Amoklauf war gestern

Kurzgeschichte zum Thema Wut

von  Terminator

Lex saß mit drei Arbeitskollegen in einem Café, ohne jedoch selbst etwas zu bestellen, denn er hatte weