Wir elenden Menschenverachter

Erörterung zum Thema Rassismus

von  eiskimo

Pfui, was waren wir früher für Rassisten! Was haben wir verbal ausgeteilt gegen schutzlose Minderheiten, und wie selbstverständlich haben wir diese schon in den alltäglichsten Situationen erniedrigt!
Bereits als Kinder sangen wir „Zehn kleine Negerlein“ mit Inbrunst und durch alle Strophen; wir aßen hemmungslos „Mohrenköpfe“ und knallten draußen, wenn wir in Anlehnung an die ersten John-Wayne-Filme den Wilden Westen nachspielten, auch schon mal ein paar „Rothäute“ ab. Nur Winnetou durfte natürlich nicht sterben....
Bei Karstadt gab es nach dem Wochenend-Einkauf oben im Café für die Kinder sage und schreibe … ein „Russen-Ei“, und dass da auch ein Leipziger Allerlei herhalten musste – egal, für uns war es ein Fest!
Überhaupt hatten wir bei diesen so belasteten Texten und  Begriffen völlig vordergründige Assoziationen – schafften wir alle zehn Strophen, bekamen wir genug Schokolade bzw. bei dem armen Russen auch genug Mayonnaise ab, und hoffentlich fing meine Schwester nicht an zu heulen, wenn sie uns als erste vor die Flinte kam, denn selbst die Squaws wurden nicht verschont....
Auch später, als Jugendlicher, habe ich mir bei einem „strammen Max“ nichts Anstößiges gedacht, und auch auf der Kirmes fehlte mir an jenem Gerät namens „Hau den Lukas“ jegliches Mitgefühl für männliche Zeitgenossen, die einfach nun mal so hießen.
Eher wurde mir schemenhaft klar, dass da mit den Franzosen etwas faul sein musste. Denn ich  bekam im Kreise meiner vielsagend grinsenden Freunde mit, dass es für bestimmte Praktiken „Pariser“ gab, und dass man es “französisch“ treiben konnte. Pech, wer sich danach die „französische Krankheit“ geholt hatte...
Ach, die armen Franzosen, die wir da so einseitig herabwürdigen. Müssten wir uns nicht rückwirkend bei ihnen persönlich entschuldigen? Bei all den Russen erst, die zur Hälfte entmannt ihr Restleben fristen mussten? Und all die Maxe, die offenbar mit Dauer-Erektion durchs Leben gehen?
In China nennt man uns Weiße  - nicht sehr feinfühlend! -  einfach „Langnasen“.  Auf ein unschönes Körpermerkmal reduziert zu werden, das ist natürlich höchst diskriminierend – pfui, ihr 1,3 Milliarden Schlitzaugen!
Was will ich damit sagen?  Wie komme ich raus aus dieser langen Liste von sprachlichen Verfehlungen? Und was könnte mich vom Vorwurf des Rassismus und der Diskriminierung befreien?
Nun, ich denke, dass Voraussetzung für eine Schuld  a) das Bewusstsein und b) die Absicht sein müssten. Als Kinder waren wir da mit unseren Spielen und Gesängen  nicht „schuldfähig“. Und bei den Erwachsenen: Müsste beim Delikt der Beleidigung nicht - zusätzlich zur Absicht -  die anvisierte Person oder Gruppe anwesend, also auch eine personale Beziehung da sein?
Schauen wir also bitte auf den Kontext und bewerten wir unsere Sprache tunlichst aus der Zeit heraus, in der sie entstand. Mit dieser „aufgeklärten“ Betrachtung entspannt sich vielleicht die Diskussion. Dann würde die Existenz einer „Mohrenstraße“ auch meine Stadt nicht gleich zu einer Sklavenhalter-Bastion machen.

