Die soziosexuelle Hierarchie in TWD

Bild zum Thema Außenseiter

von  Terminator

The Walking Dead: Rick & Shane

In S2E5 von The Walking Dead wird Shanes Status als Alpha zementiert: er hatte als Schüler regelmäßig mit 30-jährigen Frauen Sex, mit Mitschülerinnen sowieso. Rick, der Shy Alpha, hatte als Jugendlicher kein Sexleben. Dennoch ist Shane auf Hershels Farm Sigma-Außenseiter und Rick der unumstrittene Alpha.

Nur sein eigenes Gewissen meldet Zweifel an Ricks Status an. Der Gastgeber Hershel verhandelt Probleme zwischen seiner Gruppe und den Gästen mit Rick, ohne auch in Betracht zu ziehen, jemand anders könnte der Ansprechpartner sein. Rick ist der situative Alpha. Wer hat aber wirklich die Macht?

Das Gespräch zwischen Rick und Shane wird zu einem Streit, weil Shane die Gruppe der Gäste von der Farm in die Sicherheit von Fort Benning bringen will, während weiter nach einem mit hoher Wahrscheinlichkeit schon toten Mädchen gesucht wird. Doch Rick hat Schuldgefühle, weil er die letzte Kontaktperson der kleinen Sophia war, er konnte sie nicht beschützen bzw. hat sie verloren. In der Sache hat Shane Recht, und Rick weiß das, doch warum zieht er mit seiner Gruppe nicht weiter?

Rick berät sich mit dem Villain der 2. Staffel, seiner Frau Lori. Er bettelt sie eigentlich um Erlaubnis an, endlich auf Shanes vernünftige Argumente zu hören und die hoffnungslose Suche nach dem verschollenen Kind abzubrechen. Lori hat nämlich die Entscheidungsgewalt. Shane, der die Veränderung der Lebenswelt zwischen wie wir sie kennen und Postapokalypse mit Lori und ihrem kleinen Sohn erlebt hat, liebt diese Frau männlich-beschützerisch. Da aber der totgeglaubte Ehemann Rick doch wieder zur Familie zurückgekehrt ist, ist Shane das fünfte Rad am Wagen.

Shane wurde von Lori aufs Abstellgleis gestellt, vom Alpha zum Außenseiter degradiert. Doch charakterlich ist Shane Alpha oder diesem gleichwertiger Sigma, deshalb lässt er sich nicht sozial entmännlichen, sondern beschützt die Frau, die er liebt, weiter, und zwar indem er versucht, auf ihren Mann einzuwirken, der zudem sein bester Freund ist. Shane gebärdet sich aggressiv und als jemand, der "harte Entscheidungen" treffen kann, doch im Grunde fleht er Rick an, Lori endlich davon zu überzeugen, die Farm zu verlassen und weiterzuziehen. Lori ist aber heimlich schwanger und hat sich gemütlich als First Lady eingerichtet; sie bevorzugt den Status Quo einer Reise in die Ungewissheit (deren Ziel dauerhafte Sicherheit für die ganze Gruppe wäre).

Ist Rick charakterlich ein Gamma? Oder ist er durch Gewissensbisse in seiner Entscheidungsfähigkeit paralysiert? Jedenfalls zeigt die Gruppendynamik auf Hershels Farm eine gynozentrische Konstellation, in der selbst ein Alpha in seinem Element, einer Welt nach dem Gesetz des Dschungels, keine Macht hat, um für seine Gruppe eine verbindliche Entscheidung zu treffen.


Der Gamma-Gutmensch

S2E6: Dale, der alte Mann, ist eifersüchtig, weil Shane etwas mit Andrea, die vom Alter Dales Tochter sein könnte, hatte. Er erinnert Shane daran, dass dieser schon lange die Gruppe auf Hershels Farm verlassen wollte. Shane rettete Ricks Sohn Carl das Leben (und ermordete dafür einen Menschen), hilft dabei, ein Kind zu suchen, das höchstwahrscheinlich schon tot ist und bildet die Gruppe im Schießen aus. Und was hat Dale in all der Zeit für die Anderen getan?

