Über die Wirksamkeit der Toleranz

Kommentar zum Thema Abgrenzung

von  Reliwette

Um „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (und weitere Körperteile) geht es im zweiten Buch Moses. Die Auslegung dieses Textes ist umstritten: meinen die einen die Vergeltung insgesamt in Form einer Rache, so differenzieren die anderen und interpretieren die Reaktion auf einen kriegerischen Angriff in der Form, dass nicht gleich mit „Stumpf und Stiel“ ausgerottet wird, sondern nur partiell, dem erlittenen Angriff entsprechend.
Jesus reagiertin seiner Bergpredigt (Matthäus 5): „Wenn dir jemand auf die linke Wange schlägt, halte auch die rechte hin“.
Bei der Interpretation finden wir u.a. die Auslegung, dass damit gemeint ist, nicht so schnell von der eigenen Überzeugung abzuweichen und standhaft zu bleiben.
Bei Lukas 6:-27-39 heißt es: „Liebe deine Feinde wie dich selbst“. Wahrlich ein hoher Anspruch an die Leidensfähigkeit der Menschen, ihre Duldsamkeit.;(tolerare, lat. ertragen, erdulden).

Der Begriff der Toleranz wirkt auf zweierlei Ebenen, der privaten Beziehung zu einem oder mehreren Menschen in der Kleingruppe, unter anderem der ehelichen Beziehung , der Familie, dem beruflichen Umfeld, dem Vereinsleben, u.s.w.
und
dem gesellschaftlichen politischen Zusammenleben z.B. auch dort, wo der Begriff der Toleranz die religiöse Überzeugung verlässt und sich an anderen Lehren und Überzeugungen ausrichtet, der Philosophie, den humanistischen Lehren. Dies als Grundlage des mitmenschlichen Verhaltens in einer Gesellschaft und darüber hinaus.

Im privaten Bereich, z.B. der Ehe, hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts herausgestellt, dass sich die Toleranz zwischen Eheleuten verändert hat. Das ist vor allem dadurch deutlich geworden, dass sich die Ehescheidungen extrem vervielfacht haben. Das ist vor allem auf politische Veränderungen in der Gesellschaft zurückzuführen und durch ethisch begründete Veränderungen in der Gesellschaft . Während noch in den 1950er Jahren vorrangig die Ehemänner für das Einkommen der Familien sorgten und die Frauen sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder kümmern mussten, also eine vorgegebene Rollenteilung erfuhren, wurde der Ehefrau durch das Gleichberechtigungsgesetz zwischen Mann und Frau die Möglichkeit gegeben, selbst ein Einkommen zu haben und sich aus der Abhängigkeit vom Broterwerber zu lösen. Damit war sie in der Lage, nicht alles hinnehmen zu müssen, was der Ehemann bestimmte. Lange Jahre dufte die Ehefrau kein eigenes Konto haben. Die neuere Rechtsprechung verzichtete nach 1975 auf die Feststellung der Schuld an der zerrütteten Ehe und dem damit in Zusammenhang stehenden Scheidungsbegehren. Insofern ist festzustellen, dass sich die Ehefrauen infolge eines Abhängigkeitsverhältnisses zuvor einer weitaus höheren Toleranzschwelle aussetzen mussten als es heute der Fall ist.
Für die politische Wirksamkeit im Sinne einer Staatsgewalt ist die Toleranz ein wichtiger Bestandteil der Demokratie, bei der die Staatsmacht vom Volk ausgeht. Hierbei geht es um die Realisierung von Ideen verschiedener Gruppen oder auch  von einzelnen. Die im Wahlverfahren Unterlegenen müssen die Ideen und Vorgaben der gewählten Mehrheiten tolerieren.

