Vater kann alles

Kurzprosa zum Thema Kinder/ Kindheit

von  Moja

Die Talente des Vaters sind vielfältig. Er kann nähen, stricken und sticken, bohrt Löcher, verlegt elektrische Leitungen, er malert und klempnert, wenn ihm danach ist. Er repariert, macht neu, er kann einfach alles, schwärmt das Mädchen von seinem Vater. Die Frauen sehen sich wissend an, nachsichtig belächeln sie das Mädchen, aber das merkt es nicht. Es ist so in Schwung und stolz auf den Vater. Die Frauen in den Betten langweilen sich, sie ermuntern es, stellen Fragen, es soll noch mehr erzählen. Gesehen haben sie den Vater nie. Das Mädchen ist vielleicht sechs. Es liegt auf der Frauenstation, sechs Betten. Auf der Kinderstation war kein Bett frei. Es versteht nicht, worüber die Frauen reden. Manchmal kommt die Mutter zu Besuch. Sie bleibt nur kurz, und wenn sie geht, weint das Mädchen. Dann tut dem Kind der Hals weh, es muss spucken, und der Zellstoff wird rot. Es sieht dann wieder das verzerrte Gesicht des Arztes, er schreit, es soll den Mund weiter aufmachen, geschäftig stochert er mit der langen Nadel im Hals, holt etwas heraus – dann die Blechschale, Blut, dem Kind wird schlecht. Der Arzt schreit, bis es vorbei ist und das Kind zurückgeschoben wird zu den Frauen, die sagen, dass es grün aussieht. Die Mutter ist längst gegangen. Das Mädchen spuckt, spuckt aus.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (27.02.20)
"Sie bleibt nur kurz, und wenn sie geht, weint das Mädchen. Dann tut ihm der Hals weh, es muss spucken."

(vermutlich, man kann nur raten)

->

"Sie bleibt nur kurz, und wenn sie geht, weint das Mädchen. Dann tut ihr der Hals weh, sie muss spucken."

Wobei dann wieder ein anderes Problem entsteht, denn streng grammatikalisch gesehen spuckt die Mutter ...

Kommentar geändert am 27.02.2020 um 13:29 Uhr

 Moja meinte dazu am 27.02.20:
Leider verstehe ich nicht, was Du meinst.

Sie, die Mutter - das Mädchen, ihm, es -
weshalb sollte "streng grammatikalisch gesehen" die Mutter spucken?

Gruß, Moja

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 28.02.20:
Nein, das Personalpronomen muss sich auf das Subjekt des vorhergehenden Satzes beziehen, alles andere ist Quark!

Schreibst Du auch: "Sie kommt auf den Opernball. Wie ich sehe, ist sein Kleid rot." ?????

 EkkehartMittelberg (27.02.20)
Sei mir nicht bös, Monika. Aber diesmal verstehe ich die Intention deines Textes nicht.
Liebe Grüße
Ekki

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 27.02.20:
Muss eine Intention geben? Hier auf KV gibt es genug schlechte Texte mit hehren Botschaften, aber wenig Berichte, die einfach nur gut erzählen und beschreiben.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 27.02.20:
Es gibt wahrscheinlich nur ganz wenige Texte ohne Intention. Selbst hinter Nonsens steckt meistens die Intention, andere damit zu amüsieren. Auf jeden Fall halte ich es für legitim, nach der Intention zu fragen.

 Moja ergänzte dazu am 27.02.20:
Lieber Ekki, wie könnte ich Dir jemals böse sein? Dieser Text liegt Dir eben nun mal nicht, macht nichts.

Mich beschäftigte das Leiden des kleinen frisch operierten Mädchens, das auf einer Frauenstation liegen muss, von den Frauen ausgefragt wird und stolz von ihrem handwerklichen begabten Vater erzählt, der es - warum auch immer - nie besucht, die OP war schrecklich und die Mutter ist auch kein Trost.