Der Alpha/Sigma Shane ist vom Rang dem Anführer Rick gleichwertig, charakterlich stärker. Er hatte Sex mit den beiden High Quality Women der Gruppe, der ladyliken Lori und der amazonenhaft-einzelgängerischen Andrea. Dale ist neidisch auf Shane und hat für einen Gamma typische Ressentiments gegenüber Alphas und Sigmas. Er unterstellt Shane, ein schlechter Mensch zu sein und Rick töten zu wollen.

Die Unterstellung, ein schlechter Mensch zu sein, resultiert aus den Ressentiments, die Gammas gegen Alphas und Sigmas haben. Diese sind stärker, männlicher, wertvoller für andere als die Gammas, welche feige, unsicher und erfolglos bei Frauen sind. Dale ist ein charakterlicher Gamma, während der Anfangzwanzigling Glen lediglich ein situativer Gamma ist: die Farmerstochter Maggie hat Respekt vor seinen männlichen Charaktereigenschaften und Sex mit ihm. Sie signalisiert, dass sie ihn für einen zukünftigen Alpha hält.

Die Unterstellung, etwas Schlechtes tun zu wollen, ist ebenfalls eine typische Unterstellung eines charakterlichen Gamma gegenüber höherrangigen Männern. Gammas sind männerfeindlich und halten starke Männer für schlechte Menschen, selbstverständlich auch für Vergewaltiger. Darin ähneln Gammas unattraktiven Frauen: aus Minderwertigkeitsbewusstsein gegenüber starken Männern werten sie diese moralisch ab.

Keiner leidet an dem von Shane begangenen Mord mehr als Shane selbst. Er befindet sich in einer Doublebind-Situation: einerseits muss er, um weiter daran zu glauben, dass es richtig war, den dicken Otis für die Rettung eines Kindes zu opfern, den brutalen Kerl spielen, der harte Entscheidungen trifft, doch andererseits beging er den Mord, weil er gerade nicht der rücksichtslose Machtmensch ist, für den Dale ihn hält, sondern ein liebender und sorgender Ex-Liebhaber und Quasi-Stiefvater. Spielt er konsequent den rücksichtslosen Kerl, muss er die Gruppe verlassen, doch wenn er die Gruppe verlässt, hat er sich umsonst als postapokalyptisches Arschloch aufgeführt und für nichts einen Menschen getötet. Bleibt er, ist er der Böse, geht er, wird er sich den Mord an Otis nicht verzeihen können. Das Leben von Alphas und Sigmas ist hart, zu hart für einen Gamma, um überhaupt verstehen zu können, mit welchen emotionalen Grenzerfahrungen sich starke Männer herumschlagen müssen. Da bleibt für den Schwächling und Feigling nur ein Ausweg: dem starken Mann zu unterstellen, ein selbstsüchtiger Schurke und kaltblütiger Mörder zu sein.


Der heilige Amoklauf

Ein Gamma als großer Bruder ist ein Alptraum: Gammas missbrauchen ihre Machtposition, um Schwächere zu tyrannisieren. Außerdem wird ein brutaler Konkurrenzkampf um die Mutterliebe geführt. Eine noch größere Arschkarte hat, wer zum großen Bruder seinen biologischen Vater oder Stiefvater hat. Ein Gamma als situativer Alpha, das ist die verfluchte Hölle für seine jüngeren Geschwister oder Kinder. In dieser Hölle brauchst du keinen Jesus, du brauchst einen Shane.

Charakterliche Gammas in Machtpositionen machen aus denen, über die sie die Macht haben, Omegas. Selbst der Delta-Status des Beherrschten ist zu gefährlich, der grundlegende menschliche Respekt wird dem Unterdrückten verweigert. Du bist Omega, ein Nichts. Doch verhältst du dich so, wie der Gamma-Alpha es wünscht, kann er dich in den situativen Gamma-Status erheben, in welchem du eine Zeit lang mit ihm zusammen andere misshandeln kannst.

