Friedrich Hegel und die These vom werdenden Gott

Essay zum Thema Wahrheit

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Friedrich Hegel (1770 -1831) vertrat die Auffassung, dass alles Geist sei. Also auch das Materielle nur eine Ausdrucksform des Geistigen sei.  Gott aber der absolute Geist sei: “Alles lebt in Gott und Gott lebt in allem!“
    Unschwer ist hier der Bezug zu Spinoza zu erkennen.

Das Neue bei Hegel war die Vermutung, dass dieser Gott sich aber noch in einem Entwicklungsstadium befände. Sozusagen beim Betrachten der Welt - (die  letztlich nur eine Veräußerung seiner selbst sei) - und der sich dort abspielenden Geschehnisse sich selber besser verstehen und so seiner Vollendung entgegenstreben würde.
    Natürlich kann man so eine Behauptung aufstellen, aber wo ist der Beweis, dass es sich auch wirklich so verhält?

Insofern ist es sicherlich gut, Hegels These mal zur Kenntnis genommen zu haben, aber viel weiter auf dem Weg der Wahrheitsfindung hat sie die Menschheit vermutlich nicht gebracht.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (06.04.20)
wo ist der Beweis, dass es sich auch wirklich so verhält?
Du findest ihn in Hegels "Phänomenologie des Geistes" sowie in seiner "Wissenschaft der Logik". Laß dich durch den speziell klingen Titel des letztgenannten Werkes nicht von der Lektüre abhalten. Du findest dort die Selbsterzeugung Gottes und damit ineins der Welt aus dem Nichts. Spannend, gelt?

 Graeculus meinte dazu am 06.04.20:
Übriegens heißt der Autor Georg Wilhelm Friedrich Hegel.
In privaten Briefen unterschrieb er mit "Wilhelm".

 Bluebird antwortete darauf am 06.04.20:
Ich nenne ihn Friedrich ... :)
Was ich dazu gelesen habe in der "philosophischen Hintertreppe" und auch woanders, klingt alles recht kompliziert und einfach nur spekulativ ...

Natürlich kann man absoluten Gott oder Weltgeist postulieren, der in der Weltbetrachtung zu sich selber oder seiner Vollendung findet ... aber das hat in etwa das gleiche Niveau wie das dawkinische Multiversum, für den es auch nicht den geringsten Beleg gibt .... es ist lediglich eine fantastische Spekulation.

 Graeculus schrieb daraufhin am 06.04.20:
Ach so, Du beruteilst Hegel von Weischedels populärem Schriftchen her? Alles klar.
Da hätte mein Professor an der Uni sich viel Mühe sparen können.
Dann kann ich nur hoffen, daß meine Gedanken nicht eines Tages nach der Comic-Version beurteilt werden.

 Bluebird äußerte darauf am 06.04.20:
Was hast du denn an sachlicher Kritik vorzubringen? Habe ich den Grundgedanken/ seine Kernthese falsch dargestellt?

 FrankReich (06.04.20)
Es ist schon komisch, dass Du einen Beweis für Hegels These forderst, obwohl Du noch nicht einmal einen dafür hast, dass Gott kein Abstraktum ist und ich denke, dass Gott sich mit der Zeit vergleichen lässt, denn sie ist eine Annahme zur besseren Orientierung, insofern habe ich überhaupt kein Problem mit Menschen, die einen Haltepunkt benötigen, denn zumindest was die Zeit angeht, beanspruche ich ja ebenfalls einen, ich verstehe nur nicht, warum ein Glaubender sich nicht damit abfinden kann, dass Gott lediglich eine fiktive Größe darstellt.

Kommentar geändert am 06.04.2020 um 14:44 Uhr

 Bluebird ergänzte dazu am 06.04.20:
Mein Gott ist a) als sich offenbarend bezeugt ( in der Bibel) und gilt b) als persönlich erfahrbar
Das geht natürlich über den Hegelschen Gott oder eine fiktive Größe weit hinaus

 Graeculus meinte dazu am 06.04.20:
'Hegels Gott' beansprucht, keine fiktive Größe, sondern absolute (!) Gewißheit zu sein. Und dafür liefert Hegel Gründe. Die mögen falsch sein oder nicht, aber man darf sie doch nicht ignorieren, bloß weil sie in Weischedels "Philosphischer Hintertreppe" nicht erwähnt werden!