Zurzeit erleben wir in den USA den Machtkampf zwischen den Republikanern und den Demokraten, eine Auseinandersetzung zwischen Konservativen und  einer den Anforderungen der Jetztzeit gegenüber aufgeschlosseneren Bürgerschaft und stellen die Intoleranz eines Präsidenten fest, der sich der gewählten Mehrheit nicht beugen will. Die Gesellschaft ist gespalten, die Intoleranz hat „Hochkonjungtur“

Die verschiedenen Formen der Toleranz in einem Staatsgebilde einmal aus wissenschaftlicher Interpretation:

Professor Dr. Rainer Forst, Hochschullehrer für politische Theorie und Philosophie an der Goethe -Universität Frankfurt a. Main, setzt sich in seinen Lehren über die verschiedenen Formen der Toleranz für eine gerechtere Gesellschaft ein. Diese Lehre fußt auf den Prinzipien der Frankfurter Schule (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer) und erklärt verschiedene Formen der Toleranz.

Nachstehend ein Auszug:
Die Erlaubnis Konzeption.
„ Damit ist gemeint, Minderheiten in einem eigenen Staatsgebilde zu akzeptieren, was sowohl religiöse Hintergründe haben kann als auch die Akzeptanz von Flüchtlingen oder Menschen fremder Herkunft. Dabei darf die Vorherrschaft der Autorität oder Mehrheit nicht in Frage gestellt werden“

Die Koexistenz Konzeption
„Die Toleranz wird vorrangig- pragmatisch instrumental begründet. Es stehen sich hierbei nicht Minderheiten den Mehrheiten gegenüber, sondern ungefähr gleich große Gruppen, die einsehen, dass sie um des sozialen Friedens Willen und ihrer eigenen Interessen Willen  Toleranz üben sollten. Tolerierende und Tolerierte halten sich die Waage.“(Wechselbeziehung)

Die Respektkonzeption
„Hierbei zeichnet sich eine wechselseitige Achtung der sich tolerierenden Individuen oder Gruppen , eine moralisch begründete Form der wechselseitigen Gruppen ab. Sie respektieren einander als autonome Personen oder als gleichberechtigte Mitglieder einer rechtsstaatlich verfassten Gemeinschaft, obwohl sich ihre ethischen Überzeugungen des guten und wertvollen Lebens und kulturelle Praktiken stark von einander unterscheiden und in wichtigen Hinsichten inkompatibel sind, sich jedoch gegenseitig anerkennen. Respektiert werden sowohl die Person als auch deren Überzeugungen und Handlungen.“


Die Wertschätzungskonzeption ist das Höchstmaß an Toleranz
„In der Diskussion über das Verhältnis des Multikulturalismus und Toleranz findet sich zuweilen eine vierte Konzeption: die Wertschätzungskonzeption. Sie enthält eine anspruchsvollere Form wechselseitiger Anerkennung, denn ihr zufolge bedeutet Toleranz nicht nur, die Mitglieder anderer kultureller oder religiöser Gemeinschaften als rechtlich- politische Gleiche zu respektieren, sondern ihre Überzeugungen und Praktiken als ethisch wertvoll zu schätzen.“

Verlassen wir den wissenschaftlichen Aspekt zum Thema Toleranz und wenden uns den Bonobos zu, einer schimpansenähnlichen Affenart. Sie leben in einer Art Matriarchat. Die Männchen haben eine Form entwickelt, Streitigkeiten unter einander aus dem Weg zu gehen. Sie handeln nach der Prämisse: Iss du nur ruhig die Banane und wende mir den Rücken zu. Ich will mich alldieweil ein wenig entspannen.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (10.11.20)
in der ersten Hälfte deines Artikels vergisst du die Kinder und zu pflegenden Angehörigen. In einer sogenannt gleichberechtigten Erwerbsgesellschaft kommen diejenigen, die un- oder unterbezahlte Familienarbeit leisten, sowohl finanziell als auch kräftemäßig unter die Räder. Das bewirkt dann wieder niedrige Geburtenraten. Diese Fragen wurden bereits in der Weimarer Republik diskutiert. Erzwungene Toleranz durch erschwerte Ehescheidung? Darauf muss man erst einmal kommen. Da wären Diktaturen toleranzfördernd in Richtung der Unterdrückten.
Der zweite Teil vorverurteilt den amtierenden Präsidenten, der Unregelmäßigkeiten beim Wahlverfahren bzw. Betrug geltend macht. Auch wenn er damit nicht viele Chancen hat, ist das doch ein schwebendes Verfahren, das mit Toleranz nichts zu tun hat. Dieser Part des Artikels erscheint verfrüht. Die verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze verfangen auch nicht so richtig, ebensowenig wie dieses Affenverhalten. Es fehlt ein Fazit. Zu welchem Verhalten rätst du der Menschheit nun? Zum Bananenmatriarchat in der Bananenrepublik etwa?

