Vier Stunden

Beschreibung zum Thema Schicksal

von  LotharAtzert

Unser Haus ist eine Doppelhaushälfte. Meine Schwester mit Hund Rory wohnen über mir und die Nachbarn, ein Rentnerehepaar drüben in der andern Hälfte. Für gewöhnlich gehe ich gegen halb Eins schlafen und stehe ca, um 8 Uhr am Morgen wieder auf, während weiter oben die Dielen bis halb Drei knarren.
Vier Stunden nach halb Drei knarren die Türen der Nachbarn, Badewasser rauscht dazu, es wird laut von Zimmer zu Bad gerufen, da ja das Wasser rauscht, der Staubsaugerwagen in Ecken knallt und diverse andere Geräusche dringen durch die viel zu dünne Wand, Geräusche, deren Herkunft unklar ist, dafür umso unmissverständlicher den letzten Schlaf verdrängen.
Vier Stunden Ruhe. Kein Flugzeuglärm, keine angelassenen Porsches, nur Stille - und kein Schläfer hört es.

Unausgeschlafen beginne ich mein Tagwerk - Darjeelingteeblätter in die Kanne, Wasser in den Kocher, drei Brotscheiben schmieren, Aufstrich drauf, kleinschneiden (wg. Gebiß), Tee abseien  und so weiter und so fort. Zum Gähnen, dieser Tag. Dabei wollte ich doch heute einen Supertext schreiben, die Idee weg, das kann ich mir abschminken. Nur weil die einen das heilende Dunkel der Nacht mithilfe von Stromerzeugnissen zur Unzeit "erhellen" (was der Erde immens schadet) und die andern, um frühzeitig vor den schädenaufzeigenden Bildschirm zu kommen, dafür muß frühmorgens um halb Sieben rasendschnell erst der eigene Körper und dann sein Umfeld "sauber gemacht" werden.
Dabei - vielleicht hätte der nun ungeschrieben bleibende Text Leben gerettet. Indem die Worte vielleicht zum Verstande durchgedrungen wären: bring dich und andere nicht um, schau lieber wie du hineingerietest, denn so nur kannst du auch wieder hinausgelangen.

Dann aber kommt irgendwann der Moment, wo mir Buddhas Lächeln, das dem Ausdruck der Mona Lisa seltsamerweise ähnelt, ins Bewußtsein springt und zeigt: lass es sein, wie es ist, entspann dich, schlafe ein bißchen, oder bleib einfach hier, erdulde sie, die Müdigkeit, denn bis hier in die Gegenwart ist es die Frucht alten Karmas. Doch sobald du dich über den Lärm empörst oder gar Mangel an Stille beklagst, (Stille wird vom Lärm nicht berührt) pflanzt du neues Ungemach ins Werden. Statt dessen - sei hier jetzt und froh. Trinke ein bißchen Wein auf das Wohl Aller.

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Kommentare zu diesem Text


 BeBa (22.07.20)
Und lass ihn dir schmecken!

 LotharAtzert meinte dazu am 22.07.20:
Danke BeBa. Auf dein Wohl!

 AchterZwerg (22.07.20)
Zum Thema Lärm - (und Qualm-) belästigung könnte ich aus dem Stehgreif allerhand beisteuern. Lasse das aber lieber.

Milde Grüße
der8.

 Graeculus antwortete darauf am 22.07.20:
Falls Dich sowas interessiert: Stegreif. Mit Stehen hat das nichts zu tun, eher mit Steigen.

 Regina schrieb daraufhin am 22.07.20:
Steigbügel des Reiters. "Aus dem Stegreif" = unvorbereitet.

 LotharAtzert äußerte darauf am 22.07.20:
Ja, hier gibt's was zu lernen. Danke allen, insbesondere dem 8. Zwerg.

Altersmilde Grüße retour
Lothar

 AchterZwerg ergänzte dazu am 22.07.20:
Danke, Graeculus.
das schreibe ich offenbar schon ein Leben lang falsch ...