Rick ist in S2E7 gammaisiert. Das ist bei weitem nicht so hart wie omegaisiert zu werden, aber für einen Alpha hart genug. Seine Frau hat das Sagen in der Gruppe der Gäste, und der Hausherr wünscht, dass die Zombies in der Scheune, eine tickende Zeitbombe, wie Menschen behandelt werden, die einfach nur krank sind. Schläger und Vergewaltiger, pakistanische Groominggangs, Genitalverstümmlerinnen: die politisch korrekte Hausordnung schreibt vor, sie zu tolerieren. Und so bringen diese Unmenschen andere in Gefahr, misshandeln und töten sie. Im Zorn schlägt Shane die Tür des linksversifften Sozialarbeiters auf und erschießt den Intensivtäter in seinem Büro. Im Zorn prügelt Shane den gewalttätigen Ehemann von Carol halbtot. Im Zorn dreht Shane der afrikanischen Genitalverstümmlerin den Hals um. Dem Vater von Will Hunting schlägt er die Fresse ein. Der heilige Amoklauf.

Ricks Frau zwingt ihn, sich mit dem geisteskranken Weltbild des Hausherrn Hershel zu arrangieren: die Zombies sind angeblich nur krank. Da er sich schuldig fühlt, weil er ein kleines Mädchen aus den Augen verloren hat, das von ebensolchen Kranken wahrscheinlich schon getötet wurde, kann er es nicht gleichzeitig mit der dominanten Ehefrau und den Schuldgefühlen aufnehmen. Er nimmt eine (konflikt-)vermeidende Haltung ein und will es allen recht machen. Doch als high quality man, als Alpha weiß er, dass wahre männliche Tugend gerade darin besteht, es nicht allen recht zu machen, sondern das Richtige zu tun. Und da rettet ihn Shane mit seinem heiligen Amoklauf: im Zorn über die geisteskranke Ideologie, der Rick folgt, fängt er an, diese "Kranken" zu erschießen.

Und in der Tat war die kleine Sophia schon die ganze Zeit tot. Als Rick die Zombie-Sophia erschießt, wirft er das Joch des toxischen Über-Ichs ab und gewinnt seine Alpha-Männlichkeit zurück. Doch wie jedes Opfer emotionalen Missbrauchs hat Rick kein gesundes Über-Ich, das nun an die Stelle des abgeworfenen toxischen Über-Ichs treten kann...


Who hurt you, Rick?

Wer hat Rick durch emotionalen Missbrauch so traumatisiert, dass die Situation auf Hershels Farm (TWD S2E4-7) überhaupt möglich war? Bereits in der ersten Szene von The Walking Dead zeigt sich, dass Rick von seiner Frau Lori emotional missbraucht wird. Das folgt aus dem Gespräch im Polizeiauto zwischen Rick und Shane. Seine Frau schreckt nicht davor zurück, auch den kleinen Sohn bei ihren emotionalen Gewalttaten zu instrumentalisieren. Da war die Welt noch in Ordnung, was stimmte also nicht? Ist Rick also doch ein Gamma, und will seine Frau schon vor der Beißer-Pandemie eigentlich mit Shane vögeln?

Shane erweist sich in diesem ersten Gespräch als Macho, der nicht viel von Frauen hält. Er fühlt sich Frauen überlegen und hält sie für halbe Kinder. Nach dem Weltuntergang hat sich eigentlich nicht viel verändert, außer dass Shane durch die kurze Beziehung, die er mit Lori hatte, nun teilweise betaisiert ist (in Beziehungen wird der Alpha-Mann, wenn er die Frau liebt, von dieser betaisiert: aus Liebe lässt er sie sich auf der Nase rumtanzen, passt sich ihren Wünschen an, und verliert dadurch stückweise ihren Respekt). Der halb betaisierte Shane und der gammaisierte bzw. Gamma-Rick stehen auf Hershels Farm in einer aus psychologischen Gründen unlösbaren Situation. Sie können nicht "normal" handeln, sie sind durch Beziehungen und Schuldgefühle deformiert.

