Drei Stufen des Unglücklichseins

Erörterung zum Thema Lebenseinstellung

von  Terminator

Das Glücksstreben führt mit tödlicher Sicherheit zum Unglücklichsein. Wieso? Weil es ein Streben nach Außen ist, nach äußerer Befriedigung. Wenn ich sage, ich wolle glücklich sein, und zugleich mich selbst auf der Suche nach allem, nur nicht mir selbst, verlasse, bin ich von mir selbst verlassen, dem einzigen guten Geist, der in meinem Leben eine Konstante ist. Das äußerliche Glücksstreben verläuft in drei Stufen, wobei die meisten Menschen ihr Leben lang auf der ersten Stufe stehen bleiben, wenige die zweite Stufe erreichen, und einzelne, die daraufhin als Gurus des Glücklichseins auftreten, die dritte Stufe der Unglücklichseins kennenlernen, - diese schreien zwanghaft bei jeder Gelegenheit hinaus, wie glücklich sie angeblich sind, weil sie nicht wahr haben wollen, dass auch die schwierigste und komplexeste dritte Stufe, das Ergebnis lebenslanger harter Arbeit und Selbstdisziplin, nichts als eine weitere Stufe des Unglücklichseins ist.

1. Das Haben. Auf dieser Stufe sucht der Mensch sein Glück im Konsum (unmittelbare Befriedigung, das Vergnügen: die erste und primitivste Unterstufe) und in jetztfixierter hedonisistischer Ausschweifung: Alkohol und Drogen, Sex und Gewalt. Es folgt das Anhäufen von Besitz (Sparen als Negation des Konsums: die mittlere Unterstufe): Familie (Partner und Kinder nicht als Personen, sondern als Prestigeobjekte), Bankkonto, großes Haus, schicke Karre. Der Höhepunkt des Habens wird in der lustvollen Vernichtung erreicht (das Vergnügen ist nicht mehr unmittelbar-sinnlich, sondern ichhaft-geistig; hier beginnt der Übergang in die Seinsstufe): nicht-genussbezogene Verschwendung, aber auch das eitle Spenden des Ersparten.

2. Das Sein. Hier definiert der Unglückliche sein Glück zunächst selbstsüchtig über Stolz und Eitelkeit (Habitus, Status, rein negatives Verhältnis des Einzelnen zum Allgemeinen: selbstsüchtige Selbstbehauptung): hierzu gehört der geltungssüchtige Erlebnismensch wie der machtgeile Politiker oder der selbstverliebte Schauspieler. Weiter fortschreitend, wird nun das Gemeinsame mit den Mitmenschen gesucht (es tritt ein positives Verhältnis zu anderen ein: die Selbstsucht wird negiert und geht in der Gemeinschaft auf): Ideologie, religiöse Events, echte menschliche Beziehungen (in denen der Partner nicht als Besitz oder Statussymbol dient). Schließlich wird die höchste Unterstufe der Seinsstufe in der Selbstaufopferung erreicht (Negation der zeitlichen Gemeinschaft und Schaffung der symbolischen ewigen Gemeinschaft: das Eingehen in die Geschichte): Heldentaten, unvergessliche Leistungen in Sport und Kunst.

3. Die Selbstverwirklichung. Hier wird das Innere als Äußeres gesucht: der Held ist von der Gemeinschaft zu sich selbst zurückgekehrt, und definiert sich über selbst gesteckte Ziele (das Selbst als reines Werkzeug des vernünftigen Ich, das sich selbst den Auftrag gibt, ein bestimmtes immaterielles Ziel zu erreichen): abstrake Ideale wie etwa Weltfrieden oder Freiheit. Die mittlere Unterstufe der Selbstverwirklichung negiert die abstrakten Ideale aufgrund deren Abstraktheit, und setzt sich der Realität gemäße konkrete Idealziele wie etwa Abschaffung der Diskriminierung benachteiligter Gruppen oder Rettung eines bestimmten ökologischen Areals. Die letzte und höchste Unterstufe bildet eine Rückkehr zu sich selbst, wobei es nicht mehr um die Verwirklichung von Idealen im Äußeren geht, sondern um die Selbstvervollkommnung. Die innere Vollkommenheit wird jedoch als ein äußerliches Ziel angestrebt, die Charakterbildung entartet zu einer Selbstkasteiung nach Leistungsprinzip, und misslingt hierdurch.

Vom niedrigsten Glücksstreben im rücksichtslosen Genuss bis zur Bildung eines edlen Charakters handelt es sich immer um eine Suche nach Glück als einem Äußeren. Ein solches Glück wird gerade deshalb nicht gefunden, weil es gesucht wird, denn die Suche nach etwas nicht Gegenständlichem (das kein Ding sein kann) reproduziert das Fehlen des Angestrebten ins Unendliche. Wer glücklich sein will, darf sich das Glück nicht als etwas Äußeres vorstellen, und noch weniger als etwas Dingliches.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (01.12.20)
Sehr guter Artikel. Man kann das menschliche Streben noch vierteilen: nach Reichtum, nach Liebe, nach Bequemlichkeit und nach Wissen. Immer fehlt etwas.

 Terminator meinte dazu am 02.12.20:
Das menschliche Streben ist hierarchisch gegliedert: der terische Mensch strebt nach Lust, der menschliche nach Erfolg und Macht, der göttliche nach Wert.

 Augustus (01.12.20)
Was ist eigentlich Glück? Dein Text definiert es nicht. Es setzt es voraus. Aber jeder von uns hat bestimmt eine andere Vorstellung von Glück. Kann dein Text also all diese unterschiedlichen Vorstellungen von Glück vereinheitlichen?
„...reproduziert das Fehlen des Angestrebten ins Unendliche.“ würde eine geniale Idee dies nicht gerade widerlegen?

 Terminator antwortete darauf am 02.12.20:
Glück im Sinne von Happiness, nicht Luck, ist die Befriedigung aller Neigungen, und zwar extensiv, intensiv und dauerhaft bzw. wenn es jemandem im Ganzen seiner Existenz nach Wunsch und Willen geht.

 Dieter Wal (02.12.20)
Ich denke, Jesus war auch am Kreuz glücklich. Glück definiert sich bei mir nämlich nicht durch Schmerzfreiheit, sonder ein zutiefst sinnerfülltes Leben. Nach Jesu Gleichnissen hatte er Glück gefunden (Reich Gottes).

 Terminator schrieb daraufhin am 02.12.20:
Und wie glücklich Buddha erst war, wie gar nicht vor so langer Zeit wissenschaftlich bewiesen (Bertolucci/Reeves, 1993).
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