Geläuterte Grüße
der8.

 Graeculus (22.07.20)
Ein sehr guter Text: schlicht, klar, und zum Sinn der Lehre Buddhas hinleitend.
Da wird dann auch der Unterschied deutlich: Ich stehe anders zum Wert von Dulden einerseits und Empörung andererseits. Man könnte sagen, daß ich in der Kontroverse zwischen Buddha und Heraklit ("Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König ...") ab und zu gerne auf der Seite Heraklits stehe. Kein Leben ohne Streit.
Und: Ein jegliches hat seine Zeit unter der Sonne.

 Graeculus meinte dazu am 22.07.20:
Wenn ich es überlege: Ich glaube, ich hätte aus der Situation einen Text über Alterseinsamkeit gemacht. Licht- und Schattenseiten. Selbst die Zähne haben einen schon verlassen.
Das käme halt meiner Vorstellung von Literatur etwas näher als die Wendung zur religiösen Botschaft.

 LotharAtzert meinte dazu am 22.07.20:
Also Danke erst mal für deine Größe, wo ich dich doch schon öfters hart, ja sogar, wie mancher glaubt, ungerechtfertigt angegangen bin. Es geschieht dies aber nie aus persönlichen Gründen.
"Kein Leben ohne Streit" besagt ja noch nicht, daß man sich oder andere physisch vernichtet, sondern im Falle von klarerem Geiste kann das äußerst inspirierend für alle Beteiligten sein. Das setzt natürlich einiges voraus, was in unserer Zeit selten geworden ist. Ich glaube, mit Heraklit ließe sich da trefflich diskutieren.
Und daß ein jegliches seine Zeit hat, sei unwidersprochen.

Zur Alterseinsamkeit könnte ich nicht viel sagen, da ich selbst lange genug daran gearbeitet haben, meine Ruhe vor den Meinenden zu haben und lieber allein bin, als mit gesellschaftskonformen Menschen Kompromisse eingehen zu müssen. Da bin ich dem Einsiedler wieder näher.

 Graeculus meinte dazu am 22.07.20:
Ja, wenn man lieber alleine ist ...
"Wer einsam ist, der hat es gut,
weil keiner ist, der ihm was tut."
(Wilhelm Busch)

Ist aber ein interessanter Aspekt Deines Themas. Du hättest auch in diese Richtung abbiegen können. Ich hätte es wohl getan, auch wenn ich kein konsequenter, sondern nur ein partieller Einzelgänger bin.

Vermutlich hat Heraklit etwas geahnt (oder tatschächlich verstanden), woraus Charles Darwin später die Evolutionstheorie gemacht hat: Im Kampf, in der Konkurrenz, in der Auseinandersetzung und der Rivalität sind wir Lebewesen gezwungen, unsere Kräfte auf das Bestmögliche weiterzuentwickeln. Nur im Kampf, denn in der Harmonie gibt es keinen Selektionsdruck, keine Notwendigkeit, besser zu werden. Das gilt wohl ganz allgemein, für jeden Kampf. Selbst solidarisches Zusammenstehen ist eine Funktion im Rahmen dieses Kampfes gegen andere. Pointiert formuliert, ist ein guter Feind wichtiger als ein guter Freund.
Was das im Zeitalter von Massenvernichtungswaffen (vom Maschinengewehr bis zur Atombombe) bedeutet, hat Heraklit nicht wissen können. Das müßte man heute nochmal überdenken.

Ich überlege, ob nicht selbst der Buddha eine Spur dieser Einsicht erkennen läßt, denn was uns auf seinen Weg bringt, ist nicht das Glück, sondern das Leiden. Um Leiden zu überwinden, müssen wir uns weiterentwickeln.