Warum ist Shane weder so kaputt wie Daryl, der einen tyrannischen älteren Alpha-Bruder hatte (besser als ein älterer Gamma-Bruder, wie an der starken und für beide positiv besetzten Beziehung zwischen den Brüdern zu sehen sein wird), noch so schwach bzw. schwächungsanfällig wie Rick? Shane stellt das männliche Optimum dar: er ist abgehärtet wie die Redneck-Brüder Merle und Daryl, aber auch zivilisiert und sozial hoch kompetent wie Rick. Hatte Rick einen Gamma-Vater oder einen älteren Gamma-Bruder? Wurde er in seiner Jugend von einem anderen männlichen Gamma misshandelt?

Wie Shane Gamma-Rick rettet, steht für ein paradigmatisches Desiderat für ein omegaisiertes Misshandlungsopfer. Shane reißt Rick mit einer Gewalttat aus seinem Wahn, der wahre Rick wacht auf und tut endlich, was getan werden muss. Das ist die Rettungstat, die jeder von Gammas oder Frauen oder der gynozentrischen/feministischen/politisch korrekten Gesellschaft emotional misshandelte Jugendliche braucht, um als Mensch und als Mann endlich leben zu können.

Die Zombie-Sophia steht für das falsche Gewissen, das toxische Über-Ich eines Opfers von Tyrannei, eines missbrauchten Kindes. Sie darf nicht gefunden werden, aber es muss nach ihr gesucht werden: das misshandelte Kind darf die toxische Mutter oder den tyrannischen Gamma-Vater nicht fragen, worin denn seine Schuld besteht, die Schuldgefühle werden permanent perpetuiert und ihre Ursache tabuisiert. Shanes Konfrontationstherapie ist der heilige, heilsame Amoklauf, den ein misshandeltes Kind oder eine geisteskrank gemachte Gesellschaft braucht.


Andrea und die Freiheit

S2E6: Als Shane den nichtschießenden Mitgliedern der Gäste-Gruppe Schießunterricht geben will, fragt ihn Andrea, die Highquality-Singlefrau, ob er sich nun doch umentschieden hat, und die Gruppe nicht mehr verlassen will. Das trifft Shane ins Mark, denn er ist von seinem Naturell eine Mischung aus Alpha und Sigma, ein unabhängiger, freiheitsliebender Mann. Er ist sichtlich verärgert, denn Andrea hat eine Schwäche bei ihm gefunden: er würde gern allein weiterziehen, kann aber nicht.

Warum kann er nicht? Sein Alpha-Persönlichkeitsanteil erinnert sich an die noch frische Erfahrung, ein Familienvater zu sein. Als ewiger Junggeselle mit kurzen zu nichts führenden Beziehungen macht er in der Weltuntergangssituation die Erfahrung, in einer anthropologisch ursprünglichen Lebenswelt für eine Frau und ein Kind zu sorgen. Er ist maximal als Alpha gefordert und investiert emotional sehr stark in Lori und den kleinen Carl.

Doch dann taucht Loris totgeglaubter Mann Rick, dazu noch sein bester Freund, wieder auf. Einerseits freut er sich, dass sein bester Freund wie durch ein Wunder überlebt hat, andererseits leidet er am Verlust des Alphastatus als Familienvater und Anführer seiner Überlebendengruppe (die Gruppe führt der an, der mit Lori zusammen ist, wieder ein Hinweis auf den anthropologisch ursprünglichen Gynozentrismus).

