07 - Nur ein Wort

Erzählung zum Thema Aufwachen

von  TassoTuwas

Dieser Text ist Teil der Serie  Ferne Lichter so nah.
Sie hatte ihn, so deutete er es, als er auf dem Weg zum Hotel war, nachsichtig angelächelt.
"Tut mir Leid, heute werden Sie wohl allein essen müssen, ich hab schon etwas vor!
"Schade", hatte er gesagt.
Einen Moment, der ihm wie eine Ewigkeit schien, standen sie sich unschlüssig gegenüber, während er fieberhaft überlegte, wie er das Gespräch ins Unverbindliche lenken konnte.
"Aber Sie können mir sicherlich einen Tipp geben, wo es sich lohnt hinzugehen?", sagte er schließlich und fügte noch ein "Alleine" an.
"Es ist überall Hochbetrieb während der Messe...", auch sie schien erleichtert, dass er die Absage ohne erkennbaren Groll hingenommen hatte, "...die Stadt gleicht einem Ameisenhaufen, was stellen Sie sich denn vor?".
"Naja...", sagte er gedehnt, "...etwas Kleines, wo man sich ohne Probleme unter die Leute mischen kann, etwas Atmosphäre vielleicht".
Auf ihrer Stirn bildeten sich zwei entzückende Fältchen, "Gehen Sie in die Altstadt, am besten ins Hühnerbein, oder ins Pauline..", sie machte eine Pause, "...oder besser noch ins Gurkenfass!"
"Und Ihre ganz persönliche Empfehlung?"
Sie hatte einen Schritt zurück getan und ihren Blick prüfend an ihm auf und ab wandern lassen
"Das Gurkenfass..." sie nickte und er meinte für einen winzigen Moment ein schelmisches Blitzen in ihren Augen gesehen zu haben  "... ja, das passt, Sie sind ein Gurkenfasstyp!".

Sie war ja nicht unfreundlich, sie hatte sich doch nett mit ihm unterhalten, ging es ihm durch den Kopf, als er im Taxi zum Hotel saß. Und sie hatte gesagt, dass es ihr leid täte. Allerdings nicht, dass es ihr sehr leid täte oder wirklich oder sogar außerordentlich, wohl nur so ganz alltäglich leid, halt. Kein Wunder, bestimmt bekamen die jungen Damen jeden Tag mehrere Angebote, und sie mit Sicherheit besonders viele, es wimmelte ja geradezu von interessanten Männern in den Hallen, und nett zu sein gehörte zum Job. Nun ja, er hatte es eben versucht, aber wenn er nicht nach ihrem Geschmack war oder er vielleicht nur zu spät gefragt hatte, schade.

Die Tage waren doch anstrengender geworden als gedacht, die abgestandene Wärme in den Hallen, die ständige Beschallung von den Ständen, das Geschiebe in den Gängen, ihn schmerzten die Füße. Er hatte im Hotelrestaurant etwas gegessen, nur eine Kleinigkeit, und doch war er keine Lüge, der Satz vom großen Hunger, den hätte er gehabt, zu zweit, jetzt, allein, stochert er lustlos auf dem Teller herum. Zurück im Zimmer macht er sich im Bett lang, blätterte in einer Illustrierten ohne zu lesen, schaltete gelangweilt durch die Fernsehprogramme, dachte darüber nach, wie die Zeit zu besiegen war, aber immer wieder fand er sich in Gedanken auf dem Messestand wieder, diesem bezaubernden Wesen gegenüber. Was hätte er sagen sollen, dass ihre Antwort eine andere geworden wäre? Er wiederholte ihre Worte, "Tut mir leid, heute werden sie wohl alleine...
Es traf ihn wie ein Blitz, schlagartig war er hellwach, mit einem Ruck saß er kerzengerade auf dem Bett, hinter seiner Stirn überschlugen sich die Gedanken. Sie hatte heute gesagt, heute, aber was war mit morgen? War heute nur ein unbedachtes Wort, so einfach dahin gesagt, oder eine versteckte Botschaft? Wenn es kein Versprecher war, dann war noch nichts verloren.
Die eben noch verspürte Müdigkeit war vergessen, er eilte ins Bad. Eine halbe Stunde später verließ er das Hotel bester Laune Richtung Altstadt. Sie sind ein Gurkenfasstyp klang ihm noch in den Ohren. Es galt heraus zu finden, was damit gemeint war.

Lautstarkes Stimmendurcheinander schlug ihm entgegen und eine blaue, kaum zu durchblickende Qualmwolke waberte Atemwege bedrohlich vor seinen Augen. Das Gurkenfass war tatsächlich randvoll. Er schob sich Zentimeter für Zentimeter durch die Menge zu einem der Stehtische, an dem er noch ein winziges, freies Eckchen erspäht hatte. Mit einiger Armverrenkung bekam er die Getränkekarte in die Finger. Durch das Gewirr der Gesprächsfetzen vernahm er hinter sich eine Stimme.
"Haben Sie noch eine Frage, oder darf ich ihnen etwas bringen?"

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Kommentare zu diesem Text


 Moja (12.09.20)
...und wie geht es weiter? - fragt gepackt Moja

 AZU20 meinte dazu am 12.09.20:
Das frage ich auch. LG

 TassoTuwas antwortete darauf am 13.09.20:
Ich stimme voll zu,
Eine berechtigte Frage!

