Neues Level

Erzählung

von  minze

Wir fahren zum Meer. Endlich wieder hier, wenn auch nur eine Woche. Wir sitzen auf der Terasse, bei der Brise mit Regenjacke, endlich wieder Muscheln mit Pommes. Wir trinken Pastis, die Sonne entgleitet immer wieder den Wolken. Ich bin gerührt, es erinnert mich an unsere ersten Ausflüge, aber alles ist anders, jetzt. Wir leben zusammen, wir haben unseren Ort gefunden. Eigentlich will ich übermütig werden, würde hier im Restaurant sitzen bleiben, würde einfach mindestens eine Flasche Wein runtertrinken, mit dir, hier. Deine Augen sind hastig, manchmal da draußen in der Ferne. Ich setze mich über Eck mit dir, mal sehen, wie das mit dem Essen klappt. Ich mag die Nähe zu dir, wenn wir im Restaurant sitzen, du weichst Intimtäten beim Essen meist aus, aber es scheint jetzt in Ordnung zu sein.
Nach dem Mittagessen sitzen wir wirklich einfach so da. Cappuccino, weiter Wein, wir lesen. Manchmal leg ich das Buch weg und schau dich an und würd‘ auch gern mich sehen - weil diese Szene so ungewöhnlich für uns ist. Du schaust immer wieder aufs Handy. Bist an einer Biographie von Hendrix dran. Ich frage dich, ob du nicht abnehmen willst. Ist nur Christine!, deine beste Freundin, wir treffen uns morgen. Auf dem Heimweg benutze ich dein Handy. Es war Miriam. Sie hat dich drei Mal angerufen, hat es versucht. Miriam habe ich nie kennengelernt. Eine Bekanntschaft von einer Geburtstagsparty, ihr wart an einem Wochenende zusammen wandern.

Eigentlich hätten wir nach dem Wein nicht Auto fahren dürfen. Ich fahre, das richtet meinen Fokus auf die Straße aus. Schaue nachts in deinem Handy die SMS durch. Ich werde nachts wach und schlafe nicht mehr ein. Bis ich es lese. Deine löscht du immer. Sie schreibt verworren, dass es alles ist, alles sein kann, große Gefühle und vielleicht ...ich küsse dich! Am nächsten Tag gehen wir mit deinen Neffen in den Zoo. Abends direkt zu Christine und Leon, weiter trinken. Wir erzählen von unserer Wohnung mit dem Garten, Hängematte, Gartenzwergen und die sitzen so ungläubig da, sie starren und staunen. Sie freuen sich einfach für uns. Wir planen, Silvester zusammen zu feiern. Ist auch egal, wenn wir nur zu viert sind, jetzt, wo wir weggezogen sind, sind diese Momente immer feierlich. Ich ziehe mich zurück, wenn ihr rauchen geht. Bei Christine läuft so eine Bildershow auf dem PC, die 30ger Geburtstage, euer Urlaub in Korsika. Es ist so penetrant. Mir wird schlecht. Ich überlege mir zwei, drei Zigarettenpausen, ob ich mich entschuldigen soll. Du folgst mir dann relativ früh ins Bett und ich möchte mit dir schlafen. Du freust dich. Es klappt echt gut. Aber schon währenddessen muss ich weinen, dann ärger noch, meine Fassung bricht, ich sage dir alles und frage, frage Ich will, dass das nicht aufhört?! –
Du stehst mit einem Sprung neben uns, so sehr neben uns, dass ich das erste Mal Angst habe vor dir. Mach das nie wieder! Ich schäme mich. So passieren Dinge, die du nicht wegabern kannst. Ich fühle mich getrennt an, getrennt von dir, ich halte das nicht aus. Ich will an dir kleben, wieder und lange, es verlangt mich so danach, aber das Fenster ist vorbei, ich weiß gar nicht, wie ich dich anfassen sollte. Du schimpfst, ich zergehe darin. Irgendwie will ich es nicht, will nicht zergehen, weil es schon passiert ist. Vorbei ist. Und schon mag ich, dass es weitergeht. Wenn du ein klein bisschen weniger wütend wärst, würde ich an dir rütteln, aber ich kann nicht abschätzen, wie du reagierst. Und dann übernimmt der Kummer und ich klage, klage endlich. Und du nimmst es nicht an dich. Wir lassen das. Ich will mich gar nicht mehr anziehen. Du hast keinen Sinn dafür.

Ich sage Christine, dass wir kein Frühstück brauchen. Wir gehen ungewaschen, man sieht es uns an. Ich frage dich im Auto, wie wir jetzt vor den andern sind. Was soll das? Keiner von uns beiden will fahren, keiner bleiben. Wir rauchen im Auto, auf meine Initiative hin. Ich kann das natürlich nicht, ich huste, es bringt kein Lächeln. Leon geht raus, er schaut kurz nach uns, er holt Croissants. Er sieht verstört aus, als er mich mit Zigarette sieht. Ich lächle doch und du fährst los.

Wir sind auf den Geburtstag eingeladen. Hüttengeburtstag, im Wald, direkt nach unserem Heimaturlaub. Ich warte darauf, ob wir ihn absagen, dann gehen wir hin. Wir holen Miriam ab. Sie wirkt aufgeregt, aufgeregt, mich kennenzulernen und zeigt mir ihre Wohnung, das Kinderzimmer von Riva. Rivas Vater nimmt sie an dem Wochenende. Ich sehe überall Körner und Flocken, sie ist mindestens Veganerin. Riva hat mit ihr aus Besteck und Tropfsieb eine schöne Lampe gebastelt. Ich treffe die Entscheidung, dir zu vertrauen. Ich will das. Aber ich werde es dir nicht sagen. Miriams Wohnung riecht so wie meine zu Studentenzeiten. Räucherstäbchen. Ich muss auf einmal lächeln. Fuck. Als wir bei der Hütte sind, die Nacht anbricht, nimmt sie deinen Schal und Miriam ist so filigran, dass sie sich fast ganz darin einwickeln kann. Sie malt mit Kajal so Punkte neben die Lider. Erst als das Feuer an ist, setze ich mich zu ihr und frage, wie alles kam, mit Riva und mit der Trennung zu Rivas Vater. Miriam ist ein bisschen bekifft, weich. Sie hat nichts Festes und erzählt mir von ihrem wankelmütigen Herz, den zwei Männern, zwischen denen sie jetzt steht und ich zähle eins, zwei, drei. Ich kann ihr nichts raten, ich kann nur zuhören. Ist dir auch kalt? Sie rutscht zu mir.
Heute Abend schließe ich das ab. Wir finden wieder zueinander. Nur kurz sprechen wir über sie. Ich sage dir, dass es mir wichtig war, sie unvoreingenommen kennenlernen. Du nickst. Du sagst, sie lebe in der Gummibärenwelt. Ich finde den Begriff komisch. Es reißt mich heraus aus dem Bild, was ich von ihr habe. Mein Ekel kommt, als ich deinen Schal als Kissen nehmen möchte, als wir uns im Zelt schlafen legen. Er riecht so stark danach –

Wir passen einmal auf Riva auf, als Miriam am Wochenende Dienst hat. Sie hat mich angeschrieben. Sie wisse, dass sich Riva bei mir wohl fühle und dich kenne Riva ja schon. An dem Wochenende ist es so heiß. Riva schläft nackt zwischen uns, tags gehen wir an den See. Riva kann vor Hitze kaum einschlafen, ich streichele sie in den Schlaf, ihre weißgelben Locken. Sie singt mir etwas vor. Riva ist vier und hat noch nie woanders geschlafen. Am See legen wir mit den Steinen kleine Becken für die Kaulquappen an und lassen die Minifische durch die Finger gleiten. Ich öffne mich Riva. Es wird leichter, als Miriam sich für einen Mann entscheidet. Er hat auch zwei Kinder und ist Imker, wie geil ist das. Er ist derjenige, der uns erzählt, wie frei er die Liebe sieht. Es ist egal, ich glaube Miriam, dass sie wirklich eine Konstante in ihrem Leben will. Wir haben es davon, als wir zu viert in die Therme fahren. Als sie uns den Saunapass leihen und wir schüchtern in der Nacktenlandschaft rumlaufen, in der vorher Miriam und der Imker waren, stelle ich mir vor, wie offen die beiden sind. Ich kann die neuen Phantasien besser verarbeiten.