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Kommentare zu diesem Text

Stelzie (55)
(30.07.20)
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 eiskimo meinte dazu am 30.07.20:
Ja, wenn wir weiter so in unserer Sprachprägung verharren dürften, in die wir als Kinder hineiungewachsen sind - naiv und historisch unbelastet....
LG
Eiskimo

 minze (30.07.20)
Schuld, geht es um Schuld, wenn man Sprache demokratisieren will, wenn man sie entdiskriminieren möchte? Ich lese aus deiner Argumentation heraus, dass du findest, Sprache beeinflusst nicht das Bewusstsein oder die eigene Wertevorstellung. Ich denke schon, dass Sprache Bewusstsein formt und gesellschaftliche Vorstellungen nährt bzw. aus diesen heraus entsteht und Werte und Vorstellungen einerseits abbildet und andererseits eben zementiert, weiterführt. Es geht um Konnotationen. Natürlich kannst du sagen: „ist doch schwul, ist doch behindert.“ Und eigentlich Schwule und Behinderte ok finden, zumindest so denken - auch wenn du es im Ausspruch als Beleidigung formulierst. Aber für mich schwer vorstellbar, Begriffe so zu verwenden, bedeutet automatisch eine negative, abwertende Konnotation. Kommt also auch darauf an, wie, in welchem Kontext man Begriffe verwendet..Wie die französische Krankheit. Von Negerlein singen, das ist verbunden mit einer kolonialistisch geprägten Sichtweise auf Menschen: Neger impliziert ein (du sagst ja selbst – so ist es entstanden) Bild von exotischen, primitiven, farbigen Menschen und diese Begriff ist als solche deswegen auch in der Historie als abwertend verwandt worden. In meiner Kindheit der Schwarze Mann als Bösewicht, das Schwarze als Böse – und ich habe es sehr wohl als Kind in dieser sprachlichen Verwendung und kulturell sozialen Einordnung empfunden: schwarz = primitiv, Urvolk, exotisch (diese Konnotationen) und schwarz=bedrohlich. Mohrenkopf=exotisch, fremd, besonders.
Gewisse Konnotationen sind verbreitet, legen fest, Sprache formt gesellschaftliches Bewusstsein und Konsens. Ich würde jetzt den Schulbegriff umgehen. Ich finde es aber eine Aufgabe von Sprache, sich weiterzuentwickelt, sich zu emanzipieren, sich zu demokratisieren. Ich finde es wichtig, bewusst und reflektiert mit (seiner) Sprache umzugehen.

Und sobald man über seinen Sprachgebraucht nachdenkt, über solche Konnoationen, ist man schon in einer "Absicht". (D)ein Plädoyer (ich bin vorsichtig, will das dir auch nicht unterstellen) für unschuldiges Verwenden von Begriffen wie Neger, Negerkuss, Rothäute oder Franzosenkrankheit teile ich nicht.

Kommentar geändert am 30.07.2020 um 12:29 Uhr

Kommentar geändert am 30.07.2020 um 12:32 Uhr

 eiskimo antwortete darauf am 30.07.20:
"Ich finde es wichtig, bewusst und reflektiert mit (seiner) Sprache umzugehen."
Genau diesem Ziel diente mein Beitrag. Der Rückblick auf Sprachmuster, in die ich hineingeboren wurde, und das Erkennen, dass sie nicht harmlos sind - aus einer neuen, aufgeklärten Perspektive heraus und in Berücksichtigung ihrer Zeitbedingtheit.
LG
Eiskimo

 minze schrieb daraufhin am 31.07.20:
Okay. Konnte ich nicht herauslesen. Du stellst Fragen, aber weniger eine veränderte, kritische Sicht auf die Begriffe in Aussicht...nur der Wunsch um Gelassenheit...naja, eine Auseinandersetzung folgt eher in der Diskussion um deinen Text :) immerhin..