Mit der Bitte um (etwas Geduld)
LG TT

 EkkehartMittelberg (12.09.20)
hallo Tasso, Gurkenfässer sind für Überraschungen gut. Sollte ich nicht wundern, wenn sie dort noch auftaucht. Na, schaun wir mal.
Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 13.09.20:
Hallo Ekki,
Wunder schaden weder im richtigen Leben, wo sie allerdings selten sind, noch im erfundenen!
Herzliche Grüße
TT

 Quoth (12.09.20)
Hallo TassoTuwas, "... deutete er es, als er er auf dem Weg zum Hotel war ..." Dann ist das Höflichkeits-Sie viermal (?) kleingeschrieben.
Ansonsten durchaus ein hübscher Einblick ins Beziehungsleben der Geschäftsleute ...
Gruß Quoth

Kommentar geändert am 12.09.2020 um 20:02 Uhr

 TassoTuwas äußerte darauf am 13.09.20:
Hallo Quoth,
danke für die Hinweise!
Inzwischen sind die Schlampigkeiten korrigiert

Gruß TT

 Quoth ergänzte dazu am 14.09.20:
Bin noch neu und war unsicher, ob solche Hinweise hier erwünscht sind. Unüblich scheinen sie mir. Um so erfreuter bin ich, dass Du sie umgesetzt hast. Gruß Quoth

 TassoTuwas meinte dazu am 14.09.20:
Auch hier macht der Ton die Musik
Gruß TT

 TrekanBelluvitsh (13.09.20)
Auf ins nächste Abenteuer!

 TassoTuwas meinte dazu am 13.09.20:
Die nächsten Abenteuer könnten im hochprozentigen Bereich liegen
TT

 plotzn (13.09.20)
Mir darfst du Teil 08 bringen, Tasso.
Bitte in die gemütliche Sofaecke - Stehtischen fehlt oft die notwendige Sitzmöglichkeit...

Danke!
Stefan

 TassoTuwas meinte dazu am 13.09.20:
Stefan,
für dich ein Herrengedeck
(geht natürlich aufs Haus)

Herzliche Grüße
TT
Al-Badri_Sigrun (61)
(13.09.20)
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 TassoTuwas meinte dazu am 14.09.20:
Guten Morgen Sigrun,

ich hoffe, es bleibt so

Liebe Grüße
TT

 TassoTuwas meinte dazu am 14.09.20:
Die Woche fängt schon gut an, mit Wackelfinger

Antwort geändert am 14.09.2020 um 10:13 Uhr

 ViktorVanHynthersin (14.09.20)
Vor ein paar Wochen las sich von einem Kraken im Gurkenfass... hoffentlich werfe ich später nichts durcheinander
Neugierig wie es weitergeht
Viktor

 TassoTuwas meinte dazu am 14.09.20:
Tatsache ist, Kraken haben eine Vorliebe für Salzgurken, verabscheuen allerdings Senfgurken. Zu den natürlichen Feinden von Kraken gehört die Schlangengurke.
Danke, dass du mir Gelegenheit gabst, hier herum zu gurken
Schöne Woche!
TT

 IngeWrobel (14.09.20)
Da ist er wieder: mein "alter" Erzählerfreund Tasso!
Wie in Deinem "Toskana"-Buch ist auch hier die Erzählfreude zu spüren. Ich danke Dir für den Lesespaß!
Herzlich
Inge

Edith war nötig, weil ich schon wieder "Toskana" mit c geschrieben habe. tz,tz,tz!
,-)

Kommentar geändert am 14.09.2020 um 14:58 Uhr

 TassoTuwas meinte dazu am 15.09.20:
Hallo Inge,
hatte ich auch anfangs mit c, ist doch klar, italienisch!

Dann möchte ich dir noch zu deinem fantastischen Gedächtnis gratulieren


Liebe Grüße
TT

 irakulani (15.09.20)
Es bleibt spannend.... Ich habe schon mal weiter gesponnen: Kann es sein, dass der Gurkenfassbesucher plötzlich Vogelstimmen vernimmt?
Bin sehr gespannt )
L.G. Ira

 TassoTuwas meinte dazu am 16.09.20:
Hallo Ira,
die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, schließlich lieben wir doch alle die süßen Piepmätze

Herzliche Grüße
TT

 AvaLiam (09.11.20)
"Sie sind ein Gurkenfass-Typ."

Charmant.

(ich hab das schon verstanden - konnte mich aber nicht gegen ein hölzernes Fass um einen Herren herumgebaut wehren)

LG - Ava

 TassoTuwas meinte dazu am 09.11.20:
Charmant witzig kommt immer gut und geheimnisvoll ist der halbe Sieg
Liebe Grüße
TT

 harzgebirgler (23.11.20)
schätzt eine wen als typ so ein
dank menschenkenntnis die nicht klein
sollt' der statt gast im hühnerbein
im gurkenfass durchaus mal sein.

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 24.11.20:
Du kriegst Freibier

LG TT

 Enni (26.11.20)
Oh, was so ein einfaches Wörtchen wie "heute" ausmachen kann ...
Wie gut, dass er sich erinnert hat.

Bin gespannt, was das Gurkenfass ihm bieten wird. Ein Ahnen ist vorhanden ...
Wieder gut geschrieben, macht das Lesen zum Vergnügen.

Lieben Gruß
Enni
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