Shane wäre froh, endlich die ihn runterziehende Gruppe und die sinnlose Suche nach einem toten Mädchen hinter sich zu lassen. Doch er kann sich nicht zur Freiheit entschließen. Deshalb begeht er eine Ersatzhandlung: als der beste Schießlehrer, den Rick kennt, bringt er Andrea das Schießen bei, und das macht er so gut, dass sie dadurch zu einer Top-Schützin wird. Andrea wollte schon immer sich selbst verteidigen können, Shane hat ihr diese Freiheit gegeben. Die Leidenschaft, mit der er Andreas Freiheit erkämpft (der Feind ist ihre Ängstlichkeit und Zögerlichkeit, die er ihr zu besiegen hilft), zeigt, dass es ihm eigentlich um seine eigene Freiheit geht. Doch die nimmt er sich nicht, dadurch staut sich Wut auf, die sich in S2E7 entlädt.

Die Betaisierung durch die kurze aber vor allem dank der extremen Umstände emotional intensive Beziehung mit Lori schafft es, Shane Ängstlichkeit und Zögerlichkeit einzuimpfen, die ihm charakterlich fremd sind. Dieser Widerspruch muss sich auflösen, Shane steht psychisch extrem unter Druck. Shanes Druck ist "suppression", er unterdrückt seine Emotionen, bis er es nicht mehr kann oder will; Ricks Druck ist "oppression", er wird von innen und außen unterdrückt, und zwar durch die Schuldgefühle wegen Sophia und durch seine Frau Lori. Äußerlich ist Shane frei, darum ärgert er sich so über sich selbst nach Andreas harmloser Bemerkung, dass er die Gruppe nun doch nicht verlassen will.

Natürlich will er, am liebsten sofort! Doch er hat einen Mann ermordet, um die Rettung des kleinen Carl zu ermöglichen, und damit mehr in die Beziehung zu Lori investiert, als er sich leisten kann. Wenn er jetzt geht, ist das umsonst gewesen. Das ist die harte Entscheidung, die er nicht treffen kann: eine konsequente Trennung von Lori und Carl, und eine Weile allein mit den Schuldgefühlen leben.


Der gespaltene doppelte Alpha

S2E7: Rick soll sauber bleiben und Shane die Drecksarbeit machen, dafür braucht Lori Shane, und deshalb manipuliert sie ihn dahingehend, dass er die Gruppe nicht verlassen kann. Wenn Shane Rick vorwirft, dass dieser seine Frau nicht beschützen kann, so sind das nicht seine eigenen Worte: Lori manipuliert Shane dazu, das Rick zu sagen, und am Ende auch wirklich selbst zu denken. Sie lässt ihn eine auf Angst basierte Lüge so lange wiederholen, bis er sie selber glaubt.

Keiner interessiert sich, was mit Shane los ist, nachdem er mit Otis gegangen und ohne Otis gekommen ist. Nur Dale bemerkt, dass mit Shane etwas nicht stimmt, aber dieser alte Gamma ist nicht um das Wohlergehen von Shane besorgt, sondern will ihn "entlarven". Grundsätzlich will der Gamma den Alpha immer "entlarven", Fehler und Sünden bei ihm entdecken, die er vorher in ihn projiziert. Ist der Gamma in einer Machtposition, so kommt es zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung: er sorgt durch seine Machenschaften dafür, dass der Gehasste tatsächlich die Fehler macht, die der Gehässige ihm vorwirft.

Lori ist eine Bigamistin, die mit einem doppelten bzw. gespaltenen Alpha zusammenlebt: dem vorzeigbaren Rick und dem dreckigen Shane, der gewissermaßen Ricks jungianischer Schatten ist. Wenn Shane die Gruppe verlässt, muss Rick auch die Drecksarbeit erledigen, fürs Überleben der Gruppe Menschen töten, und das verursacht emotionale Kosten für die Paarbeziehung. Mit Rick spielt Lori heile Familie, Shane ist der Bad Boy, den sie lovebombt, wenn sie seine Hilfe braucht. Das Lovebombing ist ein für Narzissten typisches Verhalten, das den emotionalen Selbstschutz des Opfers neutralisieren soll, um dieses gefügig zu machen. Oft reichen nur Andeutungen (z. B. dass Lori vielleicht gar nicht mit Ricks Kind schwanger ist), um Shane emotional zu manipulieren.

