Der Japaner aus der Kleinmarkthalle - Zum Tod von Babette Dalüge (Hannah) 22.08.1948 - 30.08. 2020

Bericht zum Thema Tod

von  LotharAtzert

"Niemand ist vollkommen!"
Weil sie sonst fast alle im Unrecht wären.

B.D. "Die Ur-Träne" tao.de

Gegen Mitte des Jahres wird, wie eben die Tage wieder, mein Jahresteebestand knapp, den ich von "Teekampagne" beziehe. (Um nicht zu sagen: er ist mir ausgegangen) Neue Ernte aus Indien kommt erst im Herbst in Deutschland an. Babette wohnte in Frankfurt und brachte mir, der ich 9 km außerhalb wohne, manchmal etwas Tee mit, wenn wir uns zum gemeinsamen Essengehen hier in der Provinz trafen, was alle 14 Tage geschah und wozu mich die Freigiebige oft einlud.
Ich bat sie also um Darjeeling FTGFOP FF - den gibt es in meinem Ort nicht und man gönnt sich ja sonst nichts - sie ging zur Kleinmarkthalle, besorgte was und rief mich danach an: "Der sehr nette Verkäufer empfahl mir einen Japaner. Ich hoffe, er wird dir schmecken."
Als ehemaliger Teeladeninhaber war ich von der Nachricht enttäuscht. Die Japaner sind nicht eben für leckere Schwarztees bekannt, eher für Grüntees (Sencha Makoto, Matcha, etc.) ansonsten sind sie ungenießbar und so entgegnete ich etwas unwirsch: "Japaner - warum denn keinen Darjeeling?"
"Das ist Darjeeling!" rief sie euphorisch durch die Leitung.
"Darjeeling ist ein indischer Distrikt an den Hängen des Himalaya - und Japan ist Japan, Babette, das kann man eigentlich auch als Nichtteetrinker wissen."
"Na dann behalte ich ihn halt für mich!"

Hat sie nicht. Als sie dann am Essenstag hier eintraf, brachte sie einen Darjeeling FTGFOP FF Jungpana mit, der nicht nur von exquisitem Bouquet war, wie sich herausstellte, sondern auch preislich annehmbar, also handelsüblich.
Jungpana, -Japaner - kann man als Kaffeetrinkerin verwechseln. ... So ist sie eben, die Babette. ...

***
... so war sie bis vor kurzem und hat mich manchesmal verzweifeln lassen. Beim Inder hat sie mich bis auf die Knochen blamiert mit ihren andauernden, lauten Beschwerden gegen den Koch und mich als kleinbürgerlich beschimpft, bloß weil ich sie zu etwas mehr Gelassenheit vor Publikum gemahnte. Doch am Ende war es wieder mal perfekt - wie ihr Jungpana: Der Chef des "Pearl of India" genannten Restaurants, ein Skorpion, wie er der Löwin verriet, umarmte sie innig wie der Teig die Marille ... ja gut, sie zahlte das Trinkgeld - und mir mit gleicher Münze zurück, wie das Sprichwort sagt. Mit mir sprach der Besitzer nur über Shivas Sohn Ganesha.

Ja, ich weiß, ich sollte sagen, daß ich immer, wenn ich eine Konstellation nicht ganz verstand, Widder-Mond in zwölf zum Beilspiel zu ihr lief und sie oft das noch fehlende Teil zum Ganzen lieferte: Als ich wegen Meniskusriss nicht laufen konnte, ist sie für mich einkaufen gegangen. Ihre T-Shirts von Landsende oder so, Landser las mein Vater früher ... trag ich noch auf, wie auch die bequemen Hausschuhe - jedes Loch zeugt von gelebtem Leben.
Und ich sollte auch erzählen, wie wir im Garten eine Flasche extradry Sekt leerten und wieder und wieder, eins zwei Sommer lang, sogar zweimal kifften, was sie nicht mochte, aber doch so manchen kostenlos ungefragt mit meinen Blütchen versorgte. Ja, da war der Garten noch in einem Topzustand, noch frei von beißenden Grasmilben, da entstanden Werke, wie sie einzigartig in den kV-Annalen ... untergingen. Es sollte auch erwähnt werden, daß sie mein in literarischen Kreisen hochgelobtes Werk "Wortlos ortlos" finanzierte, bevor sie selbst ihre Bestseller "Die Ur-Träne" und "Ausweg Selbstheilung" unters Volk warf ... zum Neptun, ja ... grüß mir Döbereiner.