Antwort geändert am 22.07.2020 um 18:43 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 23.07.20:
Ich bin ja nicht einsam, Graeculus. Falls dieser Eindruck besteht, so ist er nicht ganz korrekt. Manchmal halt etwas allein und das ist auch gut so. Wie hieß es doch schon bei Lao Tse:
"Um die Welt zu kennen, brauch ich nicht vor die Tür zu gehen" - oder so ähnlich.
Ansonsten bin ich ziemlich deiner Auffassung, was schon auch das Dilemma zeigt: jetzt gerade können wir nicht durch Streit hier richtig was reißen, denn:
"Pointiert formuliert, ist ein guter Feind wichtiger als ein guter Freund. "
So ist es! Und der Rest stimmt auch. Aber ich verspreche dir, wir werden uns sicher auch in Kürze wieder mal streiten. Selbstverständlich nur, um was aus dem Unbewußten rauszukitzeln

Antwort geändert am 23.07.2020 um 10:35 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 24.07.20:
Wir können ja mal eine Pause beim Streiten einlegen.
Kennst Du das "Turn! Turn! Turn!" von Pete Seeger bzw. den Byrds?
Das ist eine Vertonung der Verse des Kohelet darüber, daß ein jegliches seine Zeit unter der Sonne hat.
Einfach schön!

 LotharAtzert meinte dazu am 24.07.20:
Ja. Vom Tamburin-Mister bis "Turn! Turn! Turn!" kenne ich sie alle. (war schließlich auch meine Zeit als junger Mann)
Mir fällt dazu noch ein Sprüchlein von wahrscheinlich Unbekannt ein: Nicht der Ton, die Pausen machen die Musik.

 LotharAtzert meinte dazu am 24.07.20:
Vorsicht übrigens - du kommst der Münchner Rhythmenlehre fast nahe. Ich empfehle den 7-Jahresthythmus mal über einen Zeitraum zu beachten, was da seine Zeit hat , der ist recht gut auszumachen, weil da die Wissenschaft schon auch fündig wurde: alle 7 Jahre einmal komplett die Zellen gewechselt zB..
Den 10-Jahresrhythmus an Wiederkehrendem auszumachen ist schon wieder viel schwerer.
Fisch (55)
(22.07.20)
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 Regina meinte dazu am 22.07.20:
DHH - ein lustiges Wort, das korrekt beschreibt, worum es sich handelt.
Fisch (55) meinte dazu am 22.07.20:
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 LotharAtzert meinte dazu am 22.07.20:
Ha. Danke, danke - dieses lustige Wort fiel mir beim Schreiben tatsächlich noch nicht weiter auf. Und in Mathe hatte ich sowieso nie gute Noten. Können wir vielleicht vom Zeichnen reden, da hatte ich teilweise die Note 1.

Daß Fische, Hamster und Eichhörnchen dieses mal nicht vorkommen, bitte ich zu entschuldigen, werde es im nächsten Text ganz bestimmt nachholen, Ährenwort!

Was die Vermietung angeht, so beschränkte ich mich im Text auf die Nennung der beteiligten Personen. Tatsächlich wohnt im Parterre eine weitere Person und in der südlichen Doppelhaushälfte dauerhaft ebenfalls insgesamt 3 Personen. Ich hoffe, damit für die Freunde der Statistik einen Beitrag zu was auch immer geleistet zu haben.

Mit allerherzlichstem Dankesgruß verbleibe ich Euer sehr ergebener
Lothi

 DanceWith1Life meinte dazu am 23.07.20:
Unsere DHH ist eine ungelöste Gleichung, jenseits der Mathematik, mit Wänden, die Ohren haben und Augen, die das nicht sehen können.
Ich hatte gehofft, das wäre bereits allen klar. (including myself)

Antwort geändert am 23.07.2020 um 11:46 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 23.07.20:
Und in der Dachrinne wohnen noch 28 Spatzen. Ist vielleicht eng, dafür sind sie Miet-Pomaden und haben Luftlinie nur 110 m bis zum Metzggereiinnenhof.
Manchmal, bei Starkregen flutscht ein Vogel durch, hinab bis in die Wassertonne, mit deren Wasser ich meine Plfänzchen gieße. Jetzt wisst ihr, warum ich so ein guter Schreiber wurde.
Oder muß ich erst noch erklären, wie ich Südseeewasser zu Wolken verbringe, die ich dann über dem zukünftigen Wallfahrtsort Bad Vilbel exaktement überm Doppelhaushälftendach abregnen lasse, meiner lieben Pflänzchenprinzessinnen Persephone, Isolde und Vajrawutz zuliebe.