 Judas (30.07.20)
Interessanterweise fühlen sich durch solche Dinge ja selten besagte Minderheiten beleidigt, sondern stellvertretend für sie irgendwer anders.
Das ist wie wenn 20 Männer untereinander über Frauenrechte reden, ohne 'ne Frau zu fragen.
Und Sprache muss unbedingt immer aus der Zeit heraus betrachtet werden! Was natürlich nicht heißt, dass sie sich wandeln darf und dass man da auch sensibler sein darf.
Dass "Neger" 'ne Beleidigung ist, wusste ich schon früh und mir war schleierhaft, warum "Negerkuss" zB okay sein soll.

Ansonsten fürchte ich aber auch, dass wir irgendwie gerade in einer Zeit leben, wo alles "offensive" ist und schon das falsche Pronom Leute gespielt aufregt und ihnen ein "Trauma" verpasst.

 minze äußerte darauf am 30.07.20:
steile These, dass die Minderheiten damit keine Probleme haben sollten. Entspricht nicht meiner Erfahrung.

 Judas ergänzte dazu am 30.07.20:
Entspricht allerdings meiner Erfahrung. Da stehen sich dann wohl Erfahrung und Erfahrung gegenüber.

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Ich hab hier in Norwegen zB einen Marokkanischen Kumpel. Dem hab ich mal das mit der Umbenennung des "Mohrenkopfs" erzählt. Der hat sich den Arsch abgelacht und gemeint, sowas "Deutsches" hätte er ja noch nie gehört und ob wir keine anderen Probleme hätten.

 minze meinte dazu am 30.07.20:
finde es abgesehen davon wichtig, dass sich auch Mehrheiten über Minderheiten und deren Rechte besprechen, sich in eine andere Perspektive hineinversetzen, finde es wichtig, dass sich Männer über Frauenrechte, Frauen über Männerrechte, Hetero über Homo, Schwarz über Weiß, Weiß über Schwarz .....kurzum: man sich Gedanken über die Gleichberechtigung und demokratischen Rechte untereinander Gedanken macht.

Dass Minderheiten zuallererst und besonders gehört werden müssen, ist natürlich DER wichtige Part der Empathie, die man entwickeln und pflegen kann.

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Sie sollen durchaus sich dafür einsetzen, sich Gedanken machen usw. absolut und ganz wichtig! Aber sollten sie sich auch stellvertretend für sie beleidigt fühlen?

 minze meinte dazu am 30.07.20:
hm wie weit geht Empathie oder kann/soll Empathie gehen - welche Wirkkraft kann sie haben, wie kann sie auftreten? ich bin ein gefühlvoller Typ. Es verletzt mich, wenn z.b. schwul/behindert/spasti als Schimpfworte verwendet werden. Wenn ich das fühle und sensibel oder emotional kommunziere, glaube ich schon, dass das die Problematik weiterträgt.
Wenn du neutral und sachlich argumentierst, erreicht das manche evtl auch - hm -

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Deine Beispiele sind aber wie gesagt Schimpfwörter mit der Intention, zu beleidigen! Das gilt für einen "Negerkuss" zB nicht! (ich mag das Wort auch nicht, aber es ist keine Beleidigung)

 minze meinte dazu am 30.07.20:
Hm ja in diesem Fall vermische ich etwas. Ich rege mich aber auf,weil ich auch diese Begrifflichkeit Neger(kuss) degradierend konnotiert sehe. Eine Süßigkeit nach einem Exot zu benennen bzw und einen rassistisch verwendetem Begriff finde ich einfach absurd.ich bin NICHT der Auffassung, aus einer sich damals vorgestellt naiven Ursprünglichkeit des Volktums bzw vom Volk lässig rezipierten Wortwahl eine Bezeichnung gut sein lassen zu können/müssen.ich finde eine Reflektion der Bedeutung von Worten und deren politische Wirkung und Konnotation und wie angesprochen eine Lebendigkeit,heißt Veränderung der Sprache zu eine besseren,demokratischeren,freieren Abbildung von Wirklichkeit erstrebenswert. Und da muss ich keinen beschuldigen,der einfach immer gerne Negerküsse gegessen hat und niemand dabei was Böses dabei was Böses will,v.a. nicht seinen zahlreichen schwarzen Kumpels. darum ging's mir ja nicht.

