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Homo 

Cxiette

Lyrischer Prosatext zum Thema Abrechnung

von  Terminator

1. Icher als du

Der späte Sommerabend kühlte hormonell belastete Gemüter. Icher trank die Luft, sah zu den Sternen. Museum: Treppe und Vorbau. Da hat er sie sitzen sehen. Er ging zu ihr. Er konnte sie vom Weiten sehr schlecht erkennen, und es wurde nicht besser. Ihre Stimme aber beruhigte ihn. Er atmete erleichtert auf und setzte sich daneben. "Trügt die Stimme?" fragte er. Sie negierte. "Dann bist du ungefähr 15, durch und durch und durch und abermals durch schlank, hast wunderschönes langes Haar, nach dem jeder Wind verrückt ist, wegen dem allein er schon zu wehen bereit ist...". "Das ist wahr. Und ich bin bewaffnet". "Es war kein Kompliment, also musst du es nicht als Drohung empfinden. Ich wollte mich nur versichern, dass du kein Antidiskriminierungsfall bist", sagte Icher mit sanfter Stimme. "Wie heißt du?" fragte sie. "Ich heiße Icher", sagte Icher. "Und ich bin Cxiette". Icher dachte über ihren Namen nach. Noch nie so einen Namen gehört. "Und was bedeutet dein Name?" fragte sie. "Schwer zu erklären", murmelte Icher. "Mir leicht", lachte Cxiette. "Also gut. Als ich klein war, da guckte ich mir jeden Abend eine Fliege aus und dachte: Diese Fliege hält sich für ein Ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie etwas, das Ich zu sich sagt, tot sein kann. Jeden Abend tötete ich eine Fliege". "Ohne Erkenntnisgewinn", konstatierte Cxiette. "Genau. Dann begann ich damit, die Luft anzuhalten, um zu sterben. Und zurückzukommen". "Und warst bestenfalls ohnmächtig, aber nie tot". Eine nicht geringfügig menschenbestückte Gäng nahte. "Meine Waffe ist leider nicht mehr geladen", flüsterte Cxiette, "aber erzähl weiter". Die Gäng war laut, einige ihrer Glieder erreichten bereits die Treppe vor dem Museum. "Nutte, komm fickööhn!" schrieen die Gängglieder das Mädchen an. Icher nahm ein langes Messer und stach sie alle wie Schweine ab, und das Messer glitt wie Butter durch die gräßlichen Leiber. Cxiette setzte sich weiter oben hin, das Blut war eklig. "Dann sprang ich von einem Hochhaus", sagte Icher. "Polizei!" rief er und schnitt seinen Kopf auf. Cxiette machte einen Salto in der Luft, schrumpfte und sprang in sein Hirn. Icher schloss seinen Kopf wieder. "Haben Sie diese... 79, 80, diese 81 Menschen ermordet?" fragte der Kommissar. "Das trifft zu", postulierte Icher. "Da haben Sie meinen Ausweis. Und hier meine Todesurkunde". Der Kommissar leuchtete mit der Taschenlampe auf die Papiere und überzeugte sich telefonisch von deren Richtigkeit. "Alles klar, gehen wir!" rief er die Kollegen. "Gehen wir woanders hin, da kommen schon die Aasfresser", sagte Icher zu dem Mädchen in seinem Kopf und ging.


2. Am Ichsten

"Du, nicht du da, du dort, die du auch du bist, von mir aus gesehen!" "Ich heiße Mi". Am Ichsten kam näher. Das Mädchen war gerade 14, hellblond, auf natürliche Weise ultraschlank und sehr niedlich. "Bläst du?" fragte ein grober Kerl im Vorbeigehen. "Nur Kohlendioxid in die Luft", antwortete Mi. "Soll ich den Penner töten?" war Am Ichsten so freundlich. Mi bejahte dies. Am Ichsten tötete den Penner, was mit einer Schusswaffe geschah.
Mi und Am Ichsten fuhren mit der U-Bahn, beide autolos. Nicht der Armut zuschulde, wegen dem schlechten ökologischen Gewissen. Da kamen drei Werber für die Partei "Die Grünen" und gaben an: "Wir haben diesen Monat durchschnittlich 15% CO2 gespart, und ihr?" Am Ichsten sah sie nicht an, sondern wandte sich zuvorkommenderweise zu Mi: "Soll ich diese Sozialschmarotzer töten?" Mi nickte und sie waren tot, was durch gekonnt platzierte Kopftreffer geschah.
Am Ichsten lud Mi in ein schickes Eiscafé ein, Mi lehnte ab. Sie rechnete etwas im Kopf aus und stimmte dann wiederum zu. Im Café musste Am Ichsten pissen, er ging, poss kurz und konzentriert,  machte seinem Freund da unten Druck, wollte das zierliche Mädchen nicht länger als eine Minute allein lassen, denn da waren überall Leute. Als er zurückkam, fand er eine Vierjährige, wo Mi gesessen hatte. "Hast du das Mädchen gesehen, das eben hier war?" fragte er das Kleinkind. Im Hirn eines vierzigjährigen Politiklehrers am Gymnasium klingelte Folgendes: "Den Mann beschuldigen, das Kind belästigt zu haben, dann gibt es unter dem Schutzmantel des Schutzes bis zu drei Quadratmetersekunden Hautkontakt mit diesem bildschönen Kind, bis es in symbolische Sicherheit gebracht ist". Er schaltete schnell, tat, was er dachte, bevor andere Hautkontaktgierige dachten, dasselbe zu tun. Das kleine Mädchen schaute Am Ichsten mit großen Augen an und wunderte sich: "Warum fragst du mich nicht?" Am Ichsten fragte, sie bejahte. Er tötete den Gymnasiallehrer, was durch eine schnell wirkende Giftinjektion geschah. "Ich habe mir schon gedacht, dass du deine Altersphasen wechselst", kommentierte Am Ichsten die Beinaheverwechslung. "Eigentlich sogar regelmäßig", sagte Mi, "aber bei Süßigkeiten und Eis manchmal spontan". Mi und Am Ichsten verließen das Café. "Du bist immer noch klein". "Noch elf Stunden", lachte Mi. "Was bist du am Ältesten?" "Das was du am Ichsten". "Jetzt?" fragte Am Ichsten, und Mi bejahte zum ersten nein zweiten Mal an diesem Tag etwas anderes als eine Tötung.


