Weil
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Lieblingsmänner und am Ende ein wenig Wald

Text

von  Oskar

Köln Hbf. Alle tragen Masken. Gut So. Kein Bock mehr eure Pimmelnasen und Mösenmünder zu sehen. Rucksack auf dem Rücken, Ehekrise auf den Schultern. Den Hintern auf einer dieser niedrigen Metallstangen. In der Hand ein Captain Morgan. Gleis 9. Lasse jeden Zug nach Bonn an mir vorbeiziehen. Stehe auf. Gehe runter. Tänzel beschwipst an Tieren vorbei. U-Bahn Linie 18, dann Schlafsack holen und meine neues Heim für die nächsten Tage herrichten. Die Garage.
„Kannst du das nicht anders organisieren? Habe diesen Monat viel Stress und brauche Ruhe.“
„Geh doch in die Garage. Dafür ist sie doch da.“
Nein. Falsch. Sie sollte mein Depressionsbunker werden. Hätte ich mir aber denken können, als sie ihr Fahrrad dort abstellte, noch bevor ich nur anfing den Raum mit Leben zu füllen.
„Direkt okkupiert.“
„Wie?“
„War nur ein Scherz.“
Leider nicht. Leider auch kein Scherz, bezahlten Lockdown-Urlaub zu bekommen und dann herumjammern wie sehr man doch struggle. Ja Mädchen. Ganz furchtbar mit seinen neuen Freunden zwei Monate lang zu zocken, während ich mal eben meinen geliebten Job mit den Prostituierten verlor und jetzt wieder Nachtdienste schieben darf.
„Das ist natürlich bitchy und scheisse - aber bedauerlicherweise nicht untypisch fürs weibliche Geschlecht. Ich mein, nicht umsonst haben so viele Männer "ihre" Garage, "ihren Keller", "ihren Dachboden", "ihr Minizimmer" oder - wer das alles nicht hat, "seine Kneipe". Es ist ein Geschlechterkampf. Trotzdem in jedem Einzelfall und auch bei dir: Bitch! Gesendet aus meinem Zimmer.“
Danke. Passt zwar gut in meine trunkene Stimmung, aber als rechter Alevit kann ich das so nicht annehmen. Die zehntausendste Dose öffnet sich mystisch, der Bonner Verprellte zeigt Herz und bringt mich zum weinen. Möglich das es wahr ist, was du schreibst.
„... Ja. ... ?aber?... ich habe dieses Zusammenleben auch so kennengelernt: man bringt sich dazu, sich den eigenen Fehlern und Schlagseiten zu stellen und praktisch/nüchterner damit umzugehen (im Gegensatz zu "ausrasten" oder "dann mal weg sein") und zusammen weiterzumachen. Und auch wenn man in der Intensität der Situationen mal raus muss -- die Tatsache, dass wieder-nach-Hause-gehen bedeutet ins Heim mit dem Geliebten zurückzukehren, gibt Verbindlichkeit und Verbundenheit (und damit Zugang zur eigenen und (!!!) gemeinsamen Kraft, die man sonst nicht dafür angezapft hätte) die uns wachsen lässt."
Scheint ein solitäres Spiel zu sein, dass aus Wandkommunikation besteht. Durch die links von mir höre ich dieses nervige Kinderspielzeug zwischen den Speichen ihres Rades. Sie ruft die Katze. Sie ist bei mir. Reagiert zum Glück nicht. Schläft ruhig weiter.
„Männer sind soziopathische Säufer, Frauen reproduktive Quälgeister. Denke schon, dass man sich durch das andere Geschlecht sozialpsychologisch vom Tier zum Menschen hin entwickelt, so anstrengend es auch sein mag. Wachstum kostet immer Energie und auch die Flucht vor der Einsamkeit will bezahlt sein.“
Ja. Im besten Fall 59 Cent in Dosenform. Am Ende oft nur den Wunsch endlich von diesen miesen Bäumen aufgesogen zu werden.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (14.09.20)
Schön aus der Perspektive eines typischen Kölner Obdachlosen und Alkoholikers erzählt.

P.S.:
Lockdown Urlaub -> Lockdown-Urlaub
Zocken -> zocken

 Oskar meinte dazu am 14.09.20:
Heimatlosigkeit. Gutes Thema, oft. Danke.
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