Der extrovertierte Shane ist insofern schwächer als der intovertierte Rick, als dass er eben zu sehr von äußerem emotionalen Input abhängt, und dadurch zu unüberlegt und zu schnell handelt. Rick lässt sich Zeit und damit mehr Optionen, er kann nicht durch eine Situation zu einer bestimmten Handlungsweise gezwungen werden; auf der Freiheitsskala ist der Extrovertierte mehr von äußeren Umständen determiniert, der Introvertierte von äußeren Einflüssen eher frei.

Nach der Erweckungsaktion durch Shane ist Rick nicht dazu verdammt, mit Shane um den Anführerstatus zu kämpfen, zumal Shane diesen bereitwillig wieder abgibt, und gar nicht die Gruppe anführen will, sondern nur, dass Rick die richtigen Entscheidungen trifft. Shane ist bereit, der positive Beta, der Bravo für den introvertierten Alpha Rick zu sein, und bewährt sich damit abermals als sein bester Freund.


Rick ist das Gefängnis

TWD S3 (better than I remember): Der Gamma-Alpha von Woodbury, der psychopathisch-charmante Governor, ist ein INTJ wie meine an Bescheidenheit nicht zu übertreffende Wenigkeit, und wäre eine interessante Identifikationsfigur gewesen, wenn nicht die frühen Andeutungen darauf, was für ein Geisterkranker er doch ist (die waren wohl für die dümmeren Zuschauer nötig, eine Konzession, die in den ersten zwei Staffeln noch nicht gemacht wurde). Nehmen wir den Governor, wie er nach der Logik der Serie (nicht in den Comics) hätte sein sollen: ein vernünftiger Mann, der in der postapokalyptischen Zombie-Welt eine Gemeinschaft aufgebaut hat und diese mit politischer Professionalität und Weisheit regiert. Zwei Konzessionen an die komplexitätsunverträglichen Zuschauer behalten wir bei, da sie die Logik der Serie nicht unterminieren: er hält seine kleine Tochter, die zum Beißer geworden ist, in seinem Haus versteckt, und hofft auf ihre Heilung durch seinen Gamma-Wissenschaftler Wieheißternochmal, und er erschießt mit seinen Männern die Soldaten, die lebend mehr für Woodbury hätten tun können als nur als tote Lieferanten von Fahrzeugen und Waffen.

Warum will der Governor keine starken Männer in seine Gemeinschaft lassen? Warum vertreibt Rick Tyreese und seine Leute aus dem Gefängnis? Warum ist Glen außer sich, obwohl Maggie nicht vergewaltigt wurde? Alle drei Männer haben große Gamma-Persönlichkeitsanteile und somit Probleme mit ihrer Männlichkeit. Zum Vergleich: der Arschloch-Sigma/Beta Merle hat keine Probleme mit seiner Männlichkeit, auch die sanften Riesen, beide Deltas, Oscar und Tyreese, nicht. Shane hatte sie nicht und der Beta/Sigma Daryl hat sie auch nicht. Omega-Persönlichkeitsanteile, die White Trash (das waren sie vor dem Weltuntergang) Merle und Daryl mit sich tragen, bedrohen nicht die Männlichkeit, Gamma-Eigenschaften schon.

