Demokratie im Stresstest

Erörterung zum Thema Gegenwart

von  eiskimo

Es gab eine Prä-Corona-Zeit, wie uns schon jetzt wehmütig klar wird, aber es wird auch eine Post-Corona-Zeit geben, da bin ich mir sicher.  Im Moment leben wir gerade genau dazwischen. Wir vollziehen gerade den Umbruch und  machen notgedrungen dabei den Stresstest für all die hehren Einrichtungen, die unsere (Groß-)Väter und Mütter zur freundlichen Steuerung unseres Gemeinwesens sozusagen am grünen Tisch einmal ersonnen haben.
Es ist so wie mit dem Asylrecht, das unter dem Eindruck der Kriege und Greueltaten des letzten Jahrhunderts sehr offen formuliert war und dann im Stresstest der vergangenen fünf Jahre in eine ganz andere Wahrnehmung gerückt wurde. 
Genauso, wie Corona  jetzt die Schwachstellen unseres Gesundheitssystems bloß legt, deckt es auch die Schwerfälligkeit und Konfusion unserer föderalen Ordnung auf, siehe nur der Wust an  Beherbergungsverordnungen oder das Hin und Her in der jeweils 16 Mal durchdeklinierten Schulpolitik.
Gravierender noch ist meines Erachtens die Frage nach den individuellen Freiheitsrechten, höchstes Gut unserer Verfassung. Dürfen die überhaupt – und wenn ja, wie weit? - beschnitten oder gar außer Kraft gesetzt werden? Für wie lange, unter wessen Oberaufsicht?
Sie dürfen und müssen, denke ich. Denn das hat der aktuelle Stresstest doch schon gezeigt: Belässt man es bei Appellen und damit in der Hand der Einzelnen, sich mal mehr, mal weniger an die Corona-Regeln zu halten, wird deren Wirksamkeit prompt untergraben – meist aus Schlampigkeit, aber auch aus Trotz, schließlich halte man ja mit seinem Ungehorsam die Fahne der Freiheit hoch.
Eine Pandemie wie wir sie gerade erleben, verlangt also mehr Wirksamkeit in der Durchsetzung der Hygienevorgaben. Mehr Wirksamkeit, die erzielt man durch einheitliches Vorgehen, durch mehr Kontrolle und durch konsequentere Ahndung vonVerstößen bzw. höhere Strafen. All das sind Pfui-Wörter in unserer liberal-toleranten Schönwetter-Welt. Diese Art schwarzer Pädagogik will doch keiner...
Aber, sage ich mal voraus: Wenn Laissez-Faire nicht nur das Gesundheitswesen lahm legt, sondern bald auch das ganze Land, dann spätestens werden alle nach „wirksamen Maßnahmen“  schreien.
Mein Fazit: Irgendwann in der Post-Corona-Epoche werden kluge Leute aus dieser Erfahrung gelernt haben, dass eine aufgeklärte Demokratie zeitweise Einschränkungen in ihrer liberalen Verfassung, sprich strenge Disziplinierung der Bürger, durchaus im Repertoir haben muss. Es könnte dann tatsächlich Phasen geben ohne Partys und Ferienflüge.

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Kommentare zu diesem Text


 Thomas-Wiefelhaus (21.10.20)
Mich hat unter anderem gestört, dass es, als es noch kaum Masken gab, hieß: die bringen es ja sowieso nicht! Und jetzt?

Es werden uns mal solche und dann wieder andere Geschichten erzählt, um Leute zum Tun zu bewegen, wie bei kleinen Kindern.

Und für eine wirklich "aufgeklärte Demokratie" würde ich mir in sehr vielen Bereichen mehr Aufklärung wünschen.

Natürlich auch über Heimkinder und Psychiatrie-Geschädigte!

Kommentar geändert am 21.10.2020 um 11:47 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 21.10.20:
Da stimme i ch Dir zu - es fehlte sicher an Linie und klarer Führung. Manche Erfahrungen mussten aber auch erst einmal gemacht werden...
cu
Eiskimo

 AZU20 (21.10.20)
Ich sehe das auch so. Hoffentlich haben wir bald den passenden Impfstoff. LG
Stelzie (55)
(21.10.20)
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INS (55)
(22.10.20)
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