Hamburg Teil 2

Erzählung zum Thema Erfahrung

von  Borek

Hamburg    2. Teil
Die Familie Prüger hatte keine Kinder. Das Paar fauchte sich an wie die Kesselflicker und das auch noch vor dem Personal. Nun, Borek hatte ja in Psychologie eine gute Ausbildung bekommen, und diese nutzte er, um zwischen den beiden Frieden zu stiften. Jeden Abend war er bei ihnen zum Essen eingeladen, und eine der friedvollsten Zeiten in ihrer damaligen Ehephase trat ein. Borek war ein perfekter Schlichter.
Die Prügers hatten Bastian bald als ihren Sohn annektiert.

Vier Monate später kam auch Ulla nach Hamburg. Sie hatte ihren Arbeitsvertrag gekündigt und trat in Boreks Firma als Filialleiterin ein.
Für Familie Prüger war dies ein schwerer Schlag. Die neu gefundene Harmonie ihres Ehelebens war beendet. Borek kam nun nicht mehr zum Abendessen in den trauten Familienkreis.
Er hatte jetzt die Aufgabe, eine eigene Zukunft mit Ulla in Hamburg aufzubauen.
Sie arbeiteten jetzt erstmals gemeinsam in einer Firma zusammen,  waren vierundzwanzig Stunden fast ununterbrochen zusammen und dies, sieben Tage in der Woche.
Wer es glaubt, und Borek tat es, ohne Konflikte einen Neubeginn zu schaffen, der ist ein Utopist.

Ulla war das erste Mal in ihrem Leben Vorgesetzte, und Borek war ihr Chef.  Eine Konstellation, die den Konflikt schon in sich barg. Er wollte ihr bei ihrer Rollenfindung helfen, hatte er doch jahrelange Erfahrung damit. Es gab aber eben auch noch die Familie Prüger, mit ihrer Enttäuschung, Borek nicht mehr als "Sohn" zu haben, Ulla anlastete. Dies gipfelte schließlich in der hitzigen Frage von Herrn Prüger;
„Wann lassen Sie sich denn nun endlich scheiden“ ?
Plötzlich waren die Hamburger Nächte regnerisch geworden, launisch und mit heftigen Diskussionen durchsetzt. Dazu verfing sich der fortwährende Wind in den vier Fahrstuhlschächten und heulte Stunde um Stunde, bis er allen ersehnten  Schlaf vertrieben hatte. Das sanfte Schwanken des Hochhauses in stürmischen Nächten wirkte erst bedrohlich, bis man sich dann doch an daran gewöhnt hatte.
Das gesamte konstruierte Gedankengebäude  Boreks kam allmählich ins Schwanken. Er stand zwischen Ulla und dem Geschäft und der Familie Prüger. Er hatte sich längst in die Materie des Einzelhandels eingearbeitet, fand  auch Spaß daran, ebenfalls an der Zusammenarbeit mit den 32 Mitarbeitern, er war erfolgreich, aber er wollte ja etwas ganz anderes erreichen mit seinem Stellenwechsel. Borek fühlte sich weiter entfernt von seinen Wünschen und Zielen als bei seinem vorherigen Arbeitgeber.

Der von Eifersucht genährte Hass des Ehepaares Prüger gegen Ulla gipfelte in ihrer Kündigung.
Borek solle sich einfach scheiden lassen und weiter in der Firma bleiben. Dann hätte alles wieder seine Ordnung
Das war gewiss nicht Boreks Ziel gewesen. Erstmals aber kamen ihm Bedenken, denn in seiner Beziehung zu Ulla hatte sich vor dem Stellenwechsel und nach dem Umzug nach Hamburg nichts geändert. Er hatte durch die Zusammenarbeit mit ihr einen neuen Harmonieschub erwartet, doch der war nicht eingetreten. Das tägliche Miteinander war mehr zur Belastung als zur Freude geworden. „Wann lassen Sie sich nun endlich scheiden“?  Prügers Frage hatte sich in Boreks Kopf festgesetzt, und er fühlte sich nicht mehr als alleiniger Verursacher seiner Eheprobleme. Allerdings
wollte er seine Ehe auf dem Altar eines Profites opfern. Es hatte auch harmonische Strecken im Zusammenleben mit Ulla gegeben und diese sollten doch wieder zu finden sein?
Borek zog die Konsequenzen, hielt zu Ulla und kündigte seinen Vertrag. Familie Prüger konnte seine Entscheidung nicht verstehen. Wie konnte er auf eine so gute Zukunftsperspektive einfach verzichteten? Hamburg hatte ja auch viele schöne Frauen, die man heiraten konnte
So erfüllte Borek noch seinen Vertrag, Ulla war bereits wieder nach Herrenalb zurückgekehrt, und das Abenteuer Hamburg endete mit Boreks Stellensuche für eine neue Aufgabe, diesmal wieder in der Industrie.

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