Fußball... Götterdämmerung

Glosse zum Thema Menschheitsdämmerung

von  eiskimo

Was Marx sagte, ist Murks. Nicht die Religion ist das Opium des Volkes, sondern der Fußball.
Naja, dieser Philosoph lebte, als tatsächlich Religion noch die Massen bewegte, wahrscheinlich, weil kurz behoste Fußballgötter geschweige ihre geschäftstüchtigen Vermarkter unternehmerisch noch gar nicht präsent waren.
Dabei würde Marx heute rasch erkennen, wie clever die Fußball-Eminenzen dann religiöse Versatzstücke in ihre Volks-Droge integriert haben.
Allein die Liturgie vor dem hehren Spiel .. mit Vereinshymne, mit dem Einmarsch der Akteure in den bunten Ministranten-Hemdchen, das dreieinige Schiedsrichtergespann als Hohepriester, das Volk mit La-Ola-Bewegung und kultischen Gesängen – das alles sind quasi religiöse Beschwörungsrituale, um mit einem Sieg ja in den Fußball-Himmel auf- und bloß nicht – beim Sündenfall der Mannschaft – in die Hölle abzusteigen.
Vorbeter animieren die Gläubigen per Megaphon zu inbrünstigem Mittun; andere zünden Pyrotechnik und hüllen die Arena in Weihrauch.
Es gibt himmlische Gefühlsausbrüche bei jedem Tor, aber auch „Kreuziget ihn!“-Rufe  und Schmäh-Gesänge bei Versagern oder Abtrünnigen. Ja, die Fußball-Religion ist einfach, und sie nimmt sie alle in ihren Schoß, die da auf der Sinn-Suche sind. 
Die durch diese Zeremonie Gestärkten erleben so nicht nur in wöchentlicher Wiederholung, was Gut und Böse ist, sondern verinnerlichen so einen Weg weisenden Lebenskatechismus.
Kleinstes Opfer: der Kauf des Vereinstrikots. Darauf der Name des Heiligen, den man besonders verehrt. Dann die Weihe zum Vereinsmitglied, schon teurer. . Die Teilnahme an Wallfahrt-ähnlichen Auswärtsspielen aber gilt als besonderes Glaubensbekenntnis und hebt den Einzelnen in der Gemeinschaft dichter ans Allerheiligste heran, in den Kreis der Insider.
Der Mensch als Ganzes wird hier angesprochen, mit seinem ganzen Fußball-Verstand, vor allem aber mit seiner Sehnsucht nach Dramatik.
In wunderbarer Weise hat es sich dann für die hohe Geistlichkeit dieser Fußball-Religion – die sogenannte FIFA - gefügt, dass die Medien mit ihrem öffentlich-rechtlichen Sendungsauftrag genau diese Art volksnaher dramatischer Riten in ihrem Programm haben wollten. Sie strahlen seitdem ausgesuchte Fußball-Highlights aus, live und  direkt  in die Wohnzimmer der Gläubigen, was diese Religion allgegenwärtig macht.
Selbst die weltlichen Potentaten unterwerfen sich seitdem dem Fußball-Gott. Sie legen öffentlich davon Zeugnis ab, wenn sie sich auf den Ehrentribünen, ja, manchmal selbst auf dem heiligen Rasen,  mit den Fußball-Größen inszenieren – seht, auch wir bekennen uns zu diesem großen Miteinander! Das ist wohl die Botschaft, und sie ist für alle Seiten durchaus heilbringend!
Kult und Okkultismus dieses weltumfassenden Heilsprogramms wären weiter aufgeblüht und in neue milliardenschweren Höhen aufgestiegen, wenn nicht im Jahre 2020 der Teufel seine Saat des Bösen über die Welt, ja, auch die FIFa-Welt- gestreut hätte – ein fatales Virus, das die sakralen Massen-Events mit ihren fußballerischen Segnungen mit einem Schlag verhinderte.
Die Liturgie ohne Anwesenheit der Gläubigen, also in menschenleeren Fußball-Tempeln, so versucht die FIFA zur Zeit ihr großes pastorales Werk fortzusetzen, natürlich mit Hilfe der Medien, die total eingesegnet sind auf diese missionarische Rolle. Geisterspiele, so lautet das Gebot.  Allein, der Funke mag nicht überspringen - die Gläubigen wirken merkwürdig unbeteiligt. Geisterspiele, aber keine Begeisterung.
Sollte der Teufel und sein Virus tatsächlich nun das in die Knie zwingen, was in den letzten Jahrzehnten wie eine Wunder-Droge über die schöne, glamouröse Fußball-Welt gekommen ist?
Marx würde an dieser Stelle milde lächeln. Er würde schauen, wer das Kapital hat, und dann sagen: Keine Frage!

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (29.07.20)
Keine Frage. LG

 Graeculus (29.07.20)
Einleuchtend. Man mag Marx umschreiben: Fußball ist das Opium des Volkes.

 TrekanBelluvitsh (29.07.20)
Versteh mich nicht falsch. Der Profifußball geht mir in den letzten Jahren gehörig am Arsch vorbei. Und das betrifft Funktionäre, Spieler und Fans. (Wobei die alle erträglich wären, wenn sie einfach mal die Fresse halten würden.)

Dennoch empfinde ich Gesellschaft, die den Fußball verehrt, als immer noch weitaus wohltuender als jene, die sich die Religion als ihr Leitmotiv ausgesucht hat. Lieber Lolo lololo looloo[/b] als Amen, Schalom, Namaste oder Allahu Akbar.

Kommentar geändert am 29.07.2020 um 16:12 Uhr

 AchterZwerg (30.07.20)
„Der Fußball ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.“

Das wäre dann das ganze, bildschöne Zitat.

Liebe Grüße
der8.
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