Unterm Dach

Gedankengedicht zum Thema Abschied

von  Enni

Trunken dämmert mir die Erinnerung
an die Holztreppe hinauf zu dir
ins Kämmerlein.
Die Stiegen ächzten unter meinem Leichtgewicht
und den schweren Gedanken.
Dort oben war alles alt und verbraucht,
zugemüllt, verstaubt, genauso wie wir.
Als mein Puls dir von Abschied sprach,
fielen unsere Blicke in die Stille,
aneinander vorbei.

Ich erinnere das weiche Licht,
den herben Wein,
dass es unterm Dach im Sommer heiß
und im Winter kalt ist,
dass wir Schweiß und Gänsehaut weggeliebt haben.
All das, aber nicht, ob Töne
in meinen Worten schwangen, als ich ging.
Ich hörte Trauermelodie
in deinem Blick.
Doch die Treppe schwieg.


Anmerkung von Enni:

All das, was ich erinnere, wiegt es schwerer als das, was ich vergaß?

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (01.11.20)
Das gefällt mir Wort für Wort sehr.
LG
Ekki

 Enni meinte dazu am 02.11.20:
Vielen Dank, Ekki, das freut mich.
Einen schönen Tag.
LG
Enni
Rita (56)
(02.11.20)
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 Enni antwortete darauf am 02.11.20:
Herzlichen Dank, liebe Rita.
Vielleicht ist es gerade das Schweigen der Treppe, die sonst immer ächzte, das wieder Worte zulässt.
Nein, ich möchte auch nicht schweigen ...

 monalisa (02.11.20)
Hallo Enni,
da kann ich den beiden Vorkommentator*innen nur zustimmen, ein sehr schönes Gedicht zum Einstand, das neugierig auf mehr macht.
Die Erinnerung geht weit zurück ins "Kämmerlein", das allein schon durch seine Wortwahl in eine "märchenhafte" Zeit entführt, eine Beziehung umschreibt, möglicherweise von Enkel*in zu Oma/Opa, wir erfahren es nicht, die im Rückblick durch allerlei Sinneseindrücke (etwa das Ächzen der Stiege) wiederbelebt wird. Natürlich schwebt über allem der "endgültige" Abschied, aber nicht nur, sondern auch viele viele kleine Abschiede, tagtäglich. Und ganz unaufdringlich schleicht sich bei der Leser*in die Frage ein: Wie möchte ich verabschiedet haben, mit welchen Worten, Gesten, in welchem Tonfall, wenn es danach kein Wiedersehen geben sollte?

Ja, das gefällt mir sehr!
Liebe Grüße
mona

 Enni schrieb daraufhin am 02.11.20:
Ganz herzlichen Dank, liebe Mona, für den ausführlichen Kommentar.
Es ist für mich sehr berührend, wie gut du dich in die Worte einfühlen kannst.
Ja, es sind die vielen kleinen Abschiede, die man vielleicht nicht mehr bewusst in der Erinnerung hat, die aber dann durch das Endgültige plötzlich wieder da sind.
Lieben Gruß zu dir.
Enni

Antwort geändert am 02.11.2020 um 10:38 Uhr
Al-Badri_Sigrun (61)
(02.11.20)
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 Enni äußerte darauf am 02.11.20:
Liebe Sigrun,

ich sehe es auch als Geschenk des Lebens, dass wir die Erinnerungen mitnehmen können, dass sie uns zuweilen tragen und immer wieder glückliche Momente hervorrufen können.
So gesehen ist es richtig: Ein leichtes Lächeln mag in den Zeilen liegen.

Ich danke dir sehr für deinen lieben Kommentar und dein "Hineinspüren".

Lieben Abendgruß
Enni

 IngeWrobel (18.11.20)
Wie schön, liebe E., dass Du hierher gefunden hast – und gleich mit so gelungenem "Einstand"!
Ich freue mich, Dich zukünftig hier lesen zu können.
Liebe Grüße
von der Inge

 Enni ergänzte dazu am 18.11.20:
Liebe Inge,
ja, ich freue mich, hier zu sein.
Dir danke ich sehr für die liebe Begrüßung und die Empfehlung zu meinem Text.
Hab einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Enya
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