 Reliwette meinte dazu am 10.11.20:
In der Zeit, als Frauen existenzbedrohend vom Erwerbstätigen abhängig waren, mussten sie sehr viel ertragen. Diese existenzielle Abhängigkeit hielt die Scheidungsquote in Grenzen, was sich alsbald schlagartig änderte, als sich die Frauen im Zuge der Gleichberechtigung ein eigenes Erwerbsleben aufbauen und sich aus der Abhängigkeit lösen konnten.. Wenn in den 50er Jahren eine Frau einen Beruf ausüben wollte, musste der Ehemann seine Zustimmung geben. Wusstest Du das nicht?
Dass verschiedene Berufe nicht angemessen bezahlt werden, ist ein gesellschaftliches Problem, was von den Betroffenen auch selten toleriert wird. Das gehört in eine andere Abhandlung, vielleicht zum Thema "Gerechtigkeit".
Dass Dir der Ausklang mit den Bonobos nicht gefällt, tut mir leid!
Beste Grüße!

 Regina antwortete darauf am 10.11.20:
Ja, wusste ich. Aber was für ein seltsamer Zusammenhang mit Toleranz. T. wäre für mich eine freiwillig eingenommene Haltung, keine durch Abhängigkeit erpresste.
Diese Frauen waren im Geiste gar nicht tolerant, sie hatten nur oft kaum eine andere Wahl. So wie Kriegsgefangene auch nicht tolerant sind, sondern unfrei. Deine Argumentation geht ja in die Richtung: Sie konnten sich nicht trennen, also blieben sie tolerant. Toleranz ist, wenn man freiwillig bleibt und die Verhaltensweisen des Partners akzeptiert.
Dein Schreibstil ist mal wieder wie ein Reste-Eintopf, wo du alles hineinkochst, was dir gerade so einfällt. Der Leser solls löffeln und selber sortieren.

Antwort geändert am 10.11.2020 um 19:10 Uhr

 Reliwette schrieb daraufhin am 11.11.20:
Das war nur ein Beispiel für Toleranz im privaten Bereich. Ich hätte auch ein anderes Beispiel anführen können, z.B. bringt der Mann eine Rose für seine Angebetete mit. Die aber mag keine Rosen. So toleriert sie das Geschenk.
Wenn ein Mensch aufgrund bestehender Gesetze eine Rolle einnehmen muss, hat er gar keine andere Wahl, als die Rolle zu ertragen. Toleranz heißt nämlich auch "ertragen", "erdulden", nicht nur "akzeptieren". Die Minderheit muss die Mehrheit erdulden. Du hast den Sinn meiner kleinen Abhandlung überhaupt nicht verstanden - ein wenig nachdenken muss der Mensch dann, wenn nicht alles auf dem Butterbrot serviert wird. Aber deshalb reden wir ja jetzt darüber - und das ist gut so.
Ich muss dieses System. in welchem ich zur Zeit lebe, auch ertragen (tolerieren(, obschon ich gar nicht anders kann - außer hin und wieder solche Resteeintöpfe zu verfassen. Nur ist leider KV kein geeignetes Forum für solche Vorhaben. Deshalb habe ich den Blog auf Reliwette.de. Dort kommen Kontakte in alle Welt zustande. Das ist der Hauptgrund, weshalb ich außer dem Malen und DER SKULPTURELLEN Arbeit auch schreibe. Ich schreibe in "Bildern" Über die Bonobos solltest Du Dich auch mal schlau machen. Ihr Handeln ist eine Möglichkeit, Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen. Dafür sind sie bekannt. Make love -not war.!
:-)