Liebe Grüße,
Moja

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.02.20:
Vielen Dank, Monika, deine Erläuterung hat mir weiter geholfen.

 niemand (27.02.20)
Ist der Vater in diesem Text vielleicht eine Art Traumvater [eine sehnsuchtsvoll eingebildete Person] weil er ja nicht zu Besuch kommt? Und da die Mutter nur "manchmal" kommt, denke ich, dass dieses Kind vernachlässigt wird von seinen Eltern,
aus welchen Gründen auch immer [zeitlichen, materiellen etc.]
Irgendwie bleibt diesem Kind seine Situation im Halse stecken,
dass es immer wieder spucken muss, weil es sich davon befreien möchte. Nun, ja, auch wenn ich es nicht verstehe/verstehen sollte, es ist wirklich gut geschrieben. Mit lieben Grüßen, Irene

 Moja meinte dazu am 27.02.20:
Ja, Irene, es geht um Vernachlässigung, um die Einsamkeit des kleinen Kindes nach der Hals-OP auf einer Frauenstation, um seelische und körperliche Schmerzen. Ich danke Dir für das Einfühlen in diese Situation.

Liebe Grüße,
Moja

 Graeculus (28.02.20)
Dieser Text berührt mich, weckt Mitgefühl. Traurig ist er.

***

Grammatisch ist es ein Kreuz mit diesen Mädchen.
Hier
Dann sieht es wieder das verzerrte Gesicht des Arztes, er schreit, sie soll den Mund weiter aufmachen
benutzt Du beide Möglichkeiten in einem Satz.

 Moja meinte dazu am 28.02.20:
Danke, lieber Graeculus! - schon korrigiert.

Lieben Gruß,
Moja
Aha (53)
(28.02.20)
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 Moja meinte dazu am 28.02.20:
Na, da atme ich ja auf - bedanke mich fürs Verstehen und die Empfehlung!

Grüße zurück, Moja

 AchterZwerg (28.02.20)
Also, ehrlich gesagt, ich verstehe nicht, wie man einen derart eindeutigen Text micht verstehen kann.
Ein frisch operiertes Mädchen findet sich auf einer Frauenstation wieder - von seinen Altersgenossen isoliert.
Es versteht weder die Frauen, noch das Gebaren ihres Peinigers, eines brutalen Arztes, an dessen Stelle sie einen liebevollen Vater fantasiert.
Das Kind versucht verzweifelt, sich aus dieser Situation zu lösen: Es spuckt, spuckt aus - vergeblich.

 Moja meinte dazu am 28.02.20:
C'est la vie - es ist wie im wirklichen Leben, liebe 8., - jeder versteht etwas anderes oder gar nix.
Verwundert las ich meinen Text immer wieder - es stand doch alles da...

Danke & herzlichen Gruß,
Moja

 niemand meinte dazu am 28.02.20:
@AchterZwerg
Na, ja, das mit dem "Verstehen/Nichtverstehen" basiert wohl darauf, dass die Lyriker es gewohnt sind alles nicht so wortwörtlich zu nehmen und hinter jedem Buchstaben eine andere Bedeutung vermuten denn nimmt man etwas zu buchstäblich beschweren sich nicht wenige mit "nee, so einfach habe ich es nicht gemeint"
Und schon haben wir den Salat Man sollte mehr Prosa lesen,
die hat andere Gesetze. Oder auch nicht
Mit lieben Grüßen, Irene
Aha (53) meinte dazu am 28.02.20:
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 niemand meinte dazu am 28.02.20:
@ Aha
aber schön aufpassen, dass sie sich nicht dabei verrenken
die Daumen.
LG niemand
Aha (53) meinte dazu am 28.02.20:
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 Moja meinte dazu am 28.02.20:
Der Titel verdeutlicht den krassen Widerspruch - der Alleskönner von Vater und das kleine Kind, das vaterseelenallein gelassen wird nach der traumatisch erlebten OP. Und beim Weinen verengt sich der Hals, also noch mehr Schmerz und Blutung. Na ja, genug!

Rufe ein paar Grüße durchs Net,
Moja
Aha (53) meinte dazu am 28.02.20:
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