3. UnendlICH

Amallerichsten pfiff auf einer Parkbank auf das Verbot illegalen Waffenbesitzes, als eine Gruppe Jugendlicher ein gleichaltriges Mädchen einholte und rumzuschubsen begann. Die weiblichen Gruppenmitgleider zeigten Titten und lachten mit den anderen - nein nicht über das eigene affenhafte Betragen - über das Mädchen, dem sie sie zeigten. Amallerichsten wunderte sich und hörte den Beschimpfungen nun zu: "Lesbe". Er ging hin und fragte: "Und das berechtigt euch, ihre Privatsphäre zu verletzen?" Er zählte der ausgestreckten Mittelfinger ganze sieben und schoss sie alle mit seiner herrlichen langen Beretta ab. Ein Jugendlicher starb, als er über den abgeschossenen Finger seiner Freundin stolperte und mit dem Kopf gegen einen Stein knallte. Vierzig Leute waren bei der Beerdigung, viele Tränen flossen. Krokodilsquote: 34%.

Amallerichsten ging eine Tiefkühlpizza kaufen, da sah er, wie an der Nachbarkasse ein hilflos wirkender Junge als vermeintlicher Dieb beschämt wurde. Er stotterte schon aufgrund seiner Schüchternheit, aber er stotterte noch dazu mit extra eingebautem Sprachfehler. Amallerichsten sah drei lachende junge Männer, und ihm war klar, dass sie dem Jungen etwas in die Tasche gesteckt hatten. So forderte er die Ordnungshüter auf, diese zu fassen, was jene verweigerten. Daraufhin stieß er sie weg von dem Jungen, begleitete ihn aus dem Supermarkt und schoss die hinterhältigen Verbrecher nieder. Achtundneunzig Leute waren bei deren Beerdigungen, viele Tränen flossen. Krokodilsquote: 52%.

Amallerichsten war nach einem langen Fußmarsch müde und wollte mit der U-Bahn heimfahren. Da kamen vier große Gestalten auf ihn zu und forderten die Brieftasche, das Runterziehen der Hose und eine demütige Geste. Amallerichsten nahm sein Menschenrecht nach Artikel 1 des Grundgesetzes wahr und verweigerte ihnen dies. Da schlugen sie zu, er fiel auf den Boden und erschoss sie im Liegen. Von den Kameras überführt, saß er nun vor Gericht und konnte nicht beweisen, dass er angegriffen wurde. "Hätten sie die Pistole nicht dabei gehabt, hätten Sie denen gehorcht, hätten Sie sich totprügeln lassen, dann hätte ich Ihnen geglaubt, dass es Notwehr war", urteilte der Richter. Während auf den Beerdigungen der vier Erschossenen hunderteinundneunzig Leute zu 38% Krokodilstränen vergossen, bedankte sich Amallerichsten höflich für das Urteil, hob ein Maschinengewehr unter dem Tisch hervor und erschoss alle im Gerichtssaal Anwesenden.

Und so ging die Geschichte von Amallerichsten weiter: er pflanzte Bäume, arbeitete ehrenamtlich in sozialen Einrichtungen, engagierte sich politisch für Rechte der Minderheiten, war nett und hilfsbereit, lieh Nachbarn Geld - auch denen, von denen er wusste, dass sie es nie zurückzahlen würden - , setzte sich geduldig für den Tierschutz ein - ohne provokante Gleichsetzungen von Massentierhaltungen mit Konzentrationslagern - , vertrat seine politischen und weltanschaulichen Ansichten in toleranter und unaufdringlicher Weise und nahm seine verfassungsgemäß verbrieften Rechte wahr. Als er starb, waren exakt neun Leute auf seiner Beerdigung anwesend, und die Krokodilsquote ihrer Tränen betrug lächerliche 11%.


Anmerkung von Terminator:

2010-2011

2020 Großer Autismuspreis

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