Lass dir von deinem Text nicht alles sagen!

Parabelstück zum Thema Schaffenskraft

von eiskimo

Kennt ihr auch diese Rollenkonflikte beim Schreiben? Das Ringen um die Redemittel, die sich plötzlich sperren, Ringen um das Format, das sich quer legt, und vor allem um die noch in der Schwebe befindlichen Text-Bausteine, die sich plötzlich eurem Diktat widersetzen? Oh je:
Dieser Text hier, um es konkret zu machen, der will immer das letzte Wort haben. Jetzt verlangt er, dass ich endlich zur Sache komme. Ein Thema will er. Was Aktuelles. Schließlich, so fordert er ganz unverblümt, wolle er wahrgenommen werden. Und dann müsse ich endlich auch mal fetzige Handlungsträger entwerfen, Akteure mit Power! Warum, so grinst er, nicht auch mal welche mit mehr Sex-Appeal?
Dialoge wären gut. „Denn wir müssen unsere Leser binden“, beschwört er mich nun weiter. „Identifikation – das musst du schaffen!“
Ich hasse es, wenn ein Text sich derart selbständig macht, wenn er mir so dreist reinredet, ja, mich in meiner Autorenfreiheit unter Druck setzen will.
Darum kontere ich ziemlich schroff; „Du hast die Leerzeichen und Zeilenabstände einzuhalten, und du kannst einen Kringel machen, wenn ich mich vertippe – mehr nicht! Ist das klar?“
„Aber wenn du nicht mal einen roten Faden und die Spur eines Spannungsbogens schaffst,“ höre ich ihn mir trotzig entgegen halten. Unverschämt! Der treibt es jetzt wirklich zu weit!
„So,“ kommt es darum von mir. „Ich brech dich jetzt hier ab. Ich mache Open End, ich nenne das Short Story. Ganz egal. Und wenn irgend einer mal fragt – was ich nicht glaube – wenn einer mal fragen sollte, warum es hier nicht weiter gegangen ist, dann sag ich ihm – ja, hör gut zu, dann sag ich ihm: „Dieser Text hatte es nicht verdient!“