Konforfrei 2

Erzählung zum Thema Erinnerung

von  franky

Als die Familie aus dem Parterr mit den zwei Töchtern in eine schönere Wohnung in den nächsten Ort zog, konnten wir auch in die unteren zwei freiwerdenden Räume einziehen. Für unsere Fünfköpfige Familie war nun genug Platz, was uns Kinder besonders zu Gute kam. 
Die drei Fenster in der geräumigen Wohnküche waren mit einem Schmiedeeisernem Gitter, gegen etwaige Einbrecher versehen.
Die Verglasung bestand aus einem dünnen, einfachem Glas, welches nur in einem sehr von der Witterung schon arg zugerichteten Holzrahmen gekittet war. Der Jahr Zehnte alte Fensterkitt bröckelte vor Altersschwäche von Fenster und Rahmen. Zum Leidwesen von Vater machten sich unsere flinken Kinderfinger oft daran zu schaffen. Er sah sich dann gezwungen, das Glas neu einzukitten. Durfte Papa manchmal zusehen, wie er eine kaputte Scheibe durch eine Neue ersetzte. Mit einem Glasschneider wurde auf einem größeren Stück eine Ritze gezogen und dann mit den Händen auseinandergebrochen. Nicht immer folgte die Materie den Naturgesetzen, so dass nur ein Scherbenhäufchen überblieb. Die jeweiligen Fensterflügel waren noch zweimal unterteilt, da wurde bis zum nächsten Versuch ein Ersatz aus Pappe eingefügt.
In Kalten Wintern, wenn die Scheiben dick gefroren waren, mit dem Hauch sich ein Guckloch zu schaffen, machte mir besonders Spaß.     
Inzwischen wurde Mama wieder Schwanger und gebar am 14.04.1940 ein Schwesterlein. Mit Hebamme frau Heil, kam Mama überein, diesmal sollte es eine Hausgeburt werden. Aber wohin mit uns drei kleinen Gschroppn? Mich hatte Mama zu unserer Nachbarin Frau Graßecker gebracht. Dort durfte ich in einem weichen Bett in der kleinen Küche schlafen. Nachts wurde ich von mörderlischen Schreien meiner Mama geweckt. So ein Geburtvorgang ist halt nichts für schwache Kindernerven.
Auch wenn im Winter ein zweites Paar Fensterflügel eingehängt wurde, so konnten sie die
Heftigen Schmerzensschreie nicht dämmen.
In Ermangelung eines Kinderwagens, wurde das winzige Schwesterlein Gertrude in einen kleinen Leiterwagen gebettet und für einen ruhigen, gesunden  Schlaf ins freie platziert.
Von nun an war ich nicht mehr der Kleinste und musste was den sowieso schon schmalen
zärtlichen  Zuwendungen anbelangte, noch weiter zurückstecken.
Vor etwa einem Jahr versuchte man mir einzureden, dass ein Schnuller (Zuzi) für einen so großen Pup wie mir nichts wäre, da sollte ich mich schämen. Mama warf vor meinen ängstlichen Kinderaugen den Schnuller ins lodernde Flammen des Küchenherdes. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sich mein Inneres schmerzvoll zusammen zog, bis das Pagelit und Gummi in der Glut des Kochherdes verschwand.

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Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(07.10.20)
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 EkkehartMittelberg (07.10.20)
hallo Franky, die Überschrift "Komfortfrei" passt auch gut zu diesem Text.
LG
Ekki

 harzgebirgler (07.10.20)
im gedächtnis wohlverwahrt
wird, was war einst, aufgespart
für bericht in spät'rer zeit
wo's zurückliegt oft schon weit
und so mag auch ich gern lesen
wie es einstmals ist gewesen
atmosphärisch, familiär,
nachvollziehbar durchaus sehr.

lg henning

 AvaLiam (08.10.20)
Ach Franky...

...das erinnert mich wieder an den Spruch:
Die besten Geschichten schreibt das Leben.

Wer nichts erlebt, kann nichts erzählen.
Sicher kann man auf die ein oder andere Erfahrung verzichten.
Doch am Ende machen genau diese Erfahrungen uns zu dem Menschen, der wir sind.
Und ich find dich schon schwer in Ordnung.

Liebe Grüße - Ava
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