Antwort geändert am 30.07.2020 um 20:47 Uhr

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Ja dann sehen wir das prinzipiell ja ähnlich.

 minze meinte dazu am 30.07.20:
Ich lese gerade einen unteren Diskussionsbeitrag von dir und denke,dass manche Diskussionslinien sich da annähern:heute Sprache besser machen als damals,ohne alle mit der Moralkeule zu erschlagen,die Sprache einfach so verwenden/verwendet haben.

 Judas meinte dazu am 31.07.20:
Genau :)

 Artname (30.07.20)
Mir missfällt dein Text! Vor allem verärgert mich seine fehlende Schlüssigkeit.

Rassismus bewertet Menschen nach ihrer Hautfarbe. Nicht nach Vornamen, Nationalität oder Wohnstadt. Hinweise auf Leipzig, Paris, Russland, Max oder Lucas empfinde ich als peinlich! Stehen diese Namen stellvertretend für Menschenverfolgung? Für Verbrechen wie Sklaverei oder Tötungsdelikte am helllichten Tag?!?

Ich habe nichts gegen das Gebäck "Berliner", hätte aber etwas gegen das Gebäck "Ausschwitzer". Verstehst du das?

Du willst einen Bezog auf die Herkunft der Bezeichnungen? Sehr gut! Wikipedia schreibt zu "Neger": Neger (über französisch nègre und spanisch negro, „Schwarzer“, von lateinisch niger „schwarz“) ist ein im 17. Jahrhundert in die deutsche Sprache eingeführter Begriff, der auf eine dunkle Hautfarbe der Bezeichneten hinweist. Das Wort fand zunächst nur begrenzt Verwendung; mit dem Aufkommen der eng mit der Geschichte von Kolonialismus, Sklaverei und Rassentrennung verbundenen Rassentheorien und der überholten Vorstellung einer „negriden Rasse“ bürgerte es sich ab dem 18. Jahrhundert in der Umgangs-, Literatur- und der Wissenschaftssprache ein. ....

So, nun bist du dran mit Herkunftsbetrachtungen zu deinen angeblich entlastenden Beispielen....

 minze meinte dazu am 30.07.20:
mir gefällt sehr dein Kommentar. finde auch, die Beispiele vermischen Dinge, die nicht zu vermischen sind, passen nicht zueinander. Du hast manches klarer benannt, als ich in meinem Kommentar - was aber auch meine Gedanken waren - danke!

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Ich glaube, ihr verfehlt aber haarscharf hier das, was der Text eigentlich ansprechen will. zB betont er ja auch, dass Sprache im historischen Kontext seiner Zeit betrachtet werden soll, stellt die Frage einer Schuld und des Bewusstseins und negiert nirgendwo, dass Sprache sich nicht anpassen darf und soll!
Verweis auf den letzten Absatz:
"Schauen wir also bitte auf den Kontext und bewerten wir unsere Sprache tunlichst aus der Zeit heraus, in der sie entstand. Mit dieser „aufgeklärten“ Betrachtung entspannt sich vielleicht die Diskussion. Dann würde die Existenz einer „Mohrenstraße“ auch meine Stadt nicht gleich zu einer Sklavenhalter-Bastion machen." Da steht NICHT, dass die "Mohrenstraße" nicht in der heutigen Zeit umbenannt werden sollte. Da steht lediglich, dass man entspannter mit der Diskussion umgehen sollte, da der Straßennahme in einer anderen Zeit entstand, in deren Kontext man ihren Namen stellen muss. Denn sicherlich haben die Stadtväter sie nicht aus rassistischen Gründen so genannt. Deshalb der Stadt Rassismus vorwerfen, ist also falsch imo. Das bedeutet wie gesagt nicht, dass man die Straße nicht unbenennen kann und sollte, da wir heute ein anderes Verhältnis zu diesem Begriff haben als damals.

