Weglaufen

Text zum Thema Kinder/ Kindheit

von  Moja

Verschwinden, abhauen, weglaufen, das Mädchen hat es selbst einmal ausprobiert, da ist es fünf oder so. Es geht einfach über den Hof durch den Hausflur hinaus auf die Straße. Es dreht sich nicht um zum Küchenfenster, wo die Großmutter hantiert. Es ist früh am Vormittag, die Sonne scheint und es ist warm. Das Mädchen verspürt eine unbekannte Vorfreude und macht sich auf. Es geht die Straße entlang bis zur Ecke, überquert die Fahrbahn und bleibt vor dem Schaufenster der Drogerie Kober stehen. Hier kauft die Mutter immer ein. Daneben der Friseur, es erkennt den großen Stuhl, auf dem es sonst sitzt, scheu, und warten muss, bis Vaters Haare geschnitten sind und der Herrenfriseur die Kleine dran nimmt. Ziellos läuft das Kind weiter. An der Ecke zur Allee, vor dem Eingang des Postamts, bleibt das Mädchen stehen und hört Autos vorbeirauschen. Eine freudige Aufregung erfasst es, ein neues Gefühl. Es biegt in die Allee ein, läuft geradeaus weiter bis zum Kaufhaus, in das die Mutter es mitnimmt, in die Wäscheabteilung im Hochparterre, wo sie weiße kunstseidene Unterröcke aussucht. Das Mädchen staunt und freut sich, wie weit es alleine kommt. Ohne Angst geht es weiter. Wie es zurückkommt, ob die Großmutter ihm nachläuft oder es einfach umkehrt, ist ungewiss.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (08.06.20)
Große Aufregung. Hoffentlich geht das gut. LG Gina

 Moja meinte dazu am 08.06.20:
Ging es, Gina, sonst wüßte ich es noch...:-)
Gruß, Moja

 IngeWrobel (08.06.20)
Für einen erwachsenen Menschen, dazu noch in fortgeschrittenem Alter, (pardon = diskreter Blick auf Deine Biographie) ist es gar nicht einfach, sich in die Welt eines kleinen Kindes hinein zu versetzen bzw. in die eigene Kindheit mit dem Denken und Fühlen zurück zu versetzen.
Dir ist das hier so perfekt gelungen, dass ich Dir, Deinen Zeilen, gerne folgte.
Liebe Grüße
Inge : )

 Moja antwortete darauf am 08.06.20:
Vielleicht hat die Lust, immer weiter alleine fortzugehen, hier angefangen, Inge. Das wollte ich erkunden.

Freut mich, dass Du ein paar Zeilen "mit abgehauen" bist....:-)

Lieben Gruß,
Moja

 Graeculus (08.06.20)
Du schreibst einen gut wiedererkennbaren und angenehm zu lesenden Stil.

 Moja schrieb daraufhin am 08.06.20:
Dankeschön! Ich arbeite dran.

Lieben Gruß,
Moja
Sätzer (77)
(08.06.20)
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 Moja äußerte darauf am 08.06.20:
Dann bist Du aber weit herum gekommen - und später im Leben auch

Danke, lieben Gruß,
Moja

 FrankReich ergänzte dazu am 02.07.20:
Flensburg? Alter Schwede, da wäre ich dann wohl auch locker ausgebüxt, denn es hat statt Haue sicher nur Punkte gegeben, nicht wahr? 😂 Ciao, Frank

 Moja meinte dazu am 03.07.20:
Danke, Ralf, besonders für Deine kleine Geschichte, die hat mir gefallen!

Lieben Gruß,
Moja

 franky (08.06.20)
Hi liebe Moja!


Ich bin mal von der Schneiderin als Kind abgehauen, sie wollte nur, dass ich ein paar schritte mit der mit Stecknadeln provisorisch zusammengesteckten Hose herumgehe, um zu sehen wie der Schnitt passt. Und ich bin schnurstrax aus der Wohnungstür bis nachhause gelaufen. Meine Mama hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wie ich da mit den provisorisch zusammengesteckten Stoffteilen angekommen bin.
Ich habe das Gegenteil gemacht und bin zielsicher nachhause gelaufen.
Jahre später bin ich dann auch zielsicher in die weite Welt gezogen.

Dein Text hat mir ein leichtes Schmunzeln auf das Gesicht gezaubert;-)

GLG Franky

 Moja meinte dazu am 08.06.20:
Bei Deinem Text musste ich auch schmunzeln, lieber Franky!

Auweia, mit Stecknadeln in den Hosenteilen weglaufen nach Hause, das muss ja gepiekst haben. Und damals wurden die Sachen noch bei Schneidern gefertigt, auch so eine alte Geschichte. Ich musste immer Stecknadeln zureichen.

Dankeschön!

Liebe Grüße,
Moja
Agnete (66)
(08.06.20)
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 Moja meinte dazu am 09.06.20:
Lieben Dank fürs Einfühlen in das Kind, freue mich über Deine Gedanken.

Moja grüßt!

 AvaLiam (09.06.20)
Liebe Moja...

...die ersten Zeilen erinnerten mich an mein eigenes Weglaufen, was allerdings anderer Natur war. Sie brachten mich auf eine Idee und ich habe diese erst einmal in meinen eigenen Zeilen festgehalten bis ich deine weiter las.

Am Ende deiner Worte stellte sich mir die Frage:

"Warum nicht einfach mal wie dieses Kind sein?"

Mit der Leichtigkeit, wie sie einem im Lesen deines Textes gelingt, und mit Naivität deines Prots - oder Neugierde? - loslaufen, rennen und sich das Stück Leben und Welt erschließen, dass einen glücklich machen kann, ohne Bedacht auf Nachteile und möglichem Versagen.
Es einfach tun - auf und davon und los auf neue Wege.

DAS nehme ich mir mit aus deiner kleinen, endlosen Geschichte.

Danke - liebe Grüße, Ava
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