Die Brücke

Kurzprosa

von  BeBa

Gestern habe ich erneut mein Bündel gepackt, zum Abschied in die Ecke dieses verdammten Rattenlochs gespuckt und mich davongemacht. Ohne Ziel. Eine dieser Entscheidungen, die einem ein paar Kilometer später oft schon wieder leidtun. Die man dann trotzdem nicht mehr ändert, weil eine Rückkehr die schlimmere Hölle wäre.
Mir kam, um es klar zu sagen, nicht eine Sekunde in den Sinn, umzukehren. Ich erinnere mich nicht, jemals so entschlossen gewesen zu sein wie auf diesen Kilometern am Fluss entlang. Es wurde schon Nacht, eine warme Sommernacht. Am Himmel Sterne statt Wolken. Das trieb mich weiter voran.
Bis ich nach etwa einer Stunde an die Brücke kam. Diese Brücke überquert man nicht! Oft hatte ich den Satz gehört, so wie jedes Kind. Noch die Jugendjahre sind von dieser Warnung geprägt und für die Erwachsenen ist sie Religion.
Jetzt stand ich hier: Lang war sie, die Brücke, und irgendwo weit hinten verschwand sie im Dunkel. Diese Brücke überquert man nicht!, aber mir kam zugleich das Rattenloch in den Sinn. Dann ein Schritt … und noch einer. Ich nahm Fahrt auf. Mein Ziel war die Dunkelheit, doch sie blieb unerreichbar.
Am Ende stand ich dort: Ebenso hell wie die gegenüberliegende Seite, die ich vor Minuten verlassen hatte.
Und jener tauchte auf, der meinte: „Willkommen! Zur Unterkunft?“
Ich schaute ihn an, wandte mich noch einmal um.
„Lass es! Diese Brücke überquert man nicht!“, meinte er und lachte. Oder kicherte. Lief los, ich hinterher.
Immer am Fluss lang. Ich hatte Mühe zu folgen. Er lief und schaute sich nicht um, für mindestens eine Stunde. Dann verließ er den Flussuferweg. Wir landeten in einer dunklen Gasse. Vor einem alten, verfallenen Haus blieb er stehen, zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und öffnete die quietschende Tür.
„Zuhause!“, meinte er. Ich nickte erschöpft.
Heute erwache ich ganz sicher wieder in diesem verdammten Rattenloch.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (28.06.20)
Besser so, als sich vorwerfen zu müssen, die Überquerung der Brücke nicht versucht zu haben.
LG
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 28.06.20:
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 BeBa antwortete darauf am 30.06.20:
In der Tat, Ekki.

LG
BeBa

 AchterZwerg (28.06.20)
Super!
Trial and error - ein ewiger Kreislauf. Und dann der schüchterne Wunsch, aus seinem selbst gebautem Hamsterrad auszubrechen, etwas wirklich Neues zu wagen ...
Am Horizont lauert schon die Furcht, dass trotzdem alles beim Alten bleiben wird.

Liebe Grüße
der8.

 BeBa schrieb daraufhin am 30.06.20:
Hi,

8. Danke dir für dein Lesen und den Kommentar.

LG
BeBa
Jo-W. (83)
(28.06.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 BeBa äußerte darauf am 30.06.20:
Ja, die sieben Brücken ...

Danke dir, Jo.

LG
BeBa
Aha (53)
(28.06.20)
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 BeBa ergänzte dazu am 30.06.20:
Gracias, Aha.

Freut mich, dass dir der Text gefällt.

LG
BeBa
Fisch (55)
(28.06.20)
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 BeBa meinte dazu am 30.06.20:
Danke dir, Fisch. Gruß zurück.

LG
BeBa

 juttavon (29.06.20)
Gut geschrieben!

HG Jutta

 BeBa meinte dazu am 30.06.20:
Danke, liebe Jutta.

LG
BeBa

 AvaLiam (30.06.20)
Hallo Beba,

Eine interessante Betrachtung.

Irgendwie geht man mit dir zusammen den Weg, über die Brücke und dem Dahinter entlang und doch geht man allein, mit seinem eigenem Gepäck auf etwas Unbekanntes zu, dem man genauso viel Irrweg zumutet, wie man bereits gegangen ist.
Es ist soviel Deutungsspielraum. Jeder kann seine oder zumindest eine seiner Geschichten finden in deinen Zeilen.
Am Ende steht die Vergeblichkeit.

Ein Alptraum, ein Teufelskreis.
Du kannst nicht bleiben wo du bist - doch ein Fortgehen führt dich weg zum Ursprung.

Vielleicht springen deshalb Menschen von Brücken oder schlafen unter selbigen?

Weil es kein Vor und kein Zurück gibt.

Interessante Bilder, die du malst und interessante Gedanken, die sich in deinen Bildern finden.
Gefällt mir sehr, sehr gut.

Liebe Grüße - Andrea

 BeBa meinte dazu am 30.06.20:
Ich danke dir sehr für deinen netten und ausführlichen Kommentar.

LG
Beba
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