Antwort geändert am 30.07.2020 um 13:25 Uhr

 Artname meinte dazu am 30.07.20:
Hallo Judas, ich halte nicht viel von allzu langen politischen Diskussionen. Noch dazu zwischen anonymen usern. Weltsichten sind zu tief verankert. Austausch bringt vielleicht etwas. Streit nicht!

Zu Herkunft von "Mohr" fand ich im Netz:
»Mohr« ist die älteste deutsche Bezeichnung für Schwarze Menschen. In dem Wort steckt das griechische »moros«, das töricht, einfältig, dumm, aber auch gottlos bedeutet sowie das lateinische »maurus«, welches für schwarz, dunkel bzw. afrikanisch steht. Daraus wurde althochdeutsch »mor« und schließlich »Mohr« abgeleitet. (1)

Wie lautet deine Ableitung?

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Ich halte davon auch nichts, aber ich glaube trotzdem, du schießt an der Intention des Textes vorbei?
Was hat denn jetzt meine Ableitung des Wortes "Mohr" mit dem zu tun, was ich sagen wollte? Ich kann dir irgendwie gerade nicht folgen?

 Artname meinte dazu am 30.07.20:
Du schreibst:
Ich glaube, ihr verfehlt aber haarscharf hier das, was der Text eigentlich ansprechen will. zB betont er ja auch, dass Sprache im historischen Kontext seiner Zeit betrachtet werden soll

Also habe ich nach der Herkunft von "Mohr" gegoogelt. Die finde ich eindeutig rassistisch! Da ich dich für keinen Rassisten halte, hoffe ich, dass du alternativ eine Ableitung parat hast, die auch Farbige in Deutschland heute tolerieren könnten. Oder was sonst bedeutet für dich "Sprache im historischen Kontext"?

Antwort geändert am 30.07.2020 um 14:46 Uhr

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Ahhh das gute, alte "Du bist ja kein Rassist, also stimmst du mir zu"-Ding!
Glaubst du, irgendwer wusste, woher das Wort "Mohr" stammt in den 50er Jahren oder wann auch immer jemand die Straße benannt hat?
Glaubst du, die Hersteller von "Mohrenküssen" kennen den sprachlichen Ursprung?

 Graeculus meinte dazu am 30.07.20:
Gibt es denn Tendenzen bei den Mauretaniern, ihr Land umzubenennen? Oder bei den Bewohnern von Niger und Nigeria?
Das sind ganze Länder, nicht nur eine Straße!

 Artname meinte dazu am 30.07.20:
Ahhh das gute, alte "Du bist ja kein Rassist, also stimmst du mir zu"-Ding!
Hm... also ich ticke da leider weniger simpel als du. Aber solche Statements sind bestens geeignet, unnötigen Stress zu vermeiden. gruß

Antwort geändert am 30.07.2020 um 18:38 Uhr

 Judas meinte dazu am 30.07.20:
Ich bin tatsächlich kein Rassist, da hast du also Recht gehabt. Und ich finde die Bezeichnungen Neger und Mohr auch nicht gut. Trotzdem bin ich in der Lage, Dinge differenziert und rational zu betrachten. Die Art, wie du Null auf deinen Gesprächspartner eingehst, ist allerdings anstrengend.

Und mich als "simpel" zu bezeichnen macht dich auch übelst sympathisch und hilft enorm dabei, dich und deine Worte ernst zu nehmen.

Antwort geändert am 30.07.2020 um 18:50 Uhr

 Graeculus (30.07.20)
Neger kommt vom lat. niger und bedeutet "der Schwarze". Klar.
Das ist zunächst die Bezeichnung und Zuordnung gemäß einem bestimmten Aussehen. Sowas ist unter Menschen weit verbreitet; eiskimo hat die chinesische Bezeichnung "Langnasen" für Weiße bzw. Europäer erwähnt.

