Was von einem zerknüllten und ins Klo geschmissenen Portrait Houellebecqs von Giacometti bleibt

Erzählung zum Thema Widerstand

von  toltec-head

Wenn es einem im Leben nicht gelungen ist, ein wirkliches, ein richtiges Kunstwerk zu produzieren, sich damit rausreden, dass man seine Arbeit hatte, seinen Job, dass man, wie es so schön heißt, seine Brötchen verdienen musste, und dass niemand, der seine Brötchen mit einer richtigen Arbeit verdienen muss, die Zeit hat, ein wirkliches Kunstwerk zu schaffen.

Denjenigen, welche bemerken, dass man es in seinem angelernten Beruf nicht sehr weit gebracht hat, dass man letztlich doch nur ein Amateur-Lehrer, ein Amateur- Steuerberater, ein Amateur-Irgendwas, kurzum: ein Berufs-Simulant, geblieben ist, entgegnen: Natürlich bin ich in meinem wirklichen Beruf nur ein Amateur geblieben! Wie hätte es denn anders sein können? Denn in Wirklichkeit war ich ja die ganze Zeit nebenbei Künstler und habe - und jeder anderer hätte das aus Zeitgründen genauso tun müssen - meinen Beruf natürlich nur simulieren können. Ich musste die ganze Zeit in meiner Freizeit schreiben, malen, musizieren, Kunst produzieren, daher war es vollkommen ausgeschlossen, dass ich es in meinem wirklichen Beruf jemals hätte zum Profi bringen können.

Sich die Kunst und das wirkliche Leben als zwei ganz grässliche, alte Mütter vorstellen, die sich auf einen stürzend aussaugen wollen. Irgendwie gelingt es einem, zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen, so dass sich ihre beiden Gebisse ineinander verzahnen und sie nur ihrer gegenseitigen Parodontosen zum Essen bekommen.

***

Und auch wenn die beiden sich in der Ewigkeit träfen, könnte es kein Giacometti Portrait von Houellebecq geben. Vielleicht wäre es dem lebenden Giacometti Portrait-Imposator noch gelungen 48St still zu sitzen. Aber während dieser ganzen Zeit nicht rauchen? Niemals! Auch in Ewigkeit nicht...

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (29.04.20)
Na ja,
Rimbaud, Baudelaire und Rilke u. v. a. wären ohne die stetigen (und sicherlich oft unerwünschten) pädagogischen Bemühungen ihrer zahnlosen Mütter, Großmütter und Tanten nicht denkbar.

Und wie wars so bei dir? ("M e i n Sohn, ein Dichter!")?

Zwinkergrüße
Bessy_85 (53)
(29.04.20)
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Aha (53)
(29.04.20)
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 Augustus (30.04.20)
Wie schaut denn ein richtiges Kunstwerk aus? Letztlich schließt eigener Kunstgeschmack automatisch andere Kunstgeschmäcker aus. Ob es objektive Kunstbeurteilung gibt, die gänzlich frei von subjektiver Meinung ist, ist umstritten.
Letztlich ist vllt doch das Wesen der Kunst, das eines streitsüchtigen Weibes im Kostüm einer alten, zänkischen Matrone oder wie hier einer grässlichen, alten Mutter.

Ave
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