Was heißt nochmal Cutt auf Deutsch? - See you Babette.
OM NAMO AMITABHAYA
BUDDHAYA
DHARMAYA
SANGHAYA HUNG …


(- jetzt wo bleibt nur der Tee ... )

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (04.09.20)
Das klingt eher so, als würde sie noch leben, wo auch immer und zwar nach ihren Regeln. Ciao, Frank

 LotharAtzert meinte dazu am 04.09.20:
Nichts geht verloren im Universum
Danke dir, Frank

 Dieter Wal (04.09.20)
Wun-der-schön, lieber Lothar!

Mir begegnete Hannah leider nur via kV. Doch ich kommentierte sie intensiv und oft, weil ich ihre Sprache als hermetische Lyrikerin überwältigend fand.

Wie schön, dass Du ihr realer Freund warst! Herzliches Beileid!

Du bist ein super Typ.

 LotharAtzert antwortete darauf am 04.09.20:
Vielen Dank, Dieter, bist auch ein Guter.

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 05.09.20:
Die präzisen wahrheitsgemäßen nichtidealisierten Restaurant-Schilderungen finde ich super. Dein "Tee-Verhältnis" liest sich erfrischend. Mangelndes Gewaaf (fränkisch für Gesabbel) über ein "Leben nach dem Tod" gefällt mir. Es hat nix Verblasen-Religiöses und doch schimmert echte Spiritualität an sämtlichen Ecken und Enden hindurch. Doch es wird nicht mit der Dachlatte verblasener Esomüll gewunken, sondern einfach authentisch geschrieben.
blackdove (37)
(04.09.20)
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 LotharAtzert äußerte darauf am 04.09.20:
So ist es, Stefanie. Ich danke dir sehr für dein Mitgefühl.
Bis bald.
L.

 harzgebirgler (04.09.20)
es ehrt dich daß du ihrer hier gedenkst -
sie las auch was von dir zuletzt unlängst.

lg
henning

 LotharAtzert ergänzte dazu am 04.09.20:
Es war vor kurzem erst, als ich so staunte:
daß selbst im Harz man Hannas Namen raunte.

Vielen herzlichen Dank und lieben Gruß
Lothar

 AchterZwerg (04.09.20)
Ich habe ihren Tod gar nicht mitbekommen.

Das tut mir sehr leid.
Wie du von deiner Trauer berichtest, gefällt mir indes.
Ich finde es gut, wenn Menschen nach ihrem Ableben nicht
glorifiziert werden, sondern als die geschildert werden., die sie waren.

Liebe Grüße
der8. Zwerg

 LotharAtzert meinte dazu am 04.09.20:
Ja, ich habe eine Zeitlang drüber nachgedacht, wie man das so macht, daß es natürlich ist. Dabei ist es ganz einfach: immer bei der Wahrheit bleiben … und noch ein paar schmückende Girlanden und … wie sagte Dragoslav Stepanović: "S Lebbe geht weider".

Danke und liebe Grüße
Lothar

 Regina (04.09.20)
Dann gute Reise, Liebe Hannah-Babette. Habe ihre Texte immer gerne gelesen und ihre Erkenntnisse meistens genossen. Danke, Lothar, für diese Abschiedsworte.

