Von schlimmen Zuständen und göttlichen Korrekturen

Essay zum Thema Wahrheit

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)

„Wir bekennen aufrichtig, dass Gott die Verfolgung seiner Kirche geschehen läßt wegen der Menschen und sonderlich der Priester und Prälaten Sünden. ...Wir wissen wohl, dass auch bei diesem Heiligen Stuhl schon seit manchem Jahre viel Verabscheuungswürdiges vorgekommen: Mißbräuche in geistlichen Sachen, Übertretungen der Gebote, ja daß alles sich zum Ärgeren verkehrt hat. Wir alle, Prälaten und Geistliche, sind vom Weg des Rechts abgewichen.“
Als Papst Hadrian VI. 1523 diese Worte schrieb, befand sich die katholische Kirche in einem desaströsen Zustand. Und was er mit der von Gott zugelassenen Verfolgung seiner Kirche wohl meinte, ist unschwer zu erraten.
  In Deutschland und der Schweiz waren, ausgelöst durch Martin Luther und Ulrich Zwingli, massive Reformbewegungen im Gange. Später sollte noch eine weitere durch Johannes Calvin hinzukommen.
  Reformbewegungen, die nicht nur die Sünden und Missbräuche der katholischen Kirche anprangerten, sondern die grundsätzlich ihre vorgeblich von Gott verliehene Macht in Frage stellten.
    Auf einmal war das Heil der Menschen nicht mehr Sache der vermittelnden Kirche, sondern eine Sache alleine zwischen Gott und Mensch. „Alleine durch den Glauben an Jesus Christus wird man vor Gott gerecht“, hatte dieser wittenbergische Ketzer zu behaupten gewagt.
    Sola fides, sola gratia ... ohne die Vermittlung und den Segen der kathotlischen Kirche. Welch eine bodenlose Unverfrorenheit! Und viele Leute glaubten diesem Irrlehrer!

Es ehrt diesen Papst, dass er eine gewisse Einsicht in die Verfehlungen seiner Kirche zeigte und sie auch öffentlich - as Schreiben war an den Reichtstag in Nürnberg gerichtet- zugab!
    Aber es wäre sicherlich zu viel verlangt gewesen auch noch einzusehen, dass Luther und auch Zwingli auf einen ganz wesentlichen Punkt hingewiesen hatten: Glaube ist in erster Linie eine Sache zwischen Gott und Mensch!  hier
    Luther bezog sich hier insbesondere auf den Römerbrief des Paulus:

Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.
    Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben.
    Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen,  und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. (Römer 3,22-25)
Das der Kirche diesbezüglich eine helfende, dienende und vermittelnde Funktion zukommt, wird ja damit nicht in Abrede gestellt. Aber das sie über den Glauben und das Heil eines Menschen letztendlich zu bestimmen hätte, wird hier - aus meiner Sicht - eine klare Absage erteilt.
  Insofern denke ich, dass es sich bei der Reformationen des 16. Jahrhunderts nicht um eine Verfolgung der katholischen Kirche gehandelt hat, sondern um eine göttliche Korrektur gewisser Fehlentwicklungen ging.

Gedankenimpuls:
Der Irrtum wird auf Dauer niemals Recht behalten  können! Irgendwann kommt einer und bringt die Wahrheit (wieder) ans Licht!

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (09.09.20)
eine göttliche Korrektur gewisser Fehlentwicklungen
Auch Gott unterliegt in seiner Schöpfung dem Prinzip von "trial and error"?

 Bluebird meinte dazu am 09.09.20:
Wer den Menschen einen freien Willen gewährt, gibt damit natürlich auch Raum für Irrtümer und Fehlentwicklungen

 Graeculus antwortete darauf am 09.09.20:
Das ist die (erwartbare) Standardantwort. Sie läßt freilich an der Allwissenheit Gottes zweifeln, weshalb er dann doch auf trial and error angewiesen ist ... ganz so wie wir.

Und dabei bleibt die Frage, ob wir Menschen wirklich einen freien Willen haben, noch außen vor:

G: Kannst du dich in einem freien Willensentschluß von Gott abwenden?
B: Ich könnte es, wenn ich wollte.
G: Du kannst es unmöglich wollen. Darin liegt die Unfreiheit deines Willens. Du kannst es nicht.
B: Aber du kannst dich doch von Gott abwenden.
G: Gewiß. Und es ist mir unmöglich, mich ihm zuwenden zu wollen. Das ist die Unfreiheit meines Willens.
B zieht sich zum Gebet zurück.

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 09.09.20:
A: Sind alles Projektionen des Geistes. Wie der Tropfen im Ozean, so der Ozean im Tropfen, wie hier, so dort, wie oben, so unten ...
(- A zieht sich ebenfalls zurück.)

 Bluebird äußerte darauf am 09.09.20:
Ich rätsele etwas über den graeculinischen Dialog ...

Natürlich steht für mich ohne Zweifel fest, dass ein allmächtiger Gott meinen Willen genau so lenken könnte, dass ich am Ende genau das will und tue, was Er will.

Die Frage allerdings ist, ob er auch tatsächlich von dieser Macht Gebrauch macht oder aber mir - und somit auch allen anderen Menschen - bis zu einem gewissen Grade tatsächlich einen freien Willen gewährt? Ich denke, dass dem so ist!

Antwort geändert am 09.09.2020 um 12:41 Uhr

 Graeculus ergänzte dazu am 09.09.20:
1. Weiß Gott nun oder weiß er nicht, wie Du Dich entscheiden wirst, bevor Du Dich entscheidest?

2. Kannst Du nun oder kannst Du nicht Dich gegen Gott entscheiden wollen? (Du kannst es, wenn Du es willst; aber kannst Du es wollen? - das erst wäre Willensfreiheit.)

 LotharAtzert meinte dazu am 09.09.20:
Als ich das letzte mal Sekundant sein sollte, wurde ich mit dem Duellanten verwechselt. Nix wie weg hier!

 Bluebird meinte dazu am 09.09.20:
@Graeculus

Ich gehe davon aus, dass Gott weiss, wie wir uns mit unserem freien Willen entscheiden werden, aber möglicherweise so zumindest zeitweise so agiert, als wüsste er es nicht.

Persönlich denke ich nicht, dass wir die Dinge bis auf den letzten Grund erkunden könn(t)en ... ich gehe aber davon aus, dass wir einen tatsächlichen von Gott gewährten willentlichen Spielraum haben, ansonsten würde das ja irgendwie alles keinen rechten Sinn ergeben.... das wäre dann ja eine Art Marionetten-theater

Antwort geändert am 09.09.2020 um 14:15 Uhr

 loslosch meinte dazu am 09.09.20:
der pater, der von der nonne absteigt, MUSS gesündigt haben. - das wäre ja noch schöner!
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