Ein unvermutet treuer Geselle

Anekdote zum Thema Treue

von  EkkehartMittelberg

In diesem Urlaub habe ich jemanden kennengelernt, der unglaublich treu war. Sie werden sich fragen, wie man das nach kurzfristigen Ferien glaubwürdig beteuern kann. Doch gedulden Sie sich einen Moment.
Kurz nach Beginn einer mehr als einstündigen Wanderung setzte sich ein Schmetterling aus der Familie Pfauenauge auf meinen Arm, der durch einen Wanderstock regelmäßig bewegt wurde. Mich erfreute der schöne Anblick meines Begleiters und ich zweifelte nicht daran, dass er nur von kurzer Dauer sein würde. Aber weit gefehlt. Er hatte sich bei mir häuslich niedergelassen. Nachdem er eine Viertelstunde ausgeharrt hatte - wie lang ist das in einem Schmetterlingsleben - stellte ich die Treue meines Gesellen auf die Probe, indem ich meinen Arm heftig hin und her schwang. Doch der Falter ließ sich nicht beirren. Jetzt war ich natürlich gespannt, wie lange er es bei mir aushalten würde und ich entschied mich wieder für eine regelmäßige Armbewegung, um ihn nicht unnötig zu verschrecken.
Sie werden es schon ahnen: Meine Duftstoffe hatten ihn betört. Er wollte nicht von mir lassen. Als ich schließlich mein Auto erreichte, musste ich unsere angenehme Geselligkeit beenden. Ich streifte ihn sanft mit meiner Hand von dem Arm und er er gaukelte davon.
Mehr als eine Stunde seines kurzlebigen Schmetterlingslebens blieb er mir treu, ein Wesen, das in Fabeln und Schlagern als flatterhaft gilt.

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Kommentare zu diesem Text


 AvaLiam (28.07.20)
Lieber Ekki.

Es ist so eine zarte, schöne Geschichte. Ich möchte sie nicht wirklich kaputtmachen mit den dümmlichen Gedanken, die Schabernack mit meiner Phantasie treiben.
Aber um so länger ich mir dieses Bild anschaue von euch beiden, um so mehr wills aus mir herausplatzten.

Wandern - Schweiß - zusammengeschweißt
Endlich erschließt sich mir dieser Zusammenhang.

Sorry, Ekki.

Ja, Schmetterlinge können mit einem gewissen Wohlgefühl auf ihre Weise entschleunigen und gaaanz zur Ruhe kommen.
Deine besonnene Art hat dich selbst zum Schauplatz dafür gemacht. Ein Schmetterling - so leicht verletzlich.
Jeder Moment seines Innehaltens stand für Augenblicke, in denen du je still geflucht und still gemahnt hast.
Eine großes Kompliment und eine Selbstschau auf deinen eigenen Umgang mit Lebewesen.

Ich nehme deine kleine Anekdote als Betthupferl und vielleicht sogar verirrt sich ein Schmetterling in meinen Traum.

Gute Nacht

Kommentar geändert am 28.07.2020 um 01:00 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.20:
Merci, Ava, du hast die Begabung,in deinen Kommentaren das Feine zu sublimieren und das Kreatüriche (Wandern - Schweiß - zusammengeschweißt) unumwunden auszusprechen. Mir gefällt das wegen meines Ideals von Dichtung. Ich schätze von Zeit zu Zeit die Ästhetisierung der Wirklichkeit, aber wir verkämen im Schwulst, wenn wir sie nicht auch naturalistisch benennen würden.. Früher konnte man sich die literarischen Epochen nur als Ablösung der einen durch die andere vorstellen. Heute gibt es die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Sichtweisen zu probieren. Ich genieße die heutige Freiheit der Darstellung und Kommentierung.
Herzliche Grüße
Ekki

 TrekanBelluvitsh (28.07.20)
Einfach eine schöne Geschichte.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 28.07.20:
Danke Trekan, mehr soll diese kleine Anekdote auch nicht bewirken.

