Kasernenkinder

Anekdote zum Thema Kinder/ Kindheit

von  eiskimo

Als Kind eines Berufssoldaten habe ich immer in Bundeswehr-Siedlungen gewohnt. Ich kannte mich aus mit Heer, Luftwaffe, Marine,  konnte schon vom Fluglärm her die Bell- von den  Sikorsky-Hubschraubern unterscheiden und natürlich den M47 vom M48 Kampfpanzer. Schließlich war ich oft genug mit meinem  (stolz!) seine Uniform tragenden Vater in der Kaserne.
Bundeswehr-Siedlungen hatten damals, Anfang der 60er Jahre, den Charme von familientauglichen Zweckbauten in Stadtrandlage.  Geheizt wurden diese schmucklosen Reihenhäuser mit Kohle. Mit Kohle befeuerte meine Mutter auch ein Mal pro Woche den großen Waschkessel im Keller; die Wäsche trocknete draußen auf einer Grünfläche, wo auch Teppichstangen angebracht waren, denn die wenigsten hatten einen Staubsauger: Teppiche wurden hier laut schallend  ausgeklopft, und zwar mit einem aus Pettichrohr gefertigten Schläger. Ich bekam damit auch des Öfteren ein paar auf den Po. Das war so, wenn ich mal nicht spurte, und ich bekam diese Schläge öfter von meiner Mutter als von meinem Vater.
Der war nämlich meist auf Lehrgang oder im Manöver oder hatte UvD (Unteroffizier vom Dienst). Da meine Mutter noch drei weitere Kinder zu bändigen hatte, meine zwei Brüder und eine Schwester, hatte auch sie schon mal den  Kasernenton drauf. Groß herum zicken, das konnten wir nicht. Essen- und Schlafenszeiten waren streng vorgegeben. Die Portionen abgezählt und ja für alle gleich. Heute würde man sagen: Unser Alltag war klar strukturiert.
Gespielt wurde grundsätzlich draußen, meist auf den großzügigen Wiesen zwischen den Häusern, aber auch auf den leeren (!) Straßen davor oder im nahen Wäldchen. Und was spielten wir? Wir spielten Soldat, wir spielten Manöver, wir spielten Krieg. In der Faschingszeit, da spielten wir auch Cowboy und Indianer. Das war dann nicht viel anders .
Immerhin, es gab bei uns nie Tote. Wir kamen immer alle mit dem Leben davon. Gefangene machten wir aber viele. Die kamen an den Marterpfahl oder in unsere selbst gebauten Hütten. Um halb sieben spätestens mussten wir sie freilassen - alle gingen rein, Abendessen. Was wir bei diesen Kämpfen und Schlachten immer im Blick hatten: Wir Unteroffizierskinder blieben unter uns. Die Häuser der oberen Dienstgrade lagen dichter an der Straße. Von denen hielten wir uns fern. Da waren natürlich auch Kinder. Aber die spielten anders.  Es wäre auch doof gewesen, wenn wir einen von denen  gefangen genommen hätten, abgeurteilt, vielleicht sogar ein bisschen mit Zahnpasta beschmiert – denn drei kräftige Jungen aus einer Familie, wir waren schon eine schlagkräftige, immer zu neuen Streichen aufgelegte Truppe!
Nee, aber das war uns immer klar: Pfoten weg von den Offizierskindern. Sonst hätte Papa fiesen Ärger gekriegt. Und Papa war nur Oberfeldwebel.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (16.03.20)
So viel Rangunterschiede bei den Kindern? Erstaunlich. LG
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram