Der verhinderte Schriftsteller

Anekdote zum Thema Schreiben

von  eiskimo

Nichts. Ich wusste nicht, was ich schreiben sollte. Mir fiel einfach nichts ein. Das kommt vor. Normalerweise hätte ich mich hingesetzt, die Kladde vor mir auf dem Tisch, und ich hätte mit dem Kuli auf dem leeren Papier Schattenspielchen gemacht. Oder leise vor mich hin getrommelt.
Aber diesmal war es echt vertrackst. Ich wusste nicht nur nicht, was ich schreiben sollte – viel schlimmer noch: ich fand auch meinen Kuli nicht.
Und da entstand prompt dieses Horror-Szenario in meinem Kopf – Schriftsteller vor einem weißen Blatt sitzend kennen das: Du hast genau in dem Moment eine zündende Idee, Eureka! Du findest auch sofort einen perfekten Anfang... aber noch immer nicht deinen Kuli. Und ohne Kuli, wie dann diesen so flüchtigen Geistesblitz festhalten? Wie diesen genialen Moment für die Menschheit konservieren?  Er wäre verloren für immer!
Was also tun? Ich zwang mich brutal, jegliches Denken an eine möglicherweise verwertbare Textidee einzustellen. Im Kopf nur ein Befehl:  Radikal reduziert und ausschließlich nach meinem doofen Kuli suchen! Bloß keinen Hinter-Gedanken ans Schreiben zulassen! Alle Sinne sklavisch auf das verschollene Schreibwerkzeug konzentrieren.
Nach siebeneinhalb Minuten – gefühlt 37! - fand ich das Miststück. Lange wertvolle Minuten vertaner Zeit, die ich sehr gut in meine stockende Schriftsteller-Karriere gesteckt hätte. Wie viel literarisches Potential hatte ich da wieder unnötig vergeudet.
Unwiederbringlich?
Nein! Als Ausgleich für diesen Shutdown und gleichsam als Strafarbeit für meinen treulosen Kuli habe ich dann einfach genau dieses Missgeschick in Worte gefasst, ja, es auch genüsslich per Hand niedergeschrieben. Voilà! Das bleibt jetzt in den Annalen.
PS: Ich habe auch schon eine Überschrift gefunden, schön doppeldeutig: Als ich mal nicht schreiben konnte.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (27.06.20)
Solche Momente sind halt auch wichtig. LG

 Moja (27.06.20)
So gerät man wieder in Fluss, beim Schreiben über eine Schreibblockade.

Moja grüßt

 IngeWrobel (27.06.20)
Gerne und mit Schmunzeln gelesen!

Liebe Grüße ins Wochenende
Inge : )

 BeBa (27.06.20)
Sch... auf den Kuli (und das t im Titel). Besorg dir ein Notebook, häng es an den Strom, besorg dir Speicher in der Cloud und alles ist gut. Ganz sicher!

Kommentar geändert am 28.06.2020 um 01:21 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 30.06.20:
Danke für den (T) Tipp. Aber ich bin da hoffnungslos altmodisch. Texte ent.stehen per Kugelschreiber. Übertragen werden sie per Tastatur
ciao
Eiskimo

 susidie (28.06.20)
Für Notfälle empfehle ich die Sprachaufnahmefunktion des Handys, oder das gute alte Diktiergerät.
Nachvollziehbare Anekdote, es grüßt dich, Su :)
Agnete (66)
(28.06.20)
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 AvaLiam (30.06.20)
Wer kennt dieses Szenario nicht?
Du hast mein vollstes Mitgefühl!

Aber genauso schlimm finde ich es, wenn du aufwachst und du hast einen, mit deinem Blickwinkel tollen Gedankengang - du stehst auf, um ihn aufzuschreiben, weil der Kuli, der immer am Bett liegt, gestern am Telefon noch gebraucht wurde. Du quälst dich aus dem Bett, stehst am Telefon, nimmst den Kuli in die Hand, einen Notizzettel und setzt an: ... WEG...
Totales Blackout. Gedanke weg. Du dafür aus dem kuscheligen Bett raus obwohl noch 30 min Zeit zum Dösen gewesen wären.
Auch geil!

Ja - so ein Schreiberling hats schon nicht leicht.

Liebe Grüße - Ava

 eiskimo antwortete darauf am 30.06.20:
Dein Beispiel lässt mich meine Geschichte noch schlimmer nachempfinden als sie war...
Aber die Kulis sind nie da, wo sie zuletzt waren!
unverdrossene Grüße
Eiskimo
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