05 - Der Checker

Erzählung zum Thema Aufwachen

von  TassoTuwas

Dieser Text ist Teil der Serie  Ferne Lichter so nah.
Als Claire mit ihrer Gepäckflut aus mehreren Koffern, einem halben Dutzend Umzugskartons, dazu noch diversen Einkaufstüten und als Krönung des Ganzen, drei Hutschachteln, in die Wohnung eindrang, hatte sich Pascha ungläubig die Augen gerieben. Doch beim zweiten Hinsehen war der Spuk immer noch da, und ihm keimte der Verdacht, ab jetzt könnte es eng werden. Er hatte darauf einen missbilligenden Blick Richtung Robert geschickt und den Entschluss gefasst, für die nächsten Tage aus Protest in den Hungerstreik zu treten. War auch nicht durch die leckersten Bissen, die Robert ihm unter die Nase schob umzustimmen, starrte stattdessen nur noch die Wand an. Zwei Monate später stand Claire wieder im Flur, inmitten ihrer gesamten Verpackungsbehältnissen. Der abgemagerte Pascha blinzelte zur Ausgangstür, dann nahm er seinen Fressnapf in Augenschein. Als Claire hinaus stöckelte und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel war seine Welt wieder in Ordnung.
Nicht für lange.

Charlotte stürmte ins Wohnzimmer, eilte geradewegs auf den überraschten Pascha zu, war so entzückt, das sich ihre Stimme in höchsten Tönen überschlug, rief, "Du bist aber ein drolliges Kätzchen!", und wollte ihn sofort überschwänglich an sich drücken. Doch so weit lies es Pascha nicht kommen. Dergleichen überfallartige und zudem leicht zu durchschauende Intimitäten waren ihm ein Gräuel. Er fauchte kurz und beendete den plumpen Annäherungsversuch mit einem gezielten Tatzenhieb, der ihre Strumpfhose ruinierte. Danach würdigten sie sich keines Blickes mehr. Charlottes Verweildauer im Penthaus entsprach in etwa der von Claire, und Pascha war es sichtlich zufrieden.
Nur für kurze Zeit.

Bei Gunillas Erscheinen schnupperte Pascha kurz und vollzog aus dem Stand heraus einen akrobatischen Rückwärtssprung. Obwohl er wusste, sein Geruchssinn hatte ihn noch nie im Stich gelassen, schnupperte ein zweites Mal. Es blieb dabei, es schnürte ihm die Atemwege ein, ihr Parfüm war von einer abscheulicher Süße, war eine Beleidigung seiner Nase. Da half nur Abstand halten, den größtmöglichen. Die Tür zur Terrasse stand offen. Pascha warf Robert einen Blick der Unverständnis signalisierte zu, dann entsprang er ihrem Duftkreis, suchte sich ein Plätzchen im Schatten eines Blumenkübels, blieb dort bei Wind und Wetter.
Bis zu dem Morgen an dem er laute Stimmen gefolgt vom Zuknallen einer Tür vernahm. Als Robert kurz darauf alle Fenster öffnete, wusste Pasche was die Stunde geschlagen hatte und trabte stillvergnügt ins Haus. Gerade rechtzeitig, denn die Nächte auf der Terrasse begannen von Tag zu Tag kühler zu werden.

Als Dorothee zum ersten mal das Penthaus betrat döste Pascha in einer Sesselecke. Die fremde Stimme im Flur ließ ihn hellwach werden. Er richtete sich auf und spitzte die Ohren. Dorothee trat in das Wohnzimmer, warf einen schnellen Blick in die Runde, dann einen längeren auf Pascha. Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu, blieb in respektvollem Abstand vor ihm stehen und sagte, "Du bist Pascha, ich habe schon viel von dir gehört!" Pascha wandte den Kopf zu Robert, der in der Tür stehengeblieben war und von dort die Szenerie beobachtete.
Pascha reckte und streckte sich, sprang aus dem Sessel und schritt mit erhobenem Schwanz auf Dorothee zu, umkreiste sie, wobei er ihr mit jeder Runde näher kam, bis er leicht an ihre Beine strich, danach legte er sich vor ihre Füße und schnurrte.

Mit Dorothees Eintritt in die Dreierbeziehung war alles anders geworden. Es bedeutete für Robert den Abschied von einer ungestümen und leichtlebigen Jugendzeit und das plötzlich und ohne jedes Bedauern.
Im nächste Monat hätten sie sich fünf Jahre gekannt und vor drei Jahren war sie bei den Beiden eingezogen.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (08.09.20)
In dieser Hinsicht ist auf Tiere Verlass.
Auf Menschen eher weniger ...

Liebe Grüße
der8.

 TassoTuwas meinte dazu am 08.09.20:
Die dummen Tiere haben eben nur ihren Instinkt, der kluge Mensch aber immer einen Plan!
:-)
Herzliche Grüße
TT

 ViktorVanHynthersin (08.09.20)
Und es ist nicht nur der "akrobatische Rückwärtssprung", den wir bei Katzen lieben. Gut eingefangen (die Geschichte natürlich).
Herzlichst
Viktor

 TassoTuwas antwortete darauf am 08.09.20:
Die Mischung machts, akrobatisch und aristokratisch.
Kommt bei Menschen nur selten vor
Liebe Grüße
TT

 EkkehartMittelberg (08.09.20)
hallo Tasso, gibt es unter Katzen mehr MKenschenkenner als unter Menschen Katzenkenner? Diese Frage stellt sich mir nach deiner amüsanten Erzählung.
Herzlichst
Ekki

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 08.09.20:
Hallo Ekki,
ich vermute, eine Umfrage unter Katzen wird das mit großer Mehrheit bestätigen
Herzliches Miau
TT

 plotzn (08.09.20)
Servus Tasso,

Du mutetst meinen grauen Zellen aber ganz schön was zu! All diese Zeitensprünge in die richtige Reihenfolge zu bringen, ist ein größeres Puzzle, bei dem Du uns boshafterweise die Vorlage vorenthältst.