Rassismus bedeutet mehr: die Bewertung von Menschen aufgrund (zunächst: ihrer Rasse, dann) ihres Aussehens. D.h. man tut so, als ob es Menschen gäbe, die höher oder niedriger stehen als andere, und daß man das an äußeren Eigenschaften festmachen könne. Dabei gehört natürlich derjenige, der sowas sagt, stets zu den Höherstehenden.
Das ist eine 1. dumme und 2. beleidigende Einstellung.

Daneben oder davor gibt es aber die erwähnte bloße Einteilung von Menschen nach äußeren Eigenschaften wie der Hautfarbe. Die Menschen in Afrika, vor allem südlich der Sahara haben nunmal in aller Regel eine sehr dunkle bis schwarze Hautfarbe, so wie die Europäer in aller Regel längere Nasen haben als die meisten Chinesen.
Diesen nicht bewertenden, sondern beschreibenden Gebrauch des Wortes "Neger" oder "Langnase" möchte ich gerne erhalten,
wobei ich davon ausgehe, daß eine Beleidigung eine beleidigende Absicht beinhalten muß, die mir fremd ist. Ich möchte sie gerne erhalten, weil sie kurz und in manchen Zusammenhängen praktisch ist. Z.B. wenn ich über einen Menschen spreche und seinen Namen nicht weiß, mich aber an seine Hautfarbe erinnere.
Darauf kann man schwer verzichten, und die vorgeschlagenen 'neutralen' Alternativen haben etwas Gezwungenes ("person of color") und können je nach der Absicht, in der sie verwendet werden, rasch einen ebenso diskriminierenden Sinn annehmen.
Ein aus Chicago stammender Nachbar hat sich einmal mir gegenüber heftig gegen die Bezeichnung "Afroamerikaner" verwahrt: seine Vorfahren lebten seit Jahrhunderten in Amerika, und mit Afrika habe er nichts zu tun. Er sei Amerikaner, Punkt. Sagte er. Ab dann wäre die Bezeichnung "Afroamerikaner" beleidigend gewesen.

In einem nicht-beleidigenden Sinne wird das Wort "Neger" auch als Eigenbezeichnung verwendet (ähnlich wie Schwule und Zigeuner) und taucht sogar in Ländernamen auf: Niger, Nigeria.

Die hier beschworene Empathie kann auch darin bestehen, daß man einem Menschen höflich und freundlich begegnet und darauf achtet, wie er auf bestimmte Bezeichnungen reagiert. Als in Gesprächen bemerkt habe, daß viele sog. "Sinti und Roma" sich selbst als Zigeuner bezeichnen und ich diese Bezeichnung dann ebenfalls verwendet habe, gab es nie Probleme. Wir konnten uns dann mit Begeisterung über Zigeunerjazz (Django Reinhardt, Schnuckenack Reinhardt, Hänsche Weiss) unterhalten, und keinem von uns wäre es in den Sinn gekommen, von "Sinti-und-Roma-Jazz" zu sprechen.

Und dann gibt es noch einen anderen Aspekt: Das Wort hat eine historische Dimension, d.h. es wird in älteren Texten verwendet. So hat etwa Agatha Christie einen Roman unter dem Titel "Ten Little Niggers" veröffentlicht (dt. "Zehn kleine Negerlein"), beides in Anspielung auf ein altes Kinderlied.
Soll man solche Romane jetzt verbieten? Bloß den Titel zu ändern, hilft nichts, denn die 'ten little niggers' spielen im Roman eine wichtige Rolle.
Mark Twain ist ein anderes Beispiel.

Etwas mehr Gelassenheit und Humor wünsche ich mir ... und echte Aufmerksamkeit dort, wo sie erforderlich ist: bei der Abwertung von Menschen aufgrund ihrer äußeren Eigenschaften. Nicht schon wenn mich jemand "Langnase" nennt, werde ich kritisch-aufmerksam, sondern erst dann, wenn ein Chinese negative Klischees über uns reproduziert.