 Graeculus meinte dazu am 06.04.20:
Diese ganze Reihe, in der Du Philosophen auf der Basis von Weischedels Philosophischer Hintertreppe kritisierst, ist im Ansatz verfehlt. Schon der Titel seines Buches sollte Dir ein ironisches Augenzwinkern bewußt machen.
Wenn Du schon Sekundärliteratur statt der Originaltexte zugrundelegen möchtest, dann nimm wenigstens sein ernst gemeintes Werk Der Gott der Philosophen.

 Bluebird meinte dazu am 06.04.20:
@Graeculus
Da wo ich - deiner Ansicht nach - etwas sachlich falsch darstelle, darfst du das gerne korrigieren ... aber so ein abwertendes Pauschalurteil akzeptiere ich nicht ... das ist einfach zu "billig" und sollte - eigentlich - unter deinem Niveau sein ... im Übrigen habe ich durchaus auch noch andere Quellen ... Küng zum Beispiel ... oder "Geschichte der Philosophie", Wikipedia sowieso ... ich checke da auch etwas gegen ... aber Weischedel formuliert eingängig, deshalb ist er auch meine Hauptquelle

Antwort geändert am 06.04.2020 um 19:04 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 06.04.20:
Im Übrigen habe ich nicht behauptet, dass der Hegelsche Gott ein fiktiver Gott sei .... wenn du das etwas genauer liest, wirst du das erkennen ...ich habe nur auf R_R`s "fiktiven Gott" Bezug genommen

 Graeculus meinte dazu am 06.04.20:
Na, dann kritisiere Du mal weiter Philosophen, von denen Du niemals auch nur eine Seite gelesen hast.
Ich habe - auf der Basis von umfangreicher Lektüre - einmal die folgende Darstellung von Hegels Philosophie Gottes zusammengefaßt (früher schon einmal, nicht eigens für Dich); dabei habe ich seine Argumente so gut wiedergegeben, wie mir das möglich ist.
Wenn es einen Gott gibt, dann muß er das höchste denkbare Wesen sein. Daß es etwas Höheres als Gott gibt, darf nicht sein. Er muß, mit G. W. F. Hegel zu sprechen, das Absolute sein. Geht man nun aber von einem Gott aus, der über der Welt steht, sie geschaffen hat (in der Relation Schöpfer – Geschöpf oder Unendliches - Endliches) und nicht Element von ihr ist, dann wäre dieser Gott nicht das höchste denkbare Wesen, sondern es stünde folgendermaßen:

unendlicher Gott <-> endliche Geschöpfe
weniger, geringer als:
unendlicher Gott inklusive endliche Geschöpfe

Das höchste denkbare Wesen, das Absolute, ist also ein Wesen, welches Unendliches und Endliches umfaßt.
Ein „unendlicher“ Gott hingegen, welcher das Endliche nicht beinhaltet, sondern als ihm Äußerliches, Anderes seiner selbst hat, ist – so Hegels Ausdruck – ein Wesen von „schlechter“ Unendlichkeit, weil diese Unendlichkeit nicht total, absolut, allumfassend ist – was allein die „wahre“ Unendlichkeit ist.
So ist z.B. die Menge der natürlichen Zahlen zwar unendlich, aber es gibt doch etwas anderes als natürliche Zahlen, d.h. deren Unendlichkeit ist „nur“ eine schlechte Unendlichkeit, keine absolute. So auch mit einem Gott, der über seiner Schöpfung steht und sie nicht mitumfaßt.
Damit ist der Begriff des Absoluten im Sinne des Allumfassenden als der adäquate Begriff Gottes wiedergegeben.