Ich hoffe, am Ende bringst Du das Inhaltsverzeichnis wieder in die richtige Reihenfolge, damit ich den ablauf chronologisch genießen kann ...

Bis hierhin bin ich verwirrt aber gerne gefolgt!

Liebe Grüße,
Stefan

Kommentar geändert am 08.09.2020 um 17:50 Uhr

 TassoTuwas äußerte darauf am 08.09.20:
OK Stefan,

da ist mir ein peinlicher Fehler unterlaufen. Tatsächlich sollten keine Zeitensprünge vorkommen, sondern nur Seitensprünge.


Im Alter verwechselt man so was schon mal!
Herzliche Grüße
TT

 Lluviagata (08.09.20)
Katzen wissen, was sie tun. ;)

Amüsierte Grüße

Llu ♥

 TassoTuwas ergänzte dazu am 08.09.20:
Katzen und Frauen

Herzliche Grüße
TT

 Lluviagata meinte dazu am 08.09.20:
Nu!
Al-Badri_Sigrun (61)
(08.09.20)
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 TassoTuwas meinte dazu am 08.09.20:
Liebe Sigrun,

meine Katzenerfahrungen stammen vom Kater meiner Kinder!
Ein pechschwarzer Freigänger, ein wunderschönes Tier, klug und mit eigenem Willen.
Er kommt und geht wie er will, bleibt tagelang weg und dann ist er wieder da, zieht schon mal ein Bein nach oder hat ein blutiges Ohr.

Ein verschmuster liebenswerter Raufbold!
Wer wäre das nicht gerne

Herzliche Grüße
TT

 Didi.Costaire (08.09.20)
Hoffentlich ist am Ende nicht alles für die Katz...

Du wirst schon dafür sorgen, oder?

Schöne Grüße,
Dirk

 TassoTuwas meinte dazu am 08.09.20:
Didi,
mach mir keine Angst!

Wenn das alles für die Katz ist, wär ich ja ziemlich auf den Hund gekommen.


Liebe Grüße
TT

 tueichler (09.09.20)
Tja, Tasso, ich hab keine Katse, wäre mit vielleicht anders gelaufen. Aber einen kleinen Haken haste doch eingebaut.
‚ Im nächste Monat hätten sie sich fünf Jahre gekannt‘
Das hört sich nach der Tragik, einer letzten, aber endlichen Beziehung an. So bissel traurig.
Da fällt mir ein. ‚traurig‘ das müsste, der Wortabstammung nach ja von ‚trauen‘ kommen. Liegt also in Schluss der Ehe schon ein Gewisses Bedauern über den Abschied der vermeintlichen Freiheit Ohne jene (Ehe und Frau) begründet? Mer wases net, mer munkelt ebes!

😎

Kommentar geändert am 09.09.2020 um 00:39 Uhr

 TassoTuwas meinte dazu am 09.09.20:
Hallo Tom,
ich spüre es, in dir ruht eine große Sehnsucht nach Tragik!
In mir das Wissen nicht allen Wünschen gerecht werden zu können.
Beides sind legitime Grundrechte!
Während du dich zurücklehnen und abwarten kannst, muss ich sehen, wie ich aus dem Schlamassel raus komm
LG TT

 TrekanBelluvitsh (09.09.20)
Irgendjemand muss hier ja mal die Meinung geigen... äh... schnurren.
;-)

 TassoTuwas meinte dazu am 09.09.20:
"Gut gebrüllt", sagte der Löwe
TT
Sätzer (77)
(10.09.20)
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.09.20:
Meine Katzenkenntnisse beruhen auf der Bekanntschaft mit einem angeheirateten Kater.
Ein Freigänger und rechter Raufbold!

LG TT

 AvaLiam (17.10.20)
Meine Katze hat diese Fähigkeit auch.
Sie weiß genau, wem sie blind vertrauen kann und wer es gut mit ihr meint.

Was das Gepäck von Claire anbelangt - so fühlte ich mich selbst ein wenig ertappt. :-D

Aber man will ja auch für jeden Fall das Richtige haben.
Das ist einfach nur praktisch gedacht. :-D

Liebe Grüße - Ava

 TassoTuwas meinte dazu am 18.10.20:
Auf den Inhalt deiner Hutschachteln wäre ich doch sehr gespannt.

Sei immer gut behütet!
Liebe Grüße
TT

 Enni (22.11.20)
Herrlich!
Katzen haben eben dieses ultimative Gespür, und sie haben Charakter und Willensstärke, was manchen Menschen abgeht.

Wie kann man auch Pascha nur "Kätzchen" nennen oder seinen empfindsamen Geruchssinn mit künstlichem Duft beleidigen?

Toll, wie du hier kätzische Verhaltensweisen untergebracht hast.
Ich habe in jeder Hinsicht meinen Kater erkannt.
Lieben Gruß
Enni

 TassoTuwas meinte dazu am 22.11.20:
Hallo Enni,
wir Menschen entscheiden nach dem Verstand (in der Hoffnung, dass er uns nicht im Sich lässt), Tiere folgen dem Instinkt.
Am Ende wird sich zeigen was richtig war.
Herzliche Grüße
TT

 harzgebirgler (24.11.20)
nicht jede hält der katzenprüfung stand
doch wenn mag's sein des glückes unterpfand.

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 25.11.20:
Die Katzenprüfung ist brutal
da rinnen Tränen ohne Zahl

LG TT
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