Negative Kriege

Erzählung zum Thema Betrachtung

von  Terminator

Der Hundertjährige Krieg war ein Krieg der Renaissance. Die negationistische Gegenbewegung, die Reformation, mündete in einem viel schrecklicheren Krieg, der aufgrund der apokalyptisch wahrgenommenen Türkengefahr verschoben werden musste. Karl V hätte ihn sicherlich geführt, der katholische Fundamentalist Philipp II noch gerner, doch Süleyman der Magnifiziente hätte das sich totalbekriegende "Lateineuropa" (Bernd Roeck) mit Sicherheit erobert. Nach dem erschöpfenden Dreißigjährigen Krieg standen die Türken wieder von Wien. Das Resultat war dann doch nicht so dramatisch. More was lost at Mohács.

Jede Negationsbewegung sammelt einen Frustrationsstau, der sich entladen muss. Der totale Krieg enlädt die Spannung und erlöst den weltverneinenden Geist in das Du Darfst der Weltbejahung. Die Kabinettskriege des Barock waren im Vergleich zum nullten Weltkrieg Europas Ritterturniere. Die nihilistische Aufklärung endete mit den Napoleonischen Kriegen; Europa war im 18. Jahrhundert aber schon Herr der Welt, deshalb musste der Siebenjährige Krieg nicht warten. Der lange Frieden des 19. Jahrhunderts entsprang dem mediokritären Hedonismus des bürgerlichen Zeitalters. 

1914 passierte etwas Ungewöhnliches: der größte Krieg der bisdahinnigen Geschichte entlud die angestauten Negationskräfte nicht am Ende, sondern gleich zu Beginn der nächsten negativen Phase. Und 20 Jahre nach seinem Ende ein weiterer, noch größerer Krieg. Und keine 20 Jahre später fast ein Atomkrieg. Die dritte und letzte Negationsphase entlud wohl die Widersprüche nicht nur des bürgerlichen Zeitalters, sondern der ganzen europäischen Neuzeit.

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