Waldliner

Erzählung zum Thema Fragen

von  Harry

Wer ist Waldliner? Jeder kennt ihn.
Nur Z. kennt ihn nicht, denn Z. ist Waldliner.

„Guten Abend, Herr Waldliner!”, sagte die Frau, die sich direkt vor ihm aufgebaut hatte.

„Guten Abend, Herr Waldliner!, sagte sie Sie noch einmal; diesmal mit  mehr Nachdruck: „Sie sind doch Waldliner?“

Sie war nicht etwa wahllos auf Z. zugegangen. Im Gegenteil . Sie glaubte sehr genau zu wissen, wen sie da ansprach. „Guten Abend, Herr Waldliner!“, sagte sie und: „Was ich Sie eigentlich schon immer fragen wollte ... “.

Z. stand an die Theke gelehnt, vor einer Tasse Kaffee; betont gelangweilt den Aufmarsch der Theaterbesucher zu beobachten, die kurz vor Vorstellungsbeginn hängender Zunge das Haus flutenten.

Dabei hatte er längst bemerkt, wie die (ihn ansonsten nicht sonderlich interessierende) Frau ihn schon von Weitem ausgemacht hatte und zielgerichtet auf ihn zugetankt kam.

Z. hatte die kurze Dauer ihres Weges von der Garderobe zum Theaterbistro zur Vorbereitung auf die von ihm als unangenehm empfundene Situation genutzt, die Miene des Unbeteiligten aufgesetzt und den Gelangweilten gegeben, der nichts anderes darstellen wollte als den beliebigen Theaterbesuchers, der ‚eben noch schnell mal seinen Kaffee’ trinken wollte. Sonst nichts.

Tatsächlich aber war Z. damit beschäftigt, sich hektisch ein Bonmot zurecht zu legen, das er gleich brauchen würde bei der offenbar unvermeidlichen Begegnung mit dier ihm völlig unbekannten Frau.

Es blieb ihm gerade noch die Zeit, um sich mit dem Zeigefinger seiner linken Hand entschuldigend auf die mit einem Schluck Kaffee gefüllte Wange zu weisen. So, als wolle er sich dafür entschuldigen, nichts entgegnen zu können.


Als sie auch diesen Wink nicht verstehen wollte, sagte der schließlich: „Sie verwechseln mich mit einem anderen. Wie hieß er noch? Waldenser? Wallander? …”

„Waldl-i-ner”, sagte die Frau prononciert, bevor Z. dann doch antworten musste.

„Meinetwegen. Aber ich heiße nicht Waldliner. Ich bin auch nicht Waldliner. Ich kenne auch keinen Waldliner.”

„Schluss. Basta, Abgang”, sagte sich Z. und meinte, die Herausforderung damit souverän gemeistert zu haben.

Die Frau neigte den Kopf ein wenig zur Seite und ihre Augen drückten ihre Gewissheit aus, in Z. Waldliner erkannt zu haben, von keinem nehmen zu lassen. Auch nicht von Waldliner selbst, der nach wie vor darauf bestand, Z. zu sein. So dachte sie und nahm daraufhin das beinahe stereotype Verhalten eines Kommissars in einer schlecht gemachten TV-Serie an, der sich beim im Gehen immer noch einmal umdrehen muss, um die schon zum Ritual erstarrte Standardfrage loszuwerden:

„Was ich Sie eigentlich noch fragen wollte …”,

Offenbar wollte sie mit dieser Floskel nur ihre Absicht bekräftigen, sich von ‚ihrem’ Waldliner so leicht nicht abspeisen zu lassen; schließlich geradezu ein Recht darauf zu haben, mit 'Waldliner’ zu sprechen, wann immer sie wolle.

„Geben Sie sich keine Mühe. Ich weiß dennoch, dass Sie Waldliner sind!“

Z. schüttelte nur den Kopf, trank sichtlich genervt seinen Kaffee aus, fasste sich ein Herz und ging seinerseits hinüber zur Garderobe:

„Was hätten Sie mir denn sagen wollen, wenn ich tatsächlich, wie Sie wohl noch immer fälschlicherweise vermuten, Waldliner wäre?“

Die Frau machte nicht den Eindruck, über diese Nachfrage besonders überrascht zu sein und sagte, nachdem die Klingel schon zum dritten Mal zur Einnahme der Plätze gemahnt hatte, nur noch:

„Ich habe Ihren Vater
sehr gut gekannt.“

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (19.10.20)
Nett zu lesen, aber ich verstehe nicht, um was es gehen soll...

 Harry meinte dazu am 19.10.20:
Tja, was soll ich dazu sagen. Vielleicht "nett, dass Du ihn gelesen hast! Aber muss ich verstehen, dass Du ihn nicht verstanden hast?

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 19.10.20:
Verstanden habe ich den Text durchaus. Aber nicht begriffen, um was es geht - das ist ein großer Unterschied. Vermutlich wolltest Du nur gute Trivialliteratur ohne doppelten Boden schaffen. Das ist die gelungen, also alles gut.

 Harry schrieb daraufhin am 19.10.20:
Lieber Herr Lehrer!

Deine Vermutung: eine falsche Vermutung.

Aber wie schriebst Du noch in Deiner ersten Einlassung:

"Nett zu lesen, aber ich verstehe nicht, um was es gehen soll..."

Soviel ...

Antwort geändert am 19.10.2020 um 15:02 Uhr

 Harry äußerte darauf am 19.10.20:
O, Du Netz meines nicht vorhandenen, doppelten Bodens!
Fisch (55)
(19.10.20)
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 Harry ergänzte dazu am 19.10.20:
Stände? Stünde? Fahrradkette!
Fisch (55) meinte dazu am 19.10.20:
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 Harry meinte dazu am 19.10.20:
Hä? Um auf Deinem Niveau zu bleiben!
Fisch (55) meinte dazu am 19.10.20:
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 LottaManguetti meinte dazu am 20.10.20:
Na, ich weiß nicht - "Ich bin dein Vater", gegurgelt durch eine Mund-Nase-Augen-Bedeckung käme hier ja nicht in Betracht. :)
Aber: Ich hatte dieselbe Antwort. Dann sollte ja etwas dran sein oder?

edit: Wie gewohnt

Antwort geändert am 20.10.2020 um 11:30 Uhr
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