Die TP Connection

Schundroman zum Thema Weltuntergang/ Endzeit

von  keinB

Es regnete. Es regnete stark. Eine in Schwarz gekleidete Gestalt eilte durch die nächtlichen Straßen, huschte von Schatten zu Schatten, hielt ab und zu einen kurzen Moment inne, um ihren Weg dann fortzusetzen. Sie ging um einen parkenden Lastwagen herum und blieb an der Hintertür der Kneipe ‚Paradies‘ unter dem Dachüberstand stehen. Ein heller Schemen erschien im Dunkel und die Gestalt klopfte ans dunkle Holz. Klopfklopf, Pause, Klopf, Pause, Klopf Klopf Klopf, Pause, Klopfklopf.
Erst geschah nichts und just in dem Moment, als die Gestalt hörbar genervt ausatmete und zu neuerlichem Klopfen ansetzte, öffnete sich die dunkle Holztür einen Spaltbreit. Innen war es noch dunkler als draußen und eine leise Stimme sagte geheimnisvoll:
„Alle Hamster kaufen Klopapier!“
„Im Mondschein begegnet das Huhn dem Ei“, erwiderte die Gestalt.
„Eine Hefe allein macht noch keinen Kuchen.“
„Desinformationsmittel sind Fake News.“
„Gut geimpft ist halb immunisiert.“
„Würdest du mich bitte reinlassen? Ich bin eh schon spät dran. Und es regnet.  Nicht grade wenig, wie du hörst.“ Wie zur Bestätigung trommelte der Regen eine Oktave tiefer.
Schweigen.
„Bittebitte?“
„Gut geimpft ist halb immunisiert. Sorry. QM, weißt schon. Wird doch alles aufgezeichnet und ausgewertet. Und wenn ich mich nicht ans Protokoll halte, …“
Seufzen. „Schon gut, schon gut. Besser ein Hamster in den Vorräten als gar keine Konserve.“
Ein Räuspern: „Äh. Nein. Du bist eins zu weit.“
„Ach, nicht doch. Echt jetzt? Moment. Der frühe Hase …?“
„Nee, der frühe Hase war letzter Woche.“
„Warte.“
Die Gestalt kramte in ihrem Umhang, zog ein Smartphone und einen Zettel aus seinen Tiefen hervor, entfaltete letztgenannten und nutzte das erleuchtete Display des Smartphones als Lichtquelle.
„Wenn alle Handschuhe reißen, brauchst du flüssiges Kautschuk.“
„Hast du da etwa einen Spickzettel?“, fragte die Stimme hinter der Tür vorwurfsvoll.
„Hältst du dich gefälligst ans Protokoll?“
„Oh, äh … Des einen Heiliger Gral, des anderen Klopapier.“
„Besser ein Hamster in den Vorräten als gar keine Konserve. Lässt du mich jetzt bitte rein?“
Die Tür öffnete sich und die Gestalt schlupfte ins Gebäude. „Aber über den Spickzettel reden wir noch mal“, brummte eine Stimme, bevor die Tür sich schloss und die Straße wieder in Nacht und Regen lag, als sei nie etwas geschehen.

