Thermomix für alle

Kurzprosa zum Thema Schaffenskraft

von  eiskimo

Du hattest einen tollen Text gekocht, ein wahres Gedicht!
In der Komposition alles sublim aufeinander abgestimmt.
Die Wirkung jedes Elementes geschmackvoll  abgewogen.
Feine Nuancen spürbar gemacht, dabei kräftig im Ausdruck.
Du hattest deine ganze jugendliche Kreativität da reingelegt,
ehrgeizig wie ein Meister deines Fachs nachgewürzt,
den erträumten Aha-Effekt  hin bekommen.
Ja, und dann konntest du endlich feierlich aufwarten,
den Zauber frei lassen, den Moment der Entdeckung.
Der erste – "Oh, nein,  das ist ja viel zu schwere Kost! iieh!
Etwas Leichtes  bitte, nur etwas für Zwischendurch.."
Der nächste: "Was? Keine Innovation, keine Nouvelle Vague? Tschüss."
Der Dritte hatte eigentlich gar keinen Hunger,
wollte nur mal reinschnuppern, einfach  nur zum Zeitvertreib… .
Zwei weitere, die auch angemeldet waren,
erschienen erst gar nicht. Kommentarlos.
Am Ende bliebst du sitzen auf deiner famosen Kreation.
Du hattest vergeblich gewerkelt und gezaubert.
Niemand wollte wissen, was denn da dein Plan war,
wie du das Kunstwerk verstanden wissen wolltest,
welchen Hintergrund die eine oder andere Zutat dabei hatte.
Völlig leer bliebst du zurück, im Mund ein fader Geschmack.
Warum noch sein Ding machen, sich verausgaben, fragst du,
wo doch fades Fastfood reicht und einfach Thermomix für alle.

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Kommentare zu diesem Text


 tueichler (11.05.20)
Besser kann man ihn nicht beschreiben, den Überdruss in der Leere mit einhergehendem Mangel an Genussfähigkeit. Wo Animationsfilme inhaltsleerer Drehbücher und Kochpakete aus werweißwo mit kultureller Einsicht und Weltläufigkeit verwechselt werden, da schwant mir Schlimmes für eine Kultur, die sich über Kreativität definieren möchte. Wenn es auch nicht den ‘Diktator’ in Persona gibt, so ist der konditionierte Geschmack doch nichts anderes. Ob in der bildenden Kunst, in der Literatur, beim Kochen oder aber in der einfachen Fähigkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Nur, wir selbst sind es, die den Diktator der einfältigen Einheitskultur mit Kritik- und Ideenlosigkeit füttern. Und das in einem Land, das uns gelehrt haben müsste - nach zwei Diktaturen mit starkem Personenbezug - dass ‘Gleichschaltung’ unweigerlich in die Katastrophe führt.
Thermomix für alle! Außer für mich ...

Sehr gelungen!

 eiskimo meinte dazu am 11.05.20:
Große Klasse, Dein Kommentar!
Du analysierst und bringst auf den Punkt, was ich nur diffus auf der Zunge hatte. Ich danke Dir.
Du hast genau das gemacht, was unserm kleinen Koch da verwehrt worden war.
lG
Eiskimo
Serafina (36)
(11.05.20)
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 eiskimo antwortete darauf am 11.05.20:
Interessant, welche Differenzierung Du da anstellst zwischen Arm und Reich - das hatte ich nicht so gesehen.
Dein zweiter Gedanke, das mit dem Einheitsbrei, wäre vielleicht die Konsequenz für unseren bis dato noch kreativ-innovativen Koch. Mit Einheitsbrei hätte er es leichter.
Er verlöre damit natürlich seinen Anspruch, ein unabhängiger Künstler zu sein. Womit wir bei dem klassischen Dilemma aller Freischaffenden wären.
LG
Eiskimo
Al-Badri_Sigrun (61)
(11.05.20)
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 eiskimo schrieb daraufhin am 11.05.20:
Liebe Sigrun!
Mit Deinem ersten Satz befreist Du unseren "Koch", denn es könnte ihm genügen, einfach nur Freude am kreativen Akt gehabt zu haben.
Allein, so ein bisschen Beifall wäre ja nicht zu verachten. Und leben die Künstler nicht auch davon?
Ich bin hin und her gerissen zwischen diesen Positionen.
Nicht an sich zu zweifeln, da stimme ich Dir voll und ganz zu.
Es wird also weiter gekocht.
ciao
Eiskimo

 susidie (11.05.20)
Wunderbar gekocht und gezaubert. Wie so oft im Leben scheitert man aber an der Erwartungshaltung. Von daher, wenn die eigene Erwartung erfüllt ist, sollte kein fader Geschmack zurückbleiben. Alles andere ist tolles Zubrot, aber am Besten ohne Abhängigkeit.
Es hat auf jeden Fall gut geschmeckt. Liebe Grüße von Su :)

 eiskimo äußerte darauf am 11.05.20:
Danke, liebe Su. So macht Kochen Spaß.
fein gewürzte Grüße von
Eiskimo

 EkkehartMittelberg (11.05.20)
halloo Eiskimo,
wer ehrlich ist, muss zugeben, dass er schon in der Situation deines LyrDu war. Aber Wehklagen verändert nichts. Nur wer weiter experimentiert, vermags ich aus seiner Frustration zu befreien.
LG
Ekki

 eiskimo ergänzte dazu am 11.05.20:
Ja, Ekki! So ist es. Wie sagte Voltaire: Il faut cultiver son jardin.
in diesem Sinne
Eiskimo
Sin (55)
(11.05.20)
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Konkret (54)
(11.05.20)
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