Anmerkung von minze:

ich trauere gerade dem Wort wankelmutig etwas hinterher, dank Mona erfahre ich erst jetzt, dass es dieses Wort nicht gibt. es heißt wankelmütig. Fast würde ich gerne in diesem Text dem für mich schon immer existenten Wort wankelmutig eine Berechtigung geben. Aber ich neige mich doch der sprachlichen Wahrheit der Mehrheit. Boah ich ging immer davon aus, .... ---

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (16.06.20)
Mir persönlich wieder zu hastig erzählt, verhechelt. Aber immerhin sorgfältiger gemacht als frühere Texte. Bechtel-Test würde er aber nicht bestehen. Gut getroffen dieses kettenrauchende Halbalkoholiker-Milieu.

P.S.:
immerwieder -> immer wieder

 minze meinte dazu am 16.06.20:
Was findest du denn sorgfältiger?

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 16.06.20:
Nun ja, es sind viel weniger Fehler als zuletzt.

Stilistisch näherst Du dich einem Judith-Herrmann-Ton an.

 minze schrieb daraufhin am 16.06.20:
ich muss mich bessern, bei all den Fehlern.

Antwort geändert am 16.06.2020 um 14:43 Uhr

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 17.06.20:
Das ist ein guter Vorsatz.

 Owald (23.06.20)
Auf jeden Fall gibt es Wankelmut.

 minze ergänzte dazu am 24.06.20:
Ahhh.tröstlich!! Freu mich,dass du den Text magst ;)

 monalisa (24.06.20)
Hallo minze,
nach der Überarbeitung ist mir nun einiges klarer. Schauplätze, Personen, Episoden sind zu einem bunten Fleckerteppich verwebt, schillernd und bunt erscheint auch die Ich-Erzählerin in ihrer Suche nach dem, was sie selbst, was das/ihr Leben ausmacht/ausmachen soll. Da wird Unsicherheit und das Ringen um Vertrauen/Zutrauen in/zu sich slebst und ihren/m Partner spürbar und ein Sich-Zusammenraufen im Strudel der Ereignisse.

"... und würd‘ auch gern mich sehen - " finde ich fein beobachtet und umschrieben.
Leider hast du auch eine meiner Lieblingsstellen im Zuge der Überarbeitung entschärft. Ich trauere dem "Du stehst mit einem Sprung neben uns" aus der Ursprungsfassung nach, das ist so viel blidlicher als "... mit einem Mal ..." !
Die "Gummibärenwelt" finde ich ausdrucksstark, verblüfft die Erzählerin und lässt die (vermeintliche) Nebenbühlerin viel weniger ernstzunehmend/harmloser erscheinen.
Ich will an dir kleben, wieder und lange, es verlangt mir so danach, aber das Fenster ist vorbei, ich weiß gar nicht, wie ich dich anfassen sollte.
da hat sich noch ein Flüchtigkeitsfehler verfangen, müsste
es verlangt mich nach dir
heißen.

Naja, Prosa ist nicht so sehr mein Fachgebiet, auf alles ganz genau einzugehen wäre außerdem sehr zeitaufwändig, ich hoffe, dass dir ein paar Anhaltspunkte, herausgegriffen, auch ein Feedback geben können.

Liebe Grüße
mona

 minze meinte dazu am 24.06.20:
Hallo,ich möchte eigentlich die Formulierung mit dem Sprung.Dann dachte ich,es sei zu bildlich,mache doch in der Erzählung keinen Sinn. Dass du es so liebevoll aufgenommen hast,lässt mich wieder umschwenken. tatsächlich war ich mir sehr unsicher mit der Formulierung zu dem verlangen.danke für den Hinweis,dann will ich dir mal trauen. Ich freue mich über dein Feedback,deine Eindrücke und auch genaue Blicke,selbst nur auf Einzelnes. ich bin auch keine Fachfrau. und suche und ringe um meine Sprache/Erzählstil. danke.

Edit: verlangt MIR danach stimmt doch??hm

Antwort geändert am 24.06.2020 um 21:41 Uhr
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