Im Hinterzimmer des ‚Paradies‘ schummerte Licht. Keiner hatte je herausgefunden, wie genau das mit dem Schummern funktionierte. Die Birnen in den Lampenfassungen waren exakt des gleichen Typs und exakt der gleichen Stärke wie jene im Hauptraum, in dem es nicht eine einzige unausgeleuchtete Ecke zu finden gab. Eine Bardame hatte vor Jahren einmal die Theorie aufgestellt, dass alleine die Bezeichnung ‚Hinterzimmer‘ schon dafür sorgte, dass Stromkreis und Glühbirnen sich unisono aufs Schummern geeinigt hatten, gleichwohl musste man einräumen, dass ihr physikalisches Verständnis zwar wohl für das zumeist homogene Mixen von Getränken ausreichte, darüber hinaus aber eher als rudimentär respektive nicht vorhanden zu bezeichnen war, weswegen sich niemand die Mühe gemacht hatte, genannte These zu überprüfen. Bei Stromkreis und Glühbirnen sorgte dieser Umstand regelmäßig für Heiterkeit. Dann schummerte das Licht im Hinterzimmer ein wenig heller, bevor es stillschweigend wieder zum ‚heruntergekommene Hafenspelunke‘-Flair zurückkehrte.
Mehrere Personen in dunklen Kutten saßen im schummrigen Licht an einem Tisch. Zwei Stühle waren noch frei und wurden von Neuankömmling und Türwächter besetzt. Eine dunkelrote Kutte trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem dunklen Holz des runden Tisches.
„Sind wir also auch schon da, ja?“, nörgelte die rote Kutte.
„Wenn wir diesen Losungswortmist nicht so auszelebrieren würden, …“, begann die neue Kutte missmutig.
„Wärst du immer noch zu spät“, erwiderte die rote Kutte. „Wie auch immer, jetzt sind wir vollzählig. Wie schaut‘s aus, wart ihr alle erfolgreich?“
Mehrere Kutten nickten.
„Reihum“, entschied die rote Kutte und nickte aufmunternd nach links.
„Erfolgreich, ja. Innerhalb von zwanzig Kilometern Umkreis gibt es in keinem Laden mehr Hefe. Keine frische, keine trockene, nada. Alles weg.“
„Sehr gut“, lobte die rote Kutte. „Weiter!“
„Ich habe mich wie besprochen ums Desinfektionsmittel gekümmert. Ein paar kleine Restbestände gibt’s noch, aber sobald die ersten Hausmuttis Panik kriegen, ist auch da Ebbe.“
„Okay. Besser wäre natürlich, wenn du alles leer gekauft hättest. Aber so geht’s natürlich auch. Bisschen Schwund ist ja immer, nicht wahr? Weiter!“
Nacheinander erzählten alle Kutten, was sie so alles leer gekauft hatten. Mehl, Nudeln, Dosenravioli, Eier, Küchen- und Taschentücher.
„Ich habe überall Klopapier leergekauft. Der Laster steht draußen.“
„Der Laster? Bist du verrückt? Du sollst das zu Hause horten, nicht mit einem Laster spazieren fahren!“, schimpfte die rote Kutte.
„Erstens mal:“, die Klopapierkutte streckte der roten Kutte den Daumen entgegen, „kann ich den Laster nicht einfach in meiner Straße parken. Du und dein Auto wissen ganz genau, wie schnell man da irgendwo hängengeblieben ist. Zweitens mal:“, der Zeigefinger schnellte hervor, „ habe ich schon gar keinen Platz mehr zu Hause. Ich gehe auf Klopapier, ich sitze auf Klopapier, ich schlafe auf Klopapier. Ich kriege grade so noch die Wohnungstür auf und von meinen Fenstern weiß ich nur noch theoretisch, dass sie existieren. Und drittens:“, der Mittelfinger schoss in die Höhe.
„Schon gut, schon gut, ich hab‘s begriffen“, resignierte die rote Kutte. „Dann müssen wir jetzt halt klären, was wir mit dem Laster machen.“
„Vielleicht hätte sich jemand mit einem Haus um das Klopapier kümmern sollen? Eine Singlewohnung bietet halt nicht echt viel Platz“, warf die Nudelkutte ein.
„Zweifelst du an meiner Planung?“
„Ich mein ja nur.“
„Ich hätte noch Platz in der Garage“, warf die Kutte mit den Dosenravioli ein.
„Gut“, erwiderte die Klopapierkutte, „dann fahr ich dich nachher heim und wir …“
„Seid ihr wahnsinnig? Wenn das einer sieht!?“ Die rote Kutte hyperventilierte.
„Wir können ja Schutzmasken aufsetzen, dann weiß keiner, dass wir das sind. Wir haben doch welche, oder?“
„Ja, aber …“
„Neenee, das ist schon eine gute Idee. Außerdem muss ich ja den Laster auch irgendwann wieder zurückbringen. Ich kann den ja nicht ewig behalten. Da fällt mir ein: Gehen Spesenerstattungsanträge an dich oder …?“
„Spesen zu mir“, meldete sich die Hefekutte zu Wort.
„Und brauchst du da  … keine Ahnung … einen doppelten Durchschlag, eine namentlich ausgestellte Rechnung für die Steuererklärung, Fahrtenbuch, oder …“
„Könnt ihr das bitte später klären? Ich bin sicher, das interessiert außer euch …“, unterbrach die rote Kutte.
„Also, ich würde das schon auch gerne wissen. Ich hab auch Auslagen. Musste für das Mehl eine zusätzliche Wohnung mieten.“
„Du hast WAS?“
„Was reagierst du denn jetzt angefressen? Du hast doch gesagt, wir sollen alles tun, was nötig ist. Und das war nötig! Wo soll ich denn sonst bitte das ganze Mehl unterbringen, hm? Hm?“
„Aber du hast doch ein Haus?“
„Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, wie viel Mehl so ein Supermarkt auf Lager hat, hm? Einer? Nur einer?“
„Ich glaub, ich krieg Migräne. Dann diskutiert das halt kurz aus, wenn’s sein muss“, resignierte die rote Kutte.

