Die Westliche Zivilisation

Legende zum Thema Ansichtssache

von  Terminator

Der dunkle Logos

“Auf der Suche nach dem dunklen Logos” befindet sich Dugin, Russlands Johannes Scotus Eriugena, doch dieser Logos befindet sich noch in der Zukunft, da die Russische Zivilisation erst im Entstehen ist. Ist Putin Russland Charlemagne? Unser Carolus Magnus zog gen Zaragossa und wurde auf dem Heimweg bei Roncesvalles von den Basken angegriffen, die die Zerstörung ihrer Hauptstadt Pamplona durch den präemptiv denkenden Vater Westeuropas rächten. Der Ritter Roland rettete angeblich, sich selbst dabei aufopfernd, die Armee Karls des Großen. Wie das Rolandslied, basiert auch das Nibelungenlied auf einer wahren Geschichte: auf den Intrigen an den merowingischen Höfen im 7. Jahrhundert. Noch früher sind die realen Ereignisse für die Artussage: im 5. Jahrhundert zogen sich die Römer aus Britannien zurück und hinterließen unkontrolliertes Chaos, eine Strategie, die das heutige Weltimperium mit Al Kaida, dem Arabischen Frühling und dem IS verfolgt.

Dugin schreibt derzeit die 20-bändige “Noomachie”, die, wenn sie so gut sein wird wie seine Interviews und Vorlesungen über sein Opus Magnum, das wegweisende metaphysische Werk für das 3. Jahrtausend werden könnte. Er kann auf die fast vollendete abendländische Geschichte zurückgreifen. Die Gnade oder der Fluch der späten Geburt? Nun, die Frühzeit des Abendlandes passierte nach dem Untergang einer damals unbegreiflich hoch entwickelten Zivilisation der griechisch-römischen Antike. Als “der” Philosoph galt im Hochmittelalter Aristoteles, sein al-andalusischer Kommentator Ibn Rushd galt deshalb als “der” Kommentator. Aber langsam. Das Paradigma des ideellen Raums ist entwickelt worden, es ist Zeit für einen Überblick über die ideelle Zeit. Artussage, Nibelungenlied, Rolandslied: das sind die Ilias und die Odyssee und des Abendlandes. Der Weg vom Mythos zum Logos beginnt im 11. Jahrhundert mit Anselm von Canterbury und Abaelard. Das Bewusstsein, eine, und zwar eine Zivilisation zu sein, beginnt mit dem 1. Kreuzzug am Ende des 11. Jahrhunderts.

Die Araber gehören zu “unserer” Welt wie die Byzantiner, aber das, was nicht sein sollte, waren die Türken. Sie schlugen Byzanz 1071 vernichtend bei Manzikert und brachen ins “Heilige Land” ein. Die Angst vor dem bzw. den Unbekannten und der steigende Testosteronspiegel des westeuropäischen Rittertums riefen den Papst Urban II. zum Aufruf zum Kreuzzug auf. Die Wikinger hatten von 793 bis 1066 den ersten, unorganisierten Sturm unbändiger solarer Gewalt zelebriert, nun ging es, durch den Logos geordndet, mir guten Gründen gegen einen monströsen Feind und für eine gerechte Sache. Aber die Sache war die: die Abendländer lebten im ständigen Bewusstsein ihrer Minderwertigkeit. Das maurische Spanien war prächtiger, die arabischen Kalifate waren mächtiger, Byzanz war gebildeter und das große alte Rom war durch seine bewundernswerten wie nützlichen Hinterlassenschaften allgegenwärtig.

Die Kreuzzüge scheiterten, die Reconquista zog sich ewig hin, und die türkischen Oghusen, nach ihrem ursprünglichen Anführer Seljuk Seldschuken genannt, erwiesen sich als leichte Brise angesichts des im 13. Jahrhundert einsetzenden Mongolensturms. Der minderwertige Logos des christlich-gotischen Kulturamalgams zerbrach endgültig in der nominalistischen Wende, dem metaphysischen Bewusstseinswandel vom harmonischen Universalismus zum voluntaristischen Nihilismus. Die Magdalenenflut 1342, als Einzelereignis eine Jahrtausendkatastrophe, und die Pest Mitte des 14. Jahrhunderts setzten im zweitklassigen Drama des abendländischen Logos den demozidalen Schlusspunkt.



Die Logik der Vernichtung

Die Pestpandemie im 14. Jahrhundert kann man mit Egon Friedell die Inkubationszeit der Neuzeit nennen, die Inkubationszeit der abendländischen Logik war der Universalienstreit. Die Nominalisten setzten sich durch bzw. die Universalisten starben aus. Die Immanenz siegte im kranken Geiste gegen die Transzendenz, an die Stelle der absoluten Unendlichkeit Gottes trat die relative Unendlichkeit des Universums. Im 15. Jahrhundert begannen die abendländischen Seevölker, die Unendlichkeit der Erde zu erforschen, und entdeckten ihre Endlichkeit und die Neue Welt. Die Zeit der Reformation war gekommen.