Antwort geändert am 23.07.2020 um 13:10 Uhr

Soviel zum Thema Spatzenhirn.

Antwort geändert am 23.07.2020 um 13:16 Uhr

 DanceWith1Life meinte dazu am 23.07.20:
eine Antwort nach meinem Greschmack, und das ist in diesem besonderen Fall sehr förderlich, denn ich muss noch viel lernen.
danke

 LotharAtzert meinte dazu am 23.07.20:
Quatsch nein, das ist mir nur so rausgequollen, wie der Blattlaus beim Fressen der Honig, den die Ameisen abmelken.
Fisch wollte doch was mit Tieren ...

 DanceWith1Life meinte dazu am 23.07.20:
siehste, so sind wir Literaten, zufällig aber immer bemüht den Wünschen unserer Leser nachzukommen.
und hier sogar noch mit einem blassen Schimmer und Respekt vor dem Lernen,.
Dankesehr.

Antwort geändert am 23.07.2020 um 16:28 Uhr

 Regina (22.07.20)
Die innere Stille, in den Alltag integriert.

 LotharAtzert meinte dazu am 22.07.20:
Ist immer wieder eine Herausforderung. Mal gelingt sie und mal nicht, je nach Tagesform und Konstellation.

Danke dir
LG Lothar
Sätzer (77)
(22.07.20)
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 LotharAtzert meinte dazu am 22.07.20:
O ja, du hast völlig recht - viele Fehler drin. Gestern abend war ich dann einfach wieder zu müde, aber jetzt gehe ich gleich mal dran.
Danke für die Mühe, auch fürs Empfehlen.

Ja typisch - bis auf die Reaktion, wem fällt schon ein Buddhalächeln, bzw. die karmische Folge ein?

LG Lothar
Aha (53)
(22.07.20)
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 LotharAtzert meinte dazu am 23.07.20:
Ist das eine Mischung aus Esoterik und Naturwissenschaft? Also über mein Herzkraftfeld kann ich nicht klagen, zumal die eingeschränkten sozialen Kontakte gewollt sind und Jahrzehnte vor Korona begannen. Das heißt, ganz so stimmt das auch wieder nicht, man hat, sobald man in die Stille geht, einfach andere Kontakte, verborgene Wesen tauchen auf, ähnlich wie plötzlich wieder Delphine in den italienischen Häfen gesichtet wurden, sobald die Etablierten ihre Maschinen stoppten..
Ja, Mondscheinsonate mag ich auch.
Graec und ich … lustig, ja ja - muß ihm noch antworten, aber erst mal der Reihe nach.
Grüßle auch vom … ach ja von mir halt. Und herzkraftfeldlichen Dank.
wa Bash (47)
(22.07.20)
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 LotharAtzert meinte dazu am 23.07.20:
Schüttelmeditation klingt lustig. Aber ja, ich kenne sie, die Schüttler, auch wenn das bei mir höchstens mal zu einem Zucken reichte.
Es ist klar, man muß das bewältigen, was einem das Schicksal serviert und kann nicht sagen: "ich hätts aber gern ein bißchen so und so. Im Dzogchen gibt es einen Spruch, ich kann ihn nur dem Sinne nach zitieren, der umreißt das noch mal:
"Wenn du erst noch eine Sitzposition einnehmen mußt, so ist das keine Dzogchen-Meditation mehr." - es geht also ums reine Gegenwärtigsein.
Danke dir

 AZU20 (23.07.20)
Prost! LG

 LotharAtzert meinte dazu am 23.07.20:
Prost Armin, auf dein Wohl!

Danke
LG L
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