„Alles geklärt, ja? Können wir jetzt weitermachen?“
Zustimmendes Murmeln.
„Ich habe Limetten und Bananen leer gekauft.“
„Prima, dann kommen wir nun zu … Moment mal: Hast du Limetten gesagt?
„Ja.“
„Limetten?“
„Mh-hm.“
Stille.
„Wofür?“
„Na, für die Cocktails natürlich. Was ist das für eine Frage?“
„Welche Cocktails?“
„Mojito, Caipirinha, Cuba Libre.“
„Limetten. Und die Bananen?“
„Zur Deko.“
„Zur Deko?“
„Klar. Für die Cocktails.“
„Halte ich für eine richtig gute Idee“, warf die Mehlkutte ein. „Ist schließlich mal was anderes als das übliche Schirmchen. Und Deko am Cocktail macht sich sowieso immer …“, sie verstummte als ihr Blick dem der roten Kutte begegnete.

„Ich hab mir das etwas leichter vorgestellt, um ehrlich zu sein. ‚Kauf das relevante Zeug‘, haben sie gesagt. ‚Hamsterkäufe sind ganz einfach‘, haben sie gesagt. Ganz einfach, am Arsch.“
Die rote Kutte saß an der Bar des Paradies und starrte in ihren Drink. Es war nicht der erste. Die Stühle im Gastraum waren bereits hochgestellt und der Barkeeper hatte die rote Kutte nur deswegen noch nicht ausgekehrt, weil er ein Haus weiter wohnte. Und außerdem gut an den regelmäßigen Buchungen des Hinterzimmers verdiente.
„Vielleicht musst du deinen Ansatz überdenken?“
„Hm! Machst du mir noch einen?“ Die rote Kutte leerte ihr Glas in einem Zug und schob es über die Theke.
„Vielleicht die Planung, ja. Vielleicht hätten die Mädels klarere Ansagen gebraucht. Ein Laster voller Klopapier. Unglaublich. Und tonnenweise Limetten. Für Cocktails.  Wer soll das denn alles saufen?“
„Ich finde, du liegst ganz gut im Rennen“, erwiderte der Barmann. „Möchtest du eine Banane als Deko?“

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Kommentare zu diesem Text


 DanceWith1Life (21.04.20)
yeah, mehr bitte, lass schummern, keinB, darf man das so schreiben, auch egal, mir war grad danach, lach

 keinB meinte dazu am 21.04.20:
Dankeschön :)

 AchterZwerg (21.04.20)
Bis zum Eintritt in die Kneipe finde ich den Text sehr gut.
Nach der kurzen (bierseligen?) Begrüßung der Besucher hätte ich Schluss gemacht.
Aus meiner Sicht walzt du den Text zu sehr aus, spaltest seine Speerspitze ohne Not und mit ihm seinen Witz.

