Nachtbus

Kurzprosa

von  BeBa

Kraut und Rüben in dieser Nacht! Alles geht durcheinander. Jeder macht, was er will. Gerade noch zahlte ich in der Habana Bar den letzten Mojito, jetzt sitzt jemand im Vollmondschein auf der Motorhaube meines Chevy und grinst.
„He, Honigkuchenpferd, mach ´ne Mücke!“, raune ich. Aus dem einen Honigkuchenpferd werden dann schnell drei, vier und fünf. Üble Gestalten, die da um die Ecke kommen.
Ich lasse meinen Wagen erst einmal stehen, springe in den nächsten Nachtbus. Der Fahrer grinst aus dem Rückspiegel. Selten ein solch rundes Gesicht gesehen, wie der Vollmond dort oben. Und kein Haar auf dem Schädel. Seinen Wink verstehe ich: Ohne Kleingeld für die Tour bitte nächste Station aussteigen.
Prompt stehe ich auf dem Marktplatz, um diese Zeit eine längst beruhigte Zone. Der Brunnen spuckt kein Wasser mehr. Nacht!
Dann dieses Piano. Ich erhoffe mir eine Bar, aber nein: Da sitzt einer, versteckt im Dunkel, neben dem Brunnen. Klar, das Denkmal für Camacho, diesen Pianisten. Der einzige Prominente, den die Stadt jemals hervorgebracht hat. Aber was für einer! Seine Virtuosität ging ebenso um die Welt wie die Gerüchte über seine Sucht nach Alkohol und Drogen. Und diese waren nicht unbegründet: Er starb jämmerlich an Leberzirrhose. Was mir, meint mein Arzt, auch blühen könnte, wenn ... Sei es drum.
Wie kann ein Denkmal aus Stein solche Musik spielen? Für sie und mich! Ich möchte tanzen, höre sie lachen. Flüstert und beißt sie mir ins Ohr? Nein, unsere Zeit ist vorbei. Stattdessen dieses Nie mehr.
Und Stille. Ich gehe näher ran. Nur ein Denkmal, kalt und tot. Wie ich. Eine Katze huscht verschreckt an mir vorbei, ich kann es ihr nicht verübeln. Sie verschwindet im Dunkel. Würde ich auch gern. Setze mich auf den Brunnenrand, atme durch. Bilder von meinem Auto im Kopf.
„Wunderschön, wie er spielt!“ Als flüstere sie mir das jetzt ins Ohr. Trotz allem.
„Hörst du ihn?“, frage ich, schaue mich nicht um, erkenne ihr Parfüm.
„Klar. Du nicht?“
Ich nicke, ziehe damit meinen Joker. Der Traum soll nicht platzen. Sie lehnt sich an meine Schulter, seufzt. Ich spüre ihren Körper, wie er auf das Piano reagiert, versunken in jener Welt, aus der ich gerade wieder ausgespuckt wurde.
Ich drehe mich um, möchte ihr durchs … Da ist nichts. Nur Stille und ich.
Es macht keinen Sinn, hier noch zu sitzen. Stelle mich an die Haltestelle. Als ich in den Bus steige, grinst der Vollmond. Eine Station ist ok. Und mehr will ich nicht.
Mein Chevy steht einsam am Straßenrand. Traurig schaut er mich an mit der Beule in seiner Motorhaube. Ich zwinkere ihm zu, möchte ihn streicheln. Dann wieder die Musik aus der Habana Bar.
Sorry, my old friend, ich muss noch mal los. Hasta pronto! Man sollte die Nacht nicht zu früh beenden.

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Kommentare zu diesem Text

Aha (53)
(06.06.20)
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 Dieter_Rotmund (07.06.20)
Das ist mir zu hektisch erzählt.

 BeBa meinte dazu am 08.06.20:
Hallo Dieter,

das kann ich durchaus verstehen. Der Text soll etwas von einem Fiebertraum haben, vielleicht empfindet der eine oder andere genauso wie du, dass der Autor hier ggf. übertrieben hat?

LG
BeBa

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 09.06.20:
Ja, schön, aber es fehlt jede Info oder auch nur Andeutung, warum das so ist.

 BeBa schrieb daraufhin am 10.06.20:
Hallo Dieter,

meinst du, dass eine Andeutung hier wirklich sinnvoll wäre? Nach meiner Ansicht ist es doch eher so, dass Andeutungen oder gar Erklärungen den Texten kaputtmachen würden.
Ich meine, dass die Atmosphäre allein den Leser in den Text ziehen muss, damit er sich entsprechende Gedanken machen kann. Das Rätselhafte, Surreale ist ja gerade gewollt. Die Szene wird geschildert aus der Sicht des Prot, sie wird sich in der Realität anders abgespielt haben.

Aber wie gesagt, vielleicht funktioniert es so einfach nicht. Ich rätsle noch und bin selbstverständlich auch für kritische Kommentare dankbar, so wie hier für deinen.

LG
BeBa

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 10.06.20:
Bitte keine Erklärung!
Aber z.B. könnte man mit einem Halbsatz einbauen, dass der Protagonist gerade verlassen wurde. Das wäre dann ein ausreichend starkes Motiv.

 BeBa ergänzte dazu am 10.06.20:
Das ist ein guter Hinweis. Jetzt wird mir klarer, an welcher Stelle es haken könnte. So etwas übersieht der Autor selbst ja gern.

Ich werde darüber noch mal nachdenken. Danke.

Antwort geändert am 10.06.2020 um 23:10 Uhr

 BeBa meinte dazu am 10.06.20:
Ich habe den Text minimal geändert und hoffe, die kritische Stelle wird jetzt verständlicher.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 11.06.20:
Neeee, das muss schon in die ersten ein, zwei Absätze!

 BeBa meinte dazu am 11.06.20:
Ich denke darüber nach.

 BeBa meinte dazu am 11.06.20:
... wollte sowieso noch ein paar kleine Änderungen vornehmen. IIch hoffe, nicht zu viel daran rumzubasteln.

 monalisa (09.06.20)
Hallo BeBa,
als hektisch habe ich es eigentlich gar nicht empfunden. Es stimmt schon, da geht ein Sog durch den ganzen Text, der Anhalten (Verweile doch, du Augenblick, ...!) unmöglich macht, mit dem Protagonisten trudeln die Leser*innen durch die ein wenig surreale Nacht. Vielleicht ist Alkohol, sind Drogen mit im Spiel? Der Prot. bewegt sich in einem Strudel, wird bewegt, an so machem, das sein Leben berührt (hat), vorbeigespült, der Sog verstärkt sich, ehe er ihn ausspuckt, sich selbst vielleicht ein kleines bisschen näher, oder auch fremder ...?
Ich jedenfalls bin gern ein wenig "mitgestrudelt" und bleibe in nachdenklich-melancholischer Stimmung zurück.

Liebe Grüße
mona

 BeBa meinte dazu am 10.06.20:
Hallo mona,

deine Gedanken zum Text drücken genau das aus, was ich mir hier gedacht habe. Es könnten durchaus Drogen, Alkohol o.ä. im Spiele sein. Daher auch diese "Strudelei".

Ich danke dir für deine Ansicht.

LG
BeBa
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