 BeBa (28.07.20)
Schöner Text, Ekki. Da hat es dieser Schmetterling (umgerechnet in seine Zeit) lange mit dir ausgehalten.

... und er gaukelte davon

Schön.

LG
BeBa

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.07.20:
Grazie, Beba, es ist doch interessant, dass dieses Symboltier der Flatterhaftigkeit so beständig sein kann.
LG
Ekki
Al-Badri_Sigrun (61)
(28.07.20)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.07.20:
Vielen Dank, Sigi, ein romantischeer Autor hätte ein LyrIch geschaffen, das die Sprache der Schmetterlinge versteht. Auf dessen charmante Ansprache hätte die Schmetterlingin sich geoutet.. So nehme ich dankbar deine Vermutung auf, dass es sich um ein Weibchen handelte.
Herzlichst zurück
Ekki

 Dieter_Rotmund (28.07.20)
Das ist handwerklich gesehen etwas zu sentimental. Ich würde das abfedern, indem du z.B. Details über die Wanderung einbaust. Erst dann würde die Geschichte ehrlich und authentisch wirken.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 28.07.20:
Merci dafür Dieter, dass du inhaltlich argumentierst. Ich fürchte aber, dass dir der leicht ironische Unterton der kleinen Anekdote entgangen ist, denn ich müsste doch a bisserl deppert sein, wenn ich ein triebgesteuertes Wesen wie einen Schmetterling tatsächlich für treu hielte. Es geht hier doch nur darum, die spielerische Symbolisierung vom flatterhaften Schmetterling ein wenig zu ironisieren. Das kann aus meiner Sicht nicht sentimental sein.

 Graeculus (28.07.20)
Das ist ein schönes Erlebnis. Es sagt einiges über Schmetterlinge und über Dich.
Wäre ich ein Schmetterling, dann hätten sich am Auto auch unsere Wege getrennt.

 Bergmann meinte dazu am 28.07.20:
Graeculus' Kommentar ist (fast) so schön wie die Schmetterling-Saga.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.20:
@ Graeculus und Bergmann: Hallo Uli, auch mir gefällt der Kommentar von Graeculus deshalb, weil er ohne viel Worte die leichte Ironie der Anekdote aufnimmt. Grazie euch beiden.

 AchterZwerg (28.07.20)
Tja,
die Treue, lieber Ekki.
Der Schmetterling schenkt dir eine ganze Stunde seines aufregenden Nomadenlebens. -
Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit einem aufrichtigen Literaturkritiker:
Kritik setzt die Liebe zum Genre voraus. Und ist selbst durch Freundschaft nicht korrumpierbar (so Reich-Ranicki).

Ichmeinjanur
der8., der diesmal nix zu meckern hat

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.20:
getreue Piccola, ich verstehe deinen Wink mal so, dass du dich immer bemühst, eine aurfrichtige, nicht korrumpierbare Kritikerin zu sein. Auch in dieser Hinsicht lerne ich gerne von dir.
Merci und LG
Ekki

 AZU20 (29.07.20)
Mein Schmetterling setzt sich zu mir an den Tisch, sobald ich nach draußen komme. Mein Freund eben. Darüber habe ich ja an anderer Stelle schon geschrieben. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.20:
Merci, das freut mich für uns beide, lieber Schmetterlingsbruder.
LG
Ekki

 Moja (29.07.20)
Eine wunderschöne Geschichte, lieber Ekki, danke dafür!
Lieben Gruß,
Moja

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.20:
Grazie, Moja, ich freue mich, dass dir die Anekdote gefällt.
Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (09.09.20)
so'n anhänglicher schmetterling ist rar
und solch erlebnis schon fast wunderbar.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.09.20:
Merci, Henning, das fast Wunderbare ist die "Schmetterlingstreue".
LG
Ekki
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