Nachdem er seinen besten Freund Shane getötet hat, hat sich Rick von seiner Frau Lori emotional distanziert, da sie die Männer toxisch-weiblich aufeinander gehetzt hat. Rick ist seit Monaten neben sich, er funktioniert, kann aber nicht wieder der Mensch werden, der er war. Um wieder er selbst zu werden, lässt er seine Gruppe ein Gefängnis von Beißern säubern und sich dort einrichten. Nie wieder soll Ricks Psyche durch toxische Weiblichkeit manipuliert werden, dafür stehen die Stacheldrähte und Mauern des Gefängnisses. Als dieses scheinbar sicher ist, geht er wieder auf Lori zu. Doch Lori hat ihn wieder manipuliert: sie hat ihn "ermutigt",  überlebende Häftlinge zu töten; als einer von diesen ihm nach dem Leben trachtet, tötet Rick ihn sofort und lässt einen anderen den Beißern zum Futter. Doch der kann sich retten und löst einen Alarm aus, der noch mehr Zombies anlockt, die Gruppe trennt, und dadurch den Tod zweier Gruppenmitglieder, darunter auch Lori, verursacht.

Doch vorher hat Lori noch das Kind zur Welt gebracht. In diesem schutzbedürftigsten Moment im Leben seiner Frau kann Rick sie nicht beschützen, sein Sohn Carl, noch ein Kind, tötet seine Mutter, damit sie nicht zum Zombie wird. Und von hinten kommt unbemerkt die Gruppe um Tyreese ins Gefängnis hinein; diesen Eingang hätten der Governor und seine Leute ungehindert nehmen können. Sie hätten Ricks Gruppe überrascht und alle, oder zumindest Rick, getötet. Im Kern der Macho-Männlichkeit von Gamma-Alphas sitzt ein tiefes Gefühl der Wehrlosigkeit. Das Gefängnis, Ricks Psyche, führt ihm diese vor. Das Gefängnis spricht sogar mit Rick durch eingebildete Telefongespräche. Rick hat versagt, aber auch der Governor; beide sind als Alphas gescheitert, und zwar an sich selbst. Rick hätte eine andere Lösung mit den Häftlingen finden können, oder den den Beißern entgegengelaufenen jungen Mann zumindest selbst tötet müssen - no half measures (ein gewisser Sigma Mike belehrt einen gewissen Gamma Walt, der die Lektion aber nicht versteht) - , der Governor wäre mit den von ihm getöteten Soldaten für Ricks Gruppe unbesiegbar gewesen.

Gammas versagen als Alphas, weil sie ihren jungianischen Schatten nicht integrieren können, weil sie ihre Männlichkiet nicht unter Kontrolle haben, sondern ihre männliche Identität von weiblicher Wertschätzung abhängt. Glen ist noch jung und lernt seine Lektion. Der Governor oder Merle hätten Maggie vergewaltigen können und Glen wäre machtlos dagegen gewesen, das muss er verkraften. Und das schafft er. Siehe: es geht.


Omega Merle

Glen ist Teil der Gruppe, die Merle zum Sterben zurückgelassen hat. Im Auftrag der Gruppe, die ihn ärtzlich versorgt und mit einem Beta/Bravo-Status versehen hat, jagt Merle die creepy Ninja-Frau Michonne. Dabei trifft er eben auf Glen, der mit seiner Freundin Maggie unterwegs ist. Er bestätigt Merles Vermutung, dass sein Bruder Daryl bei denen im Gefängnis ist, will aber Merle wieder zurücklassen. Glens Ablehnung ist kategorisch: Merle darf auf keinen Fall mitkommen, sondern soll mitten im Nirgendwo warten. Wieder wird Merle nicht wie ein Mensch behandelt, sondern wie ein Stück Dreck weggeschmissen.

Die Omega-Erfahrung ist, nicht wie ein Mensch behandelt zu werden. In Alltagssituationen wird die Humanität eines Omega abstrakt respektiert, doch wenn es in Ausnahmesituationen konkret wird, zeigt man dem Omega, dass er kein richtiger Mensch ist. Omega ist ein Status bzw. eine Rolle, vor der kein charakterlicher Statusäquivalent sicher ist; viele jugendliche Alphas, in der sprichwörtlichen High School beliebte Bad Boys, enden als Omegas, als kriminelle drogensüchtige Außenseiter.

