Realismus als Ideologie

Flugblatt zum Thema Möglichkeit/ Unmöglichkeit

von  Terminator

Der Realismus ist die absurdeste Ideologie: während andere Ideologien etwas verwirklichen wollen, was nur als Idee existiert (klassenlose Gesellschaft, Großdeutschland oder -albanien, die Erde ohne Menschen, globales Khalifat), ist die Realität bereits da, und kann nicht noch realer werden. Was will der Realismus denn erreichen, was ist der Imperativ des Realismus? "Unterwerfe dich dem Bestehenden voll und ganz, mach dich ganz zum Ding, werde vom Ich zum Es!" ?

Es gibt keine deskriptive Ideologie. Eine Ideologie ist eine wertende Weltanschauung. So wertet der Realist (in der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs) etwa den Idealisten als weltfremden Träumer ab, und sich selbst als jemanden, der die Realität erkennt und ensprechend handelt, auf. Was es bedeutet, die Realität zu erkennen, und dementsprechend zu handeln, soll selbstevident sein und wird nicht weiter erklärt (weil mit dem "so ist nunmal die Realität" willkürliche Zwecke verschleiert und durch die "normative Kraft des Faktischen" legitimiert werden sollen, wobei wiederum das Faktische vom ursprünglichen Wortsinn nicht das an sich Seiende, sondern das Gemachte ist).

"Erkenne die Realität!" kann von keiner Ideologie als exklusiv vertretene Forderung aufgestellt werden, und somit nicht die Aussage des Realismus als Lebenseinstellung sein. Wer sagt "Ich bin doch nur realistisch", will betrügen, will aus kontingenten Entscheidungen objektive Sachzwänge machen.


Anmerkung von Terminator:

"Realisten sind Leute, die bloß zu feige sind für Idealismus". Dart Dier

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (15.12.20)
Viele Menschen sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern so, wie sie sein sollten. Sie verwechseln ihre Ideen mit ihrer Wahrnehmung. ("Menschen sind von Grund auf gut", "Jeder Mensch hat ein Gewissen", "Es sind die Sterne, die unser Schicksal bestimmen" usw.)
Der Imperativ des Realisten lautet dann: "Sieh die Dinge, wie sie sind, d.h. unvoreingenommen!" In der Variante Wittgensteins: "Denk nicht, sondern schau!"

 LotharAtzert meinte dazu am 15.12.20:
""Es sind die Sterne, die unser Schicksal bestimmen" usw.) "
Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Nimmer (45) antwortete darauf am 15.12.20:
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 Terminator schrieb daraufhin am 15.12.20:
Viele Menschen sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern so, wie sie sein sollten. Sie verwechseln ihre Ideen mit ihrer Wahrnehmung. ("Menschen sind von Grund auf gut", "Jeder Mensch hat ein Gewissen", "Es sind die Sterne, die unser Schicksal bestimmen" usw.)
Jetzt nur noch statt "viele" "alle, die keine Realisten sind", und da haben wir diese wertende Weltanschauung, die anderen pauschal unterstellt, nicht in der Realität zu leben. Dabei ist die Erkenntnis der Realität die Grundlage für Veränderungen, das weiß jeder Idealist.

Nimmer hat Recht mit
Die selbsternannten Realisten sind nicht weniger Opfer ihrer Wahrnehmung.
Die Fähigkeit bzw. der Wille, die Realität "richtig" wahrzunehmen, ist bei allen Menschen etwa gleich gut entwickelt, das hat nichts mit Realismus/Idealismus zu tun.

 Graeculus äußerte darauf am 15.12.20:
Die Realität ist - einer schon etwas älteren Definition zufolge - das, was übrigbleibt, wenn man aufhört, daran zu glauben.

Der Tod, den man nicht wahrhaben will, der Auszug einer Geliebten, den man für unmöglich gehalten hatte - das sind so Beispiele dafür.

Die Fähigkeit bzw. der Wille, die Realität "richtig" wahrzunehmen, ist bei allen Menschen etwa gleich gut entwickelt
Das ist mir wiederum zu idealistisch.

 Graeculus ergänzte dazu am 15.12.20:
Aktuell haben wir natürlich ein sehr schönes Beispiel in dem Umstand, daß Donald Trump am 20. Januar 2021 das Weiße Haus wird räumen müssen, obwohl ich mir selbst jetzt noch nicht sicher bin, daß er das bereits eingesehen hat.

 Terminator meinte dazu am 15.12.20:
"Die Realität ist - einer schon etwas älteren Definition zufolge - das, was übrigbleibt, wenn man aufhört, daran zu glauben."


Da sind wir bei dem Dialog "Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war" - "...außer dem Verstande selbst" - "Die Vorstellungen bestimmen die Gegenstände!" - (Locke/Leibniz/Kant), da sind wir beim philosophischen Realitätsbegriff. Im Text sprach ich aber vom "Realist (in der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs)", von einem Menschen, der kein philosophischer, sondern ein ideologischer Realist ist; was das Letztere bedeutet, habe ich im Text erklärt.

Antwort geändert am 15.12.2020 um 23:46 Uhr

 DanceWith1Life (16.12.20)
Realität als Gedankenspiel? Idealismus als Möglichkeit?

 Kot-Producer (16.12.20)
Ich sehe mich selbst sowohl als Idealisten und als auch Realisten. Realist in dem Sinne, dass ich die Welt um mich herum und mich selbst mindestens soweit zu erkennen versuche, wie es in meinem Ereignishorizont liegt.
Idealist um mich zu orientieren und eine Idee davon zu haben, wohin die Reise gehen soll.
Vielleicht würde es auch funktionieren, die von außen aufgezwungene Realität zu ignorieren und meine eigene zu schaffen.
Aber was wäre ich dann noch?
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