Herzliche Grüße!
Hartmut

 Regina äußerte darauf am 11.11.20:
Es freut mich, dass du für Matriarchat und Hippiewerte eintrittst, aber du fasst den Begriff "Toleranz" zu passiv. Bei dir sind alle, die etwas erleiden, tolerant, gezwungenermaßen. Ich halte mich für tolerant, wenn ich z.B. einen anderen Glauben toleriere oder mich nicht gleich beim Hausmeister beschwere, wenn Kinder mal laut sind oder Leute mit Kopftüchern herumlaufen. Das ist eine aktive Haltung, die mir ja nicht aufgezwungen wird. du schreibst doch gar nicht in Bildern, sondern zitierst einige hochwissenschaftliche Abhandlungen hier. Warum soll ich diesen Affenkram lesen, wenn du darüber schreibst. Und ist Konfliktvermeidung gleich Toleranz?

 Reliwette ergänzte dazu am 11.11.20:
Der - wie Du richtig schreibst - wissenschaftliche Teil ist die Toleranz der Akzeptanz. Nimm die Erlaubniskonzeption. Da werden klare Grenzen gesetzt: bis hierhin jaaa, aber im Rahmen unserer Staatsdomäne. Je ähnlicher mir eine Situation, eine Person oder eine Gruppe oder Kultur ist, desto eher toleriere ich. Das ist an der Stelle und den nachfolgenden Konzeptionen sehr anschaulich dargestellt. Das ist das, was Du mit aktiver Toleranz beschreibst. Aber das Ertragen und gegen meine eigentliche Überzeugung gerade noch akzeptieren - um des lieben Friedens Willen, da setzt die andere Form der Toleranz ein. Ich z.B. stehe grundsätzlich zu unserer demokratischen Verfassung, der Rechtsstaatlichkeit: dennoch habe ich in einigen Punkten große Probleme, (Ungerechtigkeiten, die das System mit sich bringt.) Wo hört die Marktwirtschaft auf, wo fängt der Kapitalismus an? Wo beginnt der Raubtierkapitalismus? Diese Situation ist durchaus vergleichbar mit der beschriebenen Ehesituation in den fünfziger Jahren. Viele Frauen haben das seinerzeit akzeptiert: es war halt so und durch die Religion, vor allem das Alte Testament, vertreten und interpretiert durch die römisch-katholische Kirche. Das geht schon los an der Stelle, dass Gott keinen Lehm mehr hatte und Eva aus der Rippe des Mannes schnitt. Einigen Frauen, die heute noch mit der Burka rumlaufen, müsste man dieses Kleidungsstück mit Gewalt vom Körper lösen. Aus religiöser Überzeugung erleiden diese Personen eine Erniedrigung und tolerieren sie, ja sind von der Richtigkeit überzeugt. So sind in Deutschland damals Regeln getroffen worden, welche die Frauen in ein Abhängigkeitsverhältnis gebracht haben, aus religiöser Überzeugung haben das viele mitgemacht. An dieser Stelle wird die ertragene Toleranz sehr deutlich. Ich habe meine kleine Abhandlung auch absichtlich überschrieben mit ÜBER DIE WIRKSAMKEIT DER TOLERANZ. Wie wirkt sie? Akzeptanz oder Hinnehmen. Ich hoffe, dass ich Dir meine Gedanken einigermaßen erläutert habe. Natürlich könnte man auch die Pflege eines behinderten Haushaltsmitgliedes anführen. An dieser Stelle beginnt ein weiterer Faktor mit in den Begriff der Toleranz hinein zu wirken, die Nächstenliebe oder einfach die Verbundenheit zu einem geliebten Menschen. (aufopfernde Pflege, Fürsorge)# Gruß Hartmut
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