Besonders für Gammas und low quality women stellen Omegas eine unheimliche Bedrohung dar, als würden sie den Unwert dieser Menschensorten spiegeln, die meist narzisstisch sind und zu viel von sich selbst halten. Auch ist der Umstand unerträglich, dass der Omega-Rang meist situativ eingenommen wird, und diese Menschen ganz unten in der Hierarchie an sich eben kein Abschaum sind. Bei einem narzisstischen Gamma oder einer ihm charakterlich entsprechenden Frau ist es umgekehrt: sie sind erbärmliche Menschen, und ihr Status ist eigentlich zu hoch, und sie wissen selbst, dass er erschlichen ist.

Als der Governor mit seiner Truppe beim Vergeltungsangriff Zombies in den Gefängnishof schleusen lässt, kommt Merle Rick zur Hilfe und rettet sein Leben. Als Rick Merle ansieht, lacht Merle in einer typischen Omega-Art: Entschuldigung, dass es mich gibt, aber guck mal, jetzt habe ich dein Leben gerettet. Aber Rick, der Merle damals zum Sterben zurückließ, behandelt ihn auch jetzt wie Abschaum. Er hat nur Verachtung für ihn übrig.

Nun sind Rick und Glen keine Vollgammas. Aber es reicht offenbar, teilweise Gamma zu sein, damit einem schon die Anwesenheit oder bereits die bloße Existenz von Omegas Angst macht. Denn diese erinnert den Gamma ständig an seinen wahren Platz. Von den Frauen sind es in der Regel Schlampen und Nutten (die verlogenen, nicht die ehrlichen Huren), die Omegas exzessiv verabscheuen. Bei high quality women ist das anders. Maggie hat Angst vor Merle, weil er sie bedroht. Auch Andrea hat nur situativ Angst vor Merle, mit seiner Person hat sie kein Problem. Die Steigerung von Andreas Charakter ins Comichaft-Unermessliche, Michonne, hat auch nichts gegen Merle, außer dass er für den Governor arbeitet, dessen wahre Natur sie sofort durchschaut (Sektenführer-Typ).

Die Omegaisierung passiert einem entweder privat (Missbrauch durch Eltern, Misshandlung durch die Peer Group) oder sozial. Letzteres kann auch jemandem widerfahren, der normalerweise keinen geringen Status hat. Wobei auch an omegapoietischem Kindesmissbrauch oder Mobbing nicht der Omegaisierte selbst schuld ist. Im Hive Mind der Social Media werden Männer von hohem Status zu Omegas gemacht (zurecht wie Weinstein oder zu Unrecht wie viele andere), der soziale Tod oder sogar strafrechtliche Verurteilungen sind die Folge. Das Omegaisierungsverhalten einer Gesellschaft – wer und warum zum Omega gemacht wird – lässt Rückschlüsse auf den wahren Charakter dieser Gesellschaft zu.

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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (13.11.20)
Wo Merle Rick das Leben rettet, da handelst Du ja die Sache schnell mit Ricks Verachtung gegen Merle ab. Ich finde hier ist durchaus mehr versteckt. Rick als Alpha kann es nicht wahrhaben, dass sein Leben von einem Omega gerettet wurde. In der Welt eines Alphas existieren solche Variablen nicht, ja Omegas existieren nicht. Wo Anspruch ist, ist Perfektion nicht weit. Die Tat eines Omegas bleibt wertlos anscheinend, selbst wenn es die Rettung eines Alphas ist. Sowohl der Omega als auch der Alpha verlieren bzw. gewinnen nicht an ihrem Status; als hiesse es beim Omega aus der Sicht eines Alphas: Es existiert nichts Richtiges im Falschen. Also hat er in der Welt eines Alphas auch nie sein Leben gerettet. Zuzugeben, dass dass ein Omega einem Alpha das Leben gerettet hat, würde ja den Status des Alphas in der Gruppe schmälern. Vor diesem Hintergrund kann der Alpha auch nur Verachtung gegen Omega haben. Mit der Rettung seines Lebens hat er ihm im Grunde höchst geschadet.
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