 LotharAtzert meinte dazu am 05.09.20:
Meistens, nicht immer, ich weiß.
Es war mir eine Ehre.
Danke Gina

 Teichhüpfer (04.09.20)
Herzliches Beileid, ich kenne einen Döbber - einer aus der Schulzeit ...

 LotharAtzert meinte dazu am 05.09.20:
Danke Hüppi.
Wolfgang Döbereiner war unser gemeinsamer Lehrer aus der der Münchner Rhythmenlehre, der auch vor einiger Zeit starb.

Antwort geändert am 05.09.2020 um 10:08 Uhr

 Teichhüpfer meinte dazu am 05.09.20:
Ich habe bei Emanuell Kwaku Gumado auch mal Percusion für eine Woche auf dem Koton gelernt.

 Fidel (05.09.20)
Hallo Lothar :)

Eine berührende Reminiszenz. Babette kann ich mir nun sehr gut vorstellen. Wie schade, dass ich sie nicht mehr persönlich (also, via KV) kennen lernen durfte.

Mit Herz erzählt! Sehr gern gelesen! :)

Herzliche Grüße an Dich!

 LotharAtzert meinte dazu am 05.09.20:
Vielen Dank, liebe Fidel,
Babettes Texte sind ja noch da, sogar mit Foto, wenn du Hannah im Suchkästchen eingibst. Ich muß dich aber warnen: leicht zu lesen ist das nicht.
Du wirst im Kommentarsfall nur leider keine Antwort mehr erhalten

Ebenso herzliche Grüße zurück

 Fidel meinte dazu am 06.09.20:
Lothar, war schon langt auf ihrem Profil. Gleich, nachdem ich diesen Text hier kommentiert hatte. :)

Ich würd mich allerdings hüten, dort etwas zu kommentieren. Empfinde ich als respektlos. Ich habe eh Schwierigkeiten gehabt, überhaupt dorthin zu gehen.
Ich bin da ein bisschen eigen, glaub ich, bzgl. Tod. Und vielen anderen Dingen.

Dafür bei dir umso mehr wieder gelesen heute, mit Freude!

Herzliche Grüße zurück :)

Antwort geändert am 06.09.2020 um 03:32 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.20:
Ja, das verstehe ich, gehe ich doch selbst auch nicht mehr dorthin.

Ach, du bist ein Schatz. Falls du magst, klick nochmal hierher - weiter unten (bei Aha, bzw Graeculus hab ich noch zwei Dzogchen-Lehrer zitiert).

Mensch, 3:32 Uhr - da hab ich fest geschlummert ,,,

Danke dir

Antwort geändert am 06.09.2020 um 10:25 Uhr

 Fidel meinte dazu am 07.09.20:
Hallo, lieber Lothar

Vielen Dank für den Verweis.

""Entdecke deinen Zustand direkt.
Verbleibe nicht in Zweifel.
Gewinne Vertrauen in die Selbstbefreiung."

Und Karma Pakshi (der 2. Karmapa, der, den Marco Polo in China traf und in seinen Schriften Bakschi nennt):
"Das Verhalten im Ati Yoga liegt jenseits von Annehmen und Ablehnen. Folgt man diesem, ändert sich nichts, da es spontan ist.
Folgt man diesem nicht, ändert sich nichts, weil es spontan ist. Das spontane Verhalten der Selbstbefreiung befreit vom Dämon eines vorsätzlichen Handelns.""

Das klingt dermaßen befreiend ... alles, was ich von Dir bisher bzgl. Buddhismus erfahren durfte, liegt mir extrem ... auch wenn ich kein "Anhänger" in dem Sinne sein möchte, weil mich das irgendwie abschreckt.. oder ich sehe das mit dem Anhängertum/Religion/etc. falsch, mag auch sein..