 Artname meinte dazu am 30.07.20:
Ich habe zu all deinen Beispielen ähnliche Erfahrungen. Dazu kommen neuerdings rassistische Äußerungen von Farbigen gegen über Weißen beispielsweise in Hiphop-Medien.

Aber ich wurde und werde in Deutschland nicht aus heiterem Himmel auf meine weiße Hautfarbe angesprochen. Ich kann mir Toleranz leisten. Und ich leiste sie mir.

Ich war in den Staaten. Bei schwarzen Gastgebern und deren Freunden. Da wurde ich ebenfalls nicht auf meine Hautfarbe angesprochen. Also tat ich es selber. Und betrat sofort Glatteis. Misstrauen kam auf. Actions speak louder than words. Also verhielten wir uns anschließend einfach wie gute Freunde und alles war gut.

Was veranlasst also eiskimo so belehrend zu schreiben, als wäre die Grenze seiner Toleranz erreicht?

Antwort geändert am 30.07.2020 um 14:41 Uhr

 TrekanBelluvitsh (30.07.20)
Ich will gar nicht in die Diskussion, nur folgendes bemerken: Diesen Text von dir finde ich wenig gelungen. Er wird dem Thema nicht gerecht. Denn du vermischst zahlreiche Dinge . So z.B. die systematische "Beschreibung" von Menschengruppen ("Mohr") mit einzelnen Namensgebungen ("Hau den Lukas"). Des weiteren Namensgebung von Dingen (hier: eine Speise "Leipziger Allerlei"), die diese populär und verortbar machen soll - kurz: Werbung - und selbst gewählt ist, mit einer Fremdbezeihnung. So sehe ich ihn nicht als Diskussionsgrundlage.

 eiskimo meinte dazu am 30.07.20:
Ich kann nur auf Judas´ Einlassung hinweisen - da fühle ich mich am besten verstanden. Dass hin meinem Beitrag unterschiedliche Klischees angesprochen werden, die Menschen unterschiedlich verletzen können, ist mir durchaus bewusst.
Die entstandene Diskussion mit den Beiträgen von Minze, Artname und Graeculus finde ich jedenfalls für mich höchst interessant und keineswegs misslungen.
vG
Eiskimo

 Artname meinte dazu am 30.07.20:
Die entstandene Diskussion mit den Beiträgen von Minze, Artname und Graeculus finde ich jedenfalls für mich höchst interessant und keineswegs misslungen.
In ihren schmallippigen Antworten an die Kritiker zeigen manche AutorInnen mehr Empathie als in ihren üppigen Kunstwerke. :D

Antwort geändert am 30.07.2020 um 19:15 Uhr

 minze meinte dazu am 30.07.20:
Finde die Diskussion auch nicht umsonst.auch wenn es schwierig ist,in einem solchen Forum eine gute Ebene zu finden und ich mich zeitweise lieber entziehe..aber gehört doch zu einem Thema,bei dem es sich lohnt,sich etwas aufzuregen und zu reiben :P

 niemand (30.07.20)
@ eiskimo

Irgendwie kriege ich immer einen Krampf bei dieser im Moment hysterischen Wort-Klauberei, an der sich viele gradezu ergötzen.