Die Reformation vollzog die im Geiste bereits vollendete Tatsache der nominalistischen Wende. Der Islam gegenüber dem Christengott wich dem Protest, die Unterwerfung der Revolte. Der heilige Krieg der Reconquista setzte sich als unheiliger Krieg der Conquista fort. Das Highlight des Unheils war ein dreißigjähriger Krieg. Descartes und der Sonnenkönig kamen als Sieger hervor: aber bei wer gegen wen? Verstand gegen Gefühl, Bürgertum gegen Adel, Maschine gegen Mensch. Um 1485 begann das Zeitalter der Menschenproduktion (Gunnar Heinsohn) und Menschenvernichtung (Robert Kurz) in Europa, um 1688 schaffte England den Übergang von der Logik zur Logistik und wurde zur Nation der Ladenbesitzer.

Im späten 17. Jahrhundert wurde die kontinentaleuropäische Logik reaktionär. Den hybriden rot-weißen Drachen konnte weder das germanische noch das gallische Entwederoder einholen, also erstarrte Frankreich (wie auch Spanien und Österreich) im Absolutismus, und Deutschland versank in der Mystik, aus der der Deutsche Idealismus, die Klassische Deutsche Philosophie erwuchs.

Kants Antinomien und die Gottesbeweiskritik des gewissenhaften Preußen zerstörten im Geiste, was die Französische Revolution in der empirischen Realität zertrat. Die Neuzeit, die erst vor Kurzem eine alte Welt überwand, verschwand nun selbst als eine alte Welt. Die Moderne bedeutete die Herrschaft der Logistik, der zweiten Ableitung des Logos. Mit dem Vorsprung eines ganzen Jahrhunderts konnte Britannien locker das Zeitalter der Logistik anführen, das mit der Pax Britannica begann und endete.



Die teuflische Logistik

Das Wahre ist das Ganze, wie Logosjäger Hegel feststellte. Die Vernunft erkennt den Logos, doch Hegels Fernrohr war die Wissenschaft der Logik. Der obere Verstand, von Kant Urteilskraft genannt, ist in der Logik zuhause. Der untere Verstand, der gemeine Menschenverstand, bedient sich der Logistik. Und so war die höchste englische Philosophe der common sense. Und nicht anders schlug Hegels Erkenntnisversuch des Weltganzen in Nihilismus um, da er den Logos mit den Mitteln der Logik erforschte.

Als die Päpste zu Kreuzzügen aufriefen, rieben sich unzählige Seelenheiljäger positiv-sakrifiziell auf. In den Religionskriegen der Neuzeit töteten und starben unzählige “wahre Christen” negativ-sakrifiziell für die Purifikation ihres Glaubens. Zwischen Neuzeit und Moderne (man lese den Wälzer “Gewalt” von Steven Pinker) war das Sterben im Krieg nicht mehr schick, man suchte negativ-victim nach Machbarkeitsbedingungen des ewigen Friedens. Grausame, sowie auch harte aber gerechte Bestrafungen wurden abgeschafft, man erfand ein Menschenrecht auf Gnade.

Doch nicht nur die industrielle und zivilisatorische Revolution war die Konsequenz der Entfaltung des Paradigmas der Logistik. Der atlantische Sklavenhandel kostete 11 Millionen Afrikanern das Leben und setzte den tausendjährigen arabischen Sklavenhandel nahtlos fort (Egon Flaig: Weltgeschichte der Sklaverei). Die Briten hörten als erste mit dem Sklavenhandel auf – und führten zur selben Zeit Opiumkriege am anderen Ende der Welt. Chinesische Drogentote, indische Hungertote: das glorreiche Viktorianische Zeitalter.

Die verspätete deutsche Nation holte in rasendem Tempo auf, führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wissenschaft und Technik. Dies vermochte auch die Schmach von Versailles nicht zu ändern: die meisten harten Nobelpreise der Zwischenkriegszeit gingen ins Deutsche Reich. Doch in Versailles ist etwas anderes kaputtgegangen, das bis heute schwer beschädigt ist: die deutsche Nationalpsyche, die sich durch Ersatzhandlungen wie Wirtschaftswunder und Fussball-Weltmeistertitel mitnichten vom narzisstischen Trauma zu heilen vermochte. Der Nazismus ging nahtlos in der Narzissmus über.

Das Kartoffelklatschen ist noch nicht zu Ende. Zwischen der Zwischenkriegszeit und der Nachkriegszeit, da war doch etwas? Ja, richtig. Da war der Kampf der Titanen im pejorativen Sinne: das barbarisch-moderne Monster des Kommunismus und das romatisch-moderne Ungeheuer des Faschismus zankten sich um Europa. Die freie Welt schlug sich auf der Seite des roten Titanen, der braune verlor. Doch als Rache vergaste er Millionen von Menschen im teuflischen Triumpf der Wissenschaft der Logistik. 12 Jahre Fliegenschiss auf 1000 ruhmreichen Jahren deutscher Geschiche? Was für ein Nazidreck. Oder waren die 12 Jahre vielmehr die Konsequenz und letztlich Quintessenz der deutschen Geschichte? Das wäre zu fatalistisch geadcht. Die Konsequenz der Tatsache, dass das Paradigma der Logistik durch und durch nihilistisch ist, war es durchaus.



