Was weiß man schon

Innerer Monolog

von  monalisa

Manchmal quälen mich Fragen, von denen ich weiß, dass ich die Antwort nicht weiß, nie wissen werde. Und dennoch höre ich nicht auf, zu fragen: etwa danach, woher ich komme und ob ich wirklich nicht mehr als die Verschmelzung von Ei- und langschwänzig flinker Samenzelle, ein Sammelsurium erwürfelter elterlicher Gene bin. Ich frage mich, ob es Illusion ist, dass ich dich liebe, ob stattdessen ein paar übermütige Hormone mit mir Karussell fahren, mich immerzu in deine Arme schubsen, frage mich ein wenig ängstlich, wo ich enden werde, wenn ich so weitermache, ob die Welt enden wird und wie und wann. Ob danach noch etwas kommt und wie man sich nichts vorzustellen hätte.
Wenn du Fragen hast, gehst du in den Baumarkt, da gibt’s zwar in den meisten Fällen auch keine fertigen Antworten zu kaufen, aber du machst das schon. Aus ein paar Latten, Schrauben und Nägeln bastelst du dir etwas zurecht. Nachdem du für Minuten, Stunden oder Tage im Keller verschwunden bist, kommst du wieder mit irgendeinem windschiefen Ding von Futterhäuschen, deiner Antwort auf die Frage nach dem Überleben der Menschheit.
Ob du mich liebst, habe ich dich nie gefragt, auch nicht stimmlos mit tellergroßen Augen, die du mir vorwirfst und als Ausdruck des Hungers deutest, bevor du mich mit Butterbroten fütterst.
Die Frage macht sich manchmal ganz klein, sodass ich sie leicht in den linken großen Zeh quetschen kann, oder auch in den rechten, möglichst weit weg von meinem Kopf jedenfalls. Dann wieder bläht sie sich auf, verursacht mir Schluckauf und landet so unverhofft auf meiner Zunge. Fast hätte ich mich gestern verplappert, fast.
Ich habe Angst, du könntest für den Rest meines oder deines Lebens im Keller verschwinden, um mit oder ohne mich an etwas zu bauen, von dem wir beide keine Ahnung haben, wie es aussehen soll. Da finde ich es gemütlicher, mit dir in der Küche zu sitzen und bei Kaffee und Apfelstrudel vom Vorschuss einer möglicherweise gemeinsamen Zukunft zu naschen. Außerdem kann man auch in der Küche aus Zahnstochern Sterne basteln.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (15.05.20)
Liebe Mona, ich kenne dich als Lyrikerin und Erzählerin, die meistens den ernsten Fragen des Lebens zugewandt ist. Das bestätigst du auch wieder mit den philosophischen Fragen im ersten Absatz deines Inneren Monologs. Und dann kommt eine Mona, die ich bisher noch nicht kannte, die in der Lage ist, urkomisch zu schreiben: derhomo faber mit dem windschiefen Futterhäuschen als Antwort auf die Frage nach dem Überleben der Menschheit, die um Liebe flehenden tellergroßen Augen, die als Ausdruck physischen Hungers missdeutet werden, der Schluckauf vor dem gerade noch vermiedenen Verplappern, das endgültige Verschwinden im Keller und dann als Krönung goldigen Humors die Sterne aus Zahnstochern.
Ich weiß, dass einem so etwas nicht alle Tage einfällt, aber wenn, dann bereite deinen Lesern das Vergnügen, es bald freizusetzen.
Herzliche Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 16.05.20:
Ach, lieber Ekki, du bist zu großzügig, fast verschwenderisch mit deinem Lob 😊, das mich ein bisschen verlegen macht und gleichzeitig sehr freut. Wir schön, dass ich dich mit meinen Zeilen unterhalten und ein wenig überraschen konnte.

Vielen herzlichen Dank!
Liebe Grüße
mona

 AchterZwerg (16.05.20)
Hallo Mona,
die Passage mit der zurückgehaltenen Liebesfrage überzeugt mich in diesem Text ganz besonders. Sie birgt eine subtile Beobachtung: Denn die Fragende fürchtet zu Recht eine Antwort, weil die ihr ganzes Kartenhaus ins Schwanken bringen könnte, ein windiges, doch "sytemrelevantes" Gebilde.
Dann lieber still sein. Und den siebten innerlich durch einen vierten oder fünften Himmel ersetzen.

Der ironische Beiklang, das Spiel mit dem Heimwerker- ./. Philosophenklischee entzücken ebenfalls.

:)

 monalisa antwortete darauf am 16.05.20:
Lieber 8 😊., es freut mich sehr, dass du so viel Ansprechendes, sogar Überzeugendes in Text gefunden hast.
Was weiß man schon über die vielen Facetten der Liebe, ihre Verkleidungen, Nachahmer und Vortäuscher …, über Bindungs- und Torschlussängste, Auto- und Soziphobien ...?

Vielen Dank für die Auszeichnung durch deinen tiefschürfenden Kommentar 😊.
Liebe Grüße
mona

 MagunSimurgh (17.05.20)
Ich bin fasziniert von diesem Text. Ein innerer Monolog, in dem im Prinzip fast nur äußere Beobachtungen geäußert werden, aus denen man sich das Innere erschließt. Die Suche nach Kontakt zwischen Innen und Außen finde ich extrem gut ausgespielt.

Mir gefällt daran auch gut, dass es hier um eine erwachsene Liebe geht - hier ist mal nicht die rosarote Phase gemeint, sondern das, was kommt, wenn es schon eine Weile geht - deswegen fühlt es sich existenzieller an, tiefer.

Ich muss nun mal weiter lesen, was es noch so von dir gibt.

Viele Grüße,
M.

 monalisa schrieb daraufhin am 17.05.20:
Ganz herzliches Danke für deine Worte, die mich beim Lesen mindestens um einen Zentimeter haben wachsen lassen, das ist super, zumal ich schon im Schrumpfmodus bin :D!
Ich habe mich wirklich sehr über deine detaillierte Rückmeldung und persönlich Auseinanderstzung mit dem Text gefreut.

Liebe Grüße
mona
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