Machen wir doch weiter, oder ist noch keinem dieser Wortklauber aufgefallen, dass wir dem Herren aus Braunau huldigen, wenn wir zum Beispiel in der Apotheke nach Heilmitteln verlangen? Geht denn nicht einer auf die Straße, um gegen das Wort Heilung zu demonstrieren? Nein, man erwartet sogar selbige, ohne rot vor Scham zu werden. Sowas kann doch nicht heilsam sein. Wir vertrauen der Heilkunst unserer Haus und Fachärzte, ohne diese dafür zu verdammen. Wir singen Heile, heile Gänschen, wenn unser Nachwuchs auf die Schnauze gefallen ist und merken garnicht was für Ver-Führer wir doch bezüglich unserer Kleinen sind. Und dann noch all die Gläubigen. Heiland, beten sie, von Heiligen sprechen sie fortdauernd, ein Heil nach ihrem Tode erwarten sie.
Oder die vielen Romantiker. Von nichts anderem träumen doch diese Kreaturen als von einer heilen Welt.
Davon sollte man doch geheilt werden, das ist doch nicht gesund. Von den Reisenden, welche nach Heiligenhafen fahren
und sich dafür nicht schämen wollen, will ich garnicht sprechen.
Also, ran an diese Worte, ran und ausradieren und zwar mit Stumpf und Stie!Wenn nicht, droht uns letztlich ein Unheil.
In diesem Sinne ein herzliches Heilkräuter! in die werte Runde werfend, niemand

 eiskimo meinte dazu am 30.07.20:
Was Du in Zeile 1 und 2 sagst, das war der Auslöser zu meinen Gedanken.
In einem der letzten Zeit-Magazine hat Martenstein dazu eine sehr schöne Glosse geschrieben.
lG
Eiskimo

 AZU20 (30.07.20)
Ja, man sollte feinfühlig damit umgehen, dann entspannt sich manches. LG

 AchterZwerg (30.07.20)
Zum Teil stimme ich dir zu, lieber Eiskimo.
Gerade in der sozialen Arbeit kommt es immer wieder zu Neuformulierungen.
Ist, beispielweise, ein Schwererziehbarer leichter zu erziehen, wenn er "verhaltensauffällig" genannt wird? Oder die geschlossene Unterbringung als besondere Einrichtung? Oder wird durch die Umbenennung ganzer Straßenzüge im problematischen Dietzenbacher Ghetto die Lieferbereitschaft von Amazon gestärkt?

Anderes ist allerdings furchtbar entlarvend.
Hellmuth Karasek verweist in seinem vorzüglichen (!) Buch "Auf der Flucht." schamerfüllt auf seinen jüngeren Bruder Horst, der ihn einmal an ein gemeinsames Kinderspiel erinnert hatte, das "Judenköpfen" hieß.
Beide sind inzwischen verstorben und selbstverständlich in keiner Weise dem rechten Lager zuzuordnen - im Gegenteil - aber doch einem Elternpaar, das ihre Sprache prägte.

Liebe Grüße
der8.

 Mondscheinsonate (30.07.20)
Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann? Niemand! Und, wenn er aber kommt? Dann laufen wir davon!
Das spielten wir stets. Vor kurzem fragte ich ein paar Erwachsene, es kam stets dieselbe Antwort:"Ich habe mir immer einen Mann im Trench vorgestellt und Hut" Weil Dieter vorhin bei mir den dritten Mann erwähnte, ja, sowas.
Heftig eigentlich, nur wir wurden so erzogen, dass Rassismus nicht aufkam. Sprache ja, grausam gewesen und ist sie noch immer teilweise, aber es erzeugt nicht immer ein Bild dazu.
Wir haben auch Indianer abgeknallt, aber nicht, weil die Rothäute waren, sondern weil Cowboys und Indianer eben gegeneinander kämpften, da war kein rassistisches Denken und Mohrenköpfe heißen bei uns Indianer mit Schlag, na arg, damals nicht oder besonders gut, der Mohr im Hemd, nie an etwas anderes gedacht als Schokolade. Erziehungssache.
Dennoch, furchtbar.

 EkkehartMittelberg (30.07.20)
Geschichte bewegt sich in These und Antithese. Nach Jahrhunderten mit gezieltem verletzendem Rassismus erleben wir jetzt eine sehr sensible Phase. Die schadet doch bestimmt niemandem und wer sich feinfühlig verhält, weiß genau, wo er Unwillen erregt und wo er sich zurücknehmen sollte.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 01.08.20:
Bester Kommentar, Ekki!
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