Herzliche Grüße, A. :)

Antwort geändert am 07.09.2020 um 20:05 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 08.09.20:
Nun ja, wer will schon Anhänger sein, wenn auch Zugmaschine möglich ist.
Aber jetzt hab ich doch mal eine Frage: inwiefern findest du das befreiend, es ist ja noch keine direkte Vorgehensweise darin ausgesprochen.
Den Zustand direkt entdecken, nicht in Zweifel bleiben, schön und gut - aber welchen Zustand? Wie befreie ich mich und von was?

Denke nicht, ich wollte deine Euphorie bremsen, nur einfach mal hören, was dich warum begeistert.

Das Wort Anhänger klingt schaurig auch für meine Ohren, weil es im Widerspruch zu stehen scheint: Buddhismus soll ja befreien und nicht durch die Hintertür neu abhängig machen. Ich habe mich nie als einen solchen empfunden. Und, bezogen auf die Lehre, sagt ein tibetisches Sprichwort:
"Wenn der Teich da ist, kommen auch die Schwäne." (Da wird nicht missioniert)

Herzliche Grüße dir auch
L..
Aha (53)
(05.09.20)
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.09.20:
Ach das ist doch … uns bleibt nur noch die Asche aufs Haupt und die Klageweiber bestellt … nein, sie ist jetzt frei, zumindest vom alten krebsbelasteten Körper, der jetzt hungrige Mäuler speist.
Und ja, viel Seele.

Laß uns das Leben feiern. Das wollt ich mit: "wie heißt Cutt auf Deutsch" sagen. Amitabha ist der rote Buddha des Westens, wo die Sonne untergeht. Er ist der Buddha der Lichts und der Liebe und sein Land ist Deva Chen, das Land, wo das Wort Leid unbekannt ist, da ist Babette bereits - aber sage das bloß nicht dem Bluebird.

Vielen Dank auch dir

 Graeculus meinte dazu am 05.09.20:
Wo wollte sie denn sein nach dem Tod? Denn obgleich ich sie notorisch schlecht verstanden habe - einen buddhistischen Glauben habe ich nie bei ihr feststellen können. Ihr Thema war - soweit ich es überblicke - immer das irdische Leben und die Alternative zweier Lebensformen in ihm. Worin letztere bestanden, darin war sie sehr speziell.

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.20:
Bleib du beim Theravada und alles ist gut. Ich kann einem Blinden nicht den Regenbogen erklären und dir nicht, nach was du immer wieder verlangst, ohne dir die Voraussetzung dafür anzueignen. (z.B. die Münchner Rhythmenlehre)

 Graeculus meinte dazu am 06.09.20:
Ich wollte nur wissen, was Hannah sich nach ihrem Tode vorgestellt hat. Weiter wollte ich nichts erklärt haben, schon gar nicht den Regenbogen.

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.20:
Sie stand zuletzt unter Morphium. Was soll sie sich da noch vorgestellt haben. Solltest du aber die Zeit davor meinen, sind wir wieder bei der Münchner Rhythmenlehre.

 Graeculus meinte dazu am 06.09.20:
Genau. Rhythmenlehre und Astrologie. Dafür stand sie. Und für die Selbstheilungskraft des Geistes.

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.20:
Und hier schließt sich auch der Kreis zum Buddhismus, bzw, zum Dzogchen (Skt. Maha Ati) Dessen erster bekannter menschlicher Lehrer Garab Dorje sagte:
"Entdecke deinen Zustand direkt.
Verbleibe nicht in Zweifel.
Gewinne Vertrauen in die Selbstbefreiung."

Und Karma Pakshi (der 2. Karmapa, der, den Marco Polo in China traf und in seinen Schriften Bakschi nennt):
"Das Verhalten im Ati Yoga liegt jenseits von Annehmen und Ablehnen. Folgt man diesem, ändert sich nichts, da es spontan ist.
Folgt man diesem nicht, ändert sich nichts, weil es spontan ist. Das spontane Verhalten der Selbstbefreiung befreit vom Dämon eines vorsätzlichen Handelns."

Für Babette wäre das "zu hoch" - sie handelte einfach spontan.
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