3 - In einem richtigen Leben

Erzählung zum Thema Beziehung

von  Moja

Tariq und Elke liefen vorbei an arabischen Geschäften. Ihre Blicke streiften die arabischen Sprüche an den Ladentüren, die gerahmten Koransuren an den Wänden, Bilder der Kaaba in Mekka, aus Bäckereien duftete es nach Sesampaste. Elke spürte zum ersten Mal die Achtung in dieser Gegend, die ihr entgegengebracht wurde mit diesem Mann an ihrer Seite. In Begleitung eines Schwarzen grölten ihr die Männer hinterher, machten anzügliche Bemerkungen. Schlenderte sie allein an den arabischen Läden, Cafés, Friseurläden, Konditoreien vorbei, wurde sie unablässig unverschämt gemustert, blieb sie vor einer Auslage stehen, fühlte sie in ihrem Rücken scharfe Blicke, die auf ihrer Haut brannten. Tariqs Gegenwart verwandelte ihr Viertel in das Ausland, nach dem sie sich sehnte. Eine zauberhafte Atmosphäre wie in einem Souk ergriff sie. Ein würziger Duft lag über der Straße, die hart rollenden Stimmen, das offene Lächeln der Männer an den Caféhaustischen von Neonlicht erhellt, verströmte eine Sanftheit und Zufriedenheit, die ihr neu waren.

Sie betraten einen ägyptischen Lebensmittelladen. Vor rosafarbenen Wänden lagen Waren, deren Beschriftung Elke nicht lesen konnte. Tariq griff eine Handvoll Cashewkerne aus einem Sack und kostete davon, bot ihr welche an, er schlenderte durch die Regalreihen, betastete prüfend schrumpelige gelbe Mangos aus dem Sudan, die Steinen ähnelten und einen betörenden Duft verströmten und füllte zwei Plastiktüten voll. So würde es sein, wäre ich in seinem Land mit ihm, stellte Elke sich vor. Schwer beladen mit Tüten verließen sie das Geschäft, lächelnd sah er sie von der Seite an und legte den Arm um sie. „Wie in einem richtigen Leben.“, sagte er. „Ein richtiges Leben?“ fragte Elke. „Die Kinder liefen mir entgegen, wenn ich von der Arbeit kam“, erinnerte sich Tariq mit einem Leuchten in den Augen, „die Kleine fragte mich immer, „Baba, hast du mir Bananen mitgebracht?“  Abrupt brach er ab, Schmerz verzerrte sein Gesicht. Er war hier nicht zuhause. Ohne eine Genehmigung durfte er sich nicht in dieser Stadt aufhalten. In diesem Land war Tariq ein Asylbewerber.

(Auszug)  – Fortsetzung folgt –

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (27.09.20)
Hallo Moja,
ich kann Elkes Empfindungen gut nachvollziehen, weil ich in vielen arabischen Ländern war.
Liebe Grüße
Ekki

 Moja meinte dazu am 27.09.20:
Dann weißt Du Bescheid, Ekki, kennst die Mentalität.
Danke Dir, grüße herzlich zurück,

Moja

 TassoTuwas (28.09.20)
Hallo Moja,
es ist zu spüren, hier geht jemand mit offenen Augen und weitem Herzen durch das Viertel!
Herzliche Grüße
TT

 Moja antwortete darauf am 28.09.20:
So ein Kommentar freut mich, vielen Dank!

Und vielerlei Grüße,
Moja

 AchterZwerg (28.09.20)
Das wird ja gern einmal vegessen,
auch die emsigen, unfehlbaren Deutschen bestückten mehr als einmal riesige Flüchtlingstrecks und baten "reiche" Bauern um Brot. Oder auch um Asyl.

Liebe Grüße
der8.

 Moja schrieb daraufhin am 29.09.20:
Fluchtbewegungen gab es immer schon, aber wie es sich anfühlt, Flüchtling zu sein, wird schnell verdrängt - sollen sie doch bleiben, wo sie herkommen, höre ich oft und frage mich, wenn alle nun zurückgingen, wo sie ursprünglich herkamen - wie weit müssten sie gehen? Nicht auszumalen, wäre man DORT geboren...

Liebe Grüße,
Moja
Al-Badri_Sigrun (61)
(02.10.20)
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 Moja äußerte darauf am 02.10.20:
Das ist wahr, liebe Sigrun, diese Erfahrung ist wohl eine der schmerzlichsten, ich habe das so oft in meinem Umfeld gesehen, von der anfänglichen Euphorie bleibt nichts, vieles geschieht, dass vorher unvorstellbar gewesen war, meistens kommt alles anders als erhofft. Wenige schaffen, was sie sich wünschen, auch umzusetzen.

Danke und lieben Gruß,
Moja
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