Das Logem oder die Ultradekadenz

Was in den Sieben Höllen ist ein Logem? Im Paradigma des Logos kämpft man für absolute Werte (für das Gute, gegen das Böse); Logik: höhere relative Werte (Meinungsfreiheit, Bürgerrechte, Religionsfreiheit); Logistik: niedere, hedonistische relative Werte (wirtschaftliche Interessen). Das Logem kennt keinen Kampf, es kennt nur Shitstorms. Nicht einmal weltlicher Erfolg in einer freien und inklusiven Gesellschaft (Acemoglu/Robinson) motiviert mehr den verhausschweinten Logem-Schlaraffenländer. Den Weg zum Logem ging das Abendland, zumindest dessen rückständiger Teil, nicht ohne die verwerflichsten Verwerfungen: das verspätete Paradigma der Logistik flüsterte den Deutschen und den Russen ein, dass das Paradies auf Erden nur durch millionenfachen Mord an jeweils anderen Sündenböcken errichtet werden kann.

Der führenden Anglo-Welt wurde das faschistisch-kommunistische Elend aufholender Mächte erspart. Mit beispiellosem Wohlstand durch Öl und kapitalistisch befeuertem technologischem Fortschritt wurde das Schlaraffenland endlich Realität. Darauf folgte die sexuelle Revolution im Harem Sozialstaat: der wachsende allgemeine Lebensstandard mit immer höheren Sozialausgaben löste die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau vom Mann auf, die emotionale Abhängigkeit des Mannes von der Frau blieb. Es entstand eine strukturell vaterlose Gesellschaft mit emanzipierten Frauen und entmannten Männern. Anstatt die neu gewonnene Freiheit-zu zu realisieren, radikalisierte sich der Feminismus in weiteren Wellen, um die absolute Freiheit-von zu fordern.

Die Fortschritte der Freiheit-zu wurden nicht gesellschaftlich, sondern technologisch realisiert. Rilkes romantische Kritik der Maschine und Herbert Wehners Forderung, der Roboter solle wie der Arbeiter Sozialabgaben zahlen, wurden durch das Outsourcing des sozialen Lebens aus dem Bereich, in dem tatsächlich die Musik spielt, überholt. Dieser Bereich lässt sich durch verschwörungstheoretische Schlagworte wie Silicon Valley oder Bilderberg versinnblidlichen. Da der Ernst des Lebens aus der Gesellschaft in die Banken und Versicherungen, Labore der Wissenschaftler und Konferenzen der Superreichen verschwand, folgte der Feminisierung die Infantilisierung der Gesellschaft. Politik verkam zu einem Mix aus Verwaltung und Showbusiness, in dem Gemütlichkeitspopulisten wie Merkel und Krawallpopulisten wie Trump um das Amt des Politikdarstellers wetteifern.

Mit der Degeneration zum Logem läutet sich das Ende einer Kultur ein. Der technologische Fortschritt bietet jedoch die Möglichkeit, als ganze Spezies das Level des Transhumanismus zu erreichen, und den bisherigen Verlauf der Geschichte menschlicher Zivilisationen nicht zu wiederholen. Das wäre der Triumph der “faustischen” Zivilisation des Westens, der einzigen Zivilisation, die auf ihrem Höhepunkt nur als globale Zivilisation existieren kann, als universalistische, menschheitliche Zivilisation. Der Selbsthass der postmodernen westlichen Kultur kann nicht nur als Zeichen des endgültigen Verfalls gedeutet werden, sondern auch als inhärenter und historisch nachvollziehbarer Minderwertigkeitskomplex. Wenn Letzteres der Fall ist, besteht erst recht allein im Transhumanismus die Rettung des Abendlandes vor der geschichtlich unvermeidlichen Umnachtung. Wir müssen diese einmalige Chance nutzen, damit ein neuer Tag für die Menschheit anbricht, denn die Nacht ist dunkel und voller Schrecken.

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Kommentare zu diesem Text


 idioma (09.12.20)
Als "verhausschweinte Schlaraffenländerin"
fühl ich mich bei heftigem Geistesblitzgewitter
im sprachgewaltig zischenden und dampfenden
transibirischen Orientexpress durch die Weltgeschichte gejagt.....
"Transhumanismus" und "Rettung des Abendlandes"
erscheint mir allerdings als Widerspruch in sich, da der Humanismus über seinen abendländischen Tellerrand
hinauszusehn und hinauszuhandeln gezwungen ist
und - krasses eigentliches Fazit des obigen Textes - die W e l t grade durch den U n t e r g a n g besagten pervertierten Abendlandes gerettet werden muss........
idi
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