lachen nicht dem Deinen so ähnlich wäre, würde ich vielleicht öfter ohne Scham laut lachen. Manchmal kann ich meine eigene Stimme nicht ertragen, weil sie mich so sehr an dich erinnert. Es wäre so leicht, wenn ich ein bisschen weniger wie du wäre, vielleicht.

Vielleicht.


Vielleicht könnte ich mich dann im Spiegel ansehen, ohne daran zu denken, wie oft ich es zwanghaft gewaschen habe, weil du mir rein gespuckt hast. Vielleicht könnte ich vorbehaltloser in Beziehungen gehen und würde mich nicht so sehr von Männern angezogen fühlen, die mir nicht gut tun und mir, wie du, das Gefühl geben, nie genug zu sein.

Wenn ich nicht deine Tochter wäre, vielleicht könnte ich leichter lieben.


Wenn du nicht meine Mutter wärst, sondern die einer anderen Frau, vielleicht könntest du lieben. Lass mich ziehen, lass mich, ich lass dich -


Ziehen.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (16.01.20)
Vorgeblich gibt es ja keine Tabuthemen mehr. Ich halte diese Behauptung für Unfug. Ein Tabuthema wäre: Darf der Mensch sich freuen, wenn ein Elternteil stirbt (weil dieses Elternteil dann eben nicht mehr da ist)?

 Xenia meinte dazu am 16.01.20:
Es gibt Gründe, die das bestimmt rechtfertigen würden, nur wäre es wahrscheinlich keine anhaltende Erleichterung, weil man recht schnell bemerken würde, dass sich das Trauma in einen so tief eingebrannt hat, dass das nichts ändern würde. Das Einzige, was ein bisschen hilft, ist, emotionalen Abstand zu gewinnen, aber das ist nicht leicht.

 Dieter Wal (16.01.20)
Bei mir noch meschiggener. Der Papa meines Papas war - mit einem Wort: ein Arschloch. Mit ein paar mehr war er ein hochintelligenes, hochsensibles, hochkreatives und hochmusikalisches Kind mit gewalttätigem Papa, was dazu führte, dass mein Großvater mit 15 auszog und sich den Wirtschaftsoberschulenbesuch, ohne Witz, mit Flötenspiel verdiente. Er konnte auf gefühlten 50 verschiedenen Flötenarten meisterhaft spielen. Was ich vergaß: Sensitiv war er ooch noch.
Der wurde 1937 im zarten Alter von 37 während einer Busfahrt von Nazis für Kriegspropaganda rekrutiert und nahm an. Seine Frau konnte Jiddisch, war offiziell Lutheranerin. Sie hatten sechs Kinder.

Nach dem 2. WK beging er Suizid im Jahr 1956. 10 Jahre vor meiner Geburt. Meinen Papa wiederum erinnerte ich sehr an seinen genialen Papa. Doch Papa Autist sprach so gut wie nie darüber.

Kannst Du Dir vorstellen, was für einen 1 A Vaterkomplex ich daraus entwickelte?

;)

Freud wäre begeistert gewesen!
Cora (29)
(16.01.20)
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 LotharAtzert antwortete darauf am 16.01.20:
Siehste Cora, so ist das mit dem Karma, an das du nicht glaubst
Cora (29) schrieb daraufhin am 16.01.20:
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 LotharAtzert äußerte darauf am 16.01.20:
Sry. is mir very Vegiwurschtegal.

Antwort geändert am 16.01.2020 um 16:58 Uhr
Agneta (62)
(16.01.20)
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 Dieter Wal (16.01.20)
Beschreibt anschaulich mütterliche brutale Gewalt der eigenen Tochter gegenüber und was solche "Fürsorge" für fürchterliche Folgen hat.

Markierte den Text als Lieblingstext, weil es in meinen Augen sich für einen autobiographischen Autor gehört, faktisch zu berichten. Das erscheint mir beispielhaft geglückt.
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