Da es Geist (Denken, Bewußtsein, Bewußtsein seiner selbst) gibt – andernfalls könnten wir nicht einmal darüber nachdenken, ob es Geist gibt –, muß das Absolute Geist beinhalten: es gibt Geist, und das Absolute ist alles, was es gibt, also ist der Geist Element des Absoluten. Gott ist daher (unter anderem) Geist.
Welche Struktur hat Geist? Geist ist das Bewußtsein von etwas und das Bewußtsein von dem, was man selber ist. Ich bin nicht nur Mensch, sondern ich weiß auch, daß ich ein Mensch bin. Dieses Wissen von sich selbst erlangt der Geist aber nur durch Abgrenzung von dem, was er nicht ist. Daß man jung ist, wird einem nur bewußt durch Konfrontation mit dem Alten, daß man ein Lehrer ist, nur in der Begegnung mit Schülern, ebenso Mensch – Tier, Frau - Mann usw.
Daß Gott Geist ist (also: was er selbst ist), kann ihm also nur bewußt werden durch die Relation zu etwas, das nicht Geist ist; daß er unendlich ist, nur durch die Beziehung zum Endlichen; daß er Schöpfer ist, erfordert die Existenz von Geschöpfen; absolut ist er nur, wenn es das Relative gibt.
Gott muß also, um sich bewußt werden zu können, daß er das Absolute ist, sich auf das Relative, Endliche, die Schöpfung beziehen. Es muß – für Gott selbst! – eine Schöpfung dessen geben, was er nicht ist: der endlichen Geschöpfe.
Da aber Gott das Absolute ist, muß diese Endlichkeit, von der er sich unterscheidet und durch die allein ihm bewußt werden kann, was er selbst ist, in ihm selbst entstehen – denn sonnst würde er (s.o.) nicht dem Begriff des Absoluten gerecht.
Gott muß also – so eine häufige Formulierung Hegels – das Andere seiner selbst (das Endliche, die Schöpfung) in ihm selbst werden. Mit anderen Worten: das allumfassende Ganze muß in sich kleine, begrenzte Strukturen bzw. Entitäten entstehen lassen, denn sonst könnte es nicht wissen, daß es das alles Endliche umfassende Ganze ist. Gott, der Schöpfer, braucht die Schöpfung, um zu wissen, daß er der Schöpfer ist; und er braucht die Schöpfung als Teil von sich selbst, weil er das Absolute ist.

Hierzu sind nun noch zwei wichtige Aspekte zu ergänzen:
Einmal, daß für Hegel dieser Vorgang, die Bewußtwerdung Gottes, ein historischer Prozeß ist. Er verläuft in der Zeit: Erst ist Gott das „leere“ (noch nicht vom Endlichen abgegrenzte und noch nicht seiner selbst bewußte) Absolute; dann wird er bzw. schafft er in sich das Andere seiner selbst, die bewußtlose Natur; da aber Gott Wissen von sich werden will, folgt im Prozeß die Reihe bewußter Wesen, von den Tieren bis zum Menschen; im Menschen endlich entsteht nicht nur eine Bewußtsein (von Dingen), sondern auch ein Bewußtsein davon, daß es sich hier um Bewußtsein handelt – was Hegel „Selbstbewußtsein“ nennt. Und im Menschen entsteht auch ein Bewußtsein von Gott, welches so, wie es erläutert ist, nichts anderes ist als das Wissen Gottes von sich selbst im Anderen seiner selbst, dem Menschen. Im Menschen gelangt Gott also zu dem, was er ist bzw. werden soll: absoluter Geist.
Gott benötigt also zum Zwecke dieses Prozesses die Natur und, als deren Krönung, den Menschen.
Die zweite Ergänzung besteht darin, daß es für Hegel – und wohl auch mit Recht – nur eine Religion gibt, welche diesen Gedanken gedacht hat: daß Gott Mensch wird. Diese Religion ist das Christentum. Im Menschen wird die Kluft zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung aufgehoben, indem dem Menschen und dadurch Gott bewußt wird, daß Gott das Ganze ist. Die anderen monotheistischen Religionen behalten diese Kluft zwischen Schöpfer und Geschöpf als „letzte Wahrheit“ bei ... und verfehlen dadurch einen adäquaten Begriff von Gott, daß dieser nämlich das Absolute ist, wahre (nicht bloß „schlechte“) Unendlichkeit.
Damit ist es aber für mich jetzt gut. Ich stehe Deinem hybriden Projekt mit tiefem Befremden gegenüber.

Antwort geändert am 06.04.2020 um 22:20 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 08.04.20:
Ja, danke dafür ... hätte es nicht besser erklären können ... dennoch bleibt natürlich die Frage, inwieweit die Sichtweise Hegels auch der Wirklichkeit entspricht ... oder einfach nur ein ineressantes Gedankenspiel ist!?

 Graeculus meinte dazu am 08.04.20:
Wenn ein höchstes denkbares (absolutes) Wesen existiert und wir das Gott nennen wollen (wie gesagt: am Anfang muß immer eine Definiton stehen), dann ist alles weitere logisch zwingend.
Mir sind keine plausiblen Einwände dagegen bekannt - außer daß man dieses Absolute auch anders nennen kann. Kosmos z.B., sofern man diesen Begriff nicht rein physikalisch versteht.

 loslosch (06.04.20)
gottesforscher bluebird begegnet gottesforscher hegel. und schon wuppt es mit dem weltgeist.

 Terminator (10.04.20)
Negativ. Hegels Philosophie hatte der Menschheit mehr gebracht als die Fühlosophie der Bübel. Der Beweis? Wissenschaft, Rechtsstaat und so (anstatt Steinigung und Scheiterhaufen).
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