Aggregatzustände

Text

von  nautilus

Bei fünfzig lässt die Konzentration schlagartig nach. Ich wende meinen Blick von der weißen Raufasertapete ab und starre in das grelle Licht, das sich durch die Jalousien drängt. Während ich die Staubpartikelchen beim Aufsteigen beobachte, verliere ich mich in Szenen, über die nicht zu laut nachgedacht werden darf.

Plötzlich stehe ich im Stiegenhaus zu meiner alten Wohnung. Getrieben und unfassbar mächtig, blicke ich ins Dunkel. Die brennenden Kerzen vor der Wohnungstüre der Nachbarin schimmern verheißungsvoll. Ob das eine Einladung ist? Mein Handy vibriert. Ich drücke den Anruf weg und nehme die letzten Treppen in den 2. Stock. Ohne zu wissen wann ich das letzte Mal hier war, suche ich nach dem passenden Schlüssel. Plötzlich geht die Tür auf. Einen dumpfen Knall und ein Summen im rechten Ohr später steht meine Freundin vor mir.  Sie brüllt hysterisch auf mich ein. Ich finde, dass sie fertig, aber gut ausieht, stoße sie zur Seite und verschwinde sammt Schuhen im Schlafzimmer. Dort drücke ich ein paar Tabletten aus dem Blister, schlucke hastig und lege mich aufs Bett. Das Schluchzen aus dem Wohnzimmer macht mich aggressiv, also drehe ich den Schlüssel von innen um, setze mir Kopfhörer auf, drehe Alice in Chains auf und schlafe irgendwann ein. Der Videoüberwachung des Bankomaten habe ich keine Beachtung geschenkt. Die Zahlenkombination zur Abwärtsspirale. Zweihundert Euro sind viel bei ihrem Gehalt.

Nervös reibe ich mir die Augen, erinnere mich, es dauert eine Weile bis man merkt, dass man zur Gänze in der Luft ist.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.03.20)
Erlebnis eine Drogenjunkies. Gerne gelesen!
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