Lieben Gruß
der8.
Sin (55) antwortete darauf am 21.04.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 keinB schrieb daraufhin am 21.04.20:
Mhnja. Den Einwand kann ich tatsächlich nachvollziehen. Allerdings möchte ich weg von den kurzen Situationsbeschreibungen und hin zu etwas längeren Texten. Bin auch immer ganz froh, wenn ich das mal halbwegs hinbekomme.

Vielen Dank & liebe Grüße Euch
KB

 AchterZwerg äußerte darauf am 21.04.20:
Sins Idee finde ich gut.
Der zweite Teil überzeugt durchaus in sich (als zweites Kapitel). Aber eben nicht direkt in Kombination.

Gruß
der8.

 keinB ergänzte dazu am 21.04.20:
Richtig, das wollte ich noch fragen: Was ist ne Textstaffel?
Sin (55) meinte dazu am 21.04.20:
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 ViktorVanHynthersin (21.04.20)
Wohl dem, der Connections hat Gerne gelesen!
Herzlichst
Viktor

 keinB meinte dazu am 21.04.20:
Gestern hießt du noch Holger ...
Vorwurfsvolle Grüße
KB

;)

 Dieter_Rotmund (28.07.20)
Schließe mich Zwergs Bewertung an. Der zweite Teil ist auch zu verplappert, diesbezüglich musste der Leser schon zu Beginn viel aushalten. Grundsätzlich ist das Thema "Hamsterkauf" schon sehr, sehr abgenudelt, man könnte sich überlegen, ob man der Geschichte nicht eine neuen, frischen Drive verpasst.

 keinB meinte dazu am 28.07.20:
Grundsätzlich ist das Thema "Hamsterkauf" schon sehr, sehr abgenudelt [...]

Die meisten aktuellen Themen sind das, wenn man sie drei Monate später kommentiert. Aber hey - ohne deine professionelle Expertenmeinung wär's wahrscheinlich nie aufgefallen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 28.07.20:
Es gibt auch zeitlose Themen, die spannend sind.

..meint der Experte.

 keinB meinte dazu am 28.07.20:
Dann schreib doch mal drüber? Könnte nicht schaden, nachdem du "Ich würd's vielleicht noch mal Korrektur lesen"-Hinweise geflissentlich ignorierst.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 27.08.20:
Wo sind diese Hinweise?

Ich schreibe über zeitlos schöne Kinos und Kinofilme.

 keinB meinte dazu am 27.08.20:
Troll mich doch nicht. 16.07. Ich wette, die Kolumne ist immer noch nicht fehlerfrei. Und nein - ich korrigiere deinen Text nicht durch. Du willst Journalist sein, du müsstest Deutsch können.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 27.08.20:
Das steht zwar in meiner Selbstbeschreibung, könnte aber gelogen sein, wie so vieles in den kV-Selbstbeschreibungen.
Ich guck' gleich mal in die vom 16. Juli.

 keinB meinte dazu am 27.08.20:
Es kann immer alles überall gelogen sein. In Wirklichkeit bin ich gar nicht Manuel Neuer ...
Aha (53) meinte dazu am 02.09.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 keinB meinte dazu am 02.09.20:
Eine Kunstaktion vom Rotmund???

Äh. Ja! Unbedingt.

 Judas meinte dazu am 02.09.20:
Plötzlich ergibt alles einen Sinn.

 drmdswrt (30.09.20)
Selbstverständlich ist der Text nicht unaktuell. Ich hab's nämlich heute erst begriffen. Also, warum ich keine Limetten und Bananen mehr bekommen habe. Aber ich habe Corona ja auch ignoriert und mich die gesamte Saison mit Erträgen aus dem Garten selbst versorgt. Da hinkt man der Geschichte schon mal etwas hinterher.
Ums auch noch deutlich zu machen: Gerne gelesen, falls das nicht schon klar sein sollte.
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