Meine Reihe über Reihenhäuser... Kapitel 3

Roman zum Thema Nachbarschaft

von  eiskimo

Intermezzo
Bevor ich das nächste Kapitel in meiner Reihenhaus-Begehung aufschlage, mach ich mal eine Pause. Warum? Weil ich mich nicht entscheiden kann. Weil ich nicht klar sehe. Präsentiere ich als nächste Bewohner den pensionierten Studienrat, eindeutig schwul, der jetzt seit über zwanzig Jahren zusammen mit seiner scheintoten Mutter in Nummer 20 wohnt und der jüngst sein Haus akribisch hat vergittern lassen – oder geht es weiter mit dem etwas in die Jahre gekommenen Mädchen der Freude, das immer seinen knatschgelben Alfa Giulietta in lasziver Lässigkeit im Wendehammer abstellt, und zwar mitten drin, so dass (sich) stets alle um sie herum drehen müssen?  Hammer, die Frau. Völlig schmerzfrei, was das Getuschel der Stielaugen-Nachbarn angeht.
Ich habe sie liebevoll Irma la Douche getauft, auch wenn ein russischer Vorname ihr besser zu  Gesicht stünde. Dass sie am Innenspiegel  ihres  Grande-Emozione-Flitzers  einen Wackel-Elvis baumeln hat, beweist, dass Irma aber schon noch den rockigen Hüftschwung beherrscht. Ich denke mal, die wartet nur auf den passenden Abschlepper  und darauf, dass ein Stielaugen-Schreiber wie ich sie noch einmal ins Rampenlicht holt.
Bei unserem schwulen Studienrat liegt es wohl genau anders herum. Diese demonstrative Selbst-Verbarrikadierung  lässt ja wohl auf eine nachhaltig gestörte Persönlichkeit schließen. Soll bei Paukern häufiger vorkommen. Wahrscheinlich ein Mix aus Ödipus und nicht kompensierbaren Schulversagensängsten.
Wenn Irma hier förmlich nach persönlicher Zuwendung giert, dann ist mein Ex-Lehrer der totale Menschenfeind.
Beide wären natürlich Highlights in meiner Galerie der lieben Nachbarn. Kein Vergleich zu den alten Kloses oder zur Familie Choi. Beide verlangen aber auch noch eine Menge weitere Recherche und Fein-Arbeit, damit ich sie wirklich zum Glänzen bringe.
Vielleicht stelle ich deshalb auch beide noch ein Stückchen zurück und mache erst einmal weiter mit einem anderen Anrainer. Als Intermezzo sozusagen.  Es ist ein Nachbar, wie ihn wahrscheinlich jeder kennt. Das Modell, wo Mutti immer "Pfui!" gesagt hat und anschloss: "Werdet ihr mir bloß nie so!" Es sind unseren Hempels.
Hempels heißen natürlich nicht Hempel, aber es sind Hempels, echte Hempels. Das Gute an denen wäre: Alles ist so augenfällig. Ich brauche keine investigativen  Erkundigungen betreiben, ich müsste nur beschreiben, was man bei ihnen  sieht, hört und riecht. Ich könnte dann auch ohne großen Aufwand aus unserer Korrespondenz mit dem Ordnungs- bzw.  Gesundheitsamt zitieren,  ganz authentisch, und wir bekämen so manches leckere Detail dargelegt.
Nun, bevor ich jetzt schon zu viel preisgebe, stoppen  wir den weiteren Rundgang an dieser Stelle. Ich bitte um ein wenig Geduld. Wie gesagt, ich sehe nicht klar.
Aber es wird auf alle Fälle weiter berichtet. Ich habe ja noch nicht einmal die Hälfte der Reihe hier vorgestellt.  Also halten Sie mir, werte Leserinnen und Leser, die Treue!

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (04.04.20)
Die Reihenhausreihe hat einiges zu bieten und entbehrt nicht einer gewissen Spannung, obwohl ganz normales Leben beschrieben wird. LG Gina
Stelzie (55)
(04.04.20)
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 eiskimo meinte dazu am 04.04.20:
Danke! Vielleicht habe ich mich ja auch etwas übernommen mit diesem Versuch, aus meinen Reihenhäusern immer wieder Berichtenswertes herauszukitzeln...
Jedenfalls nutze ich die Pause. Dir auch gute Erholung, Du hast ja ganz andere Belastungen
lG
Eiskimo

 AchterZwerg (05.04.20)
Dieser Reihenhausabschnitt gefällt mir ausgesprochen gut!
Hier sprüht das Leben und Hempels suhlen sich alternariv im eigenen Unrat.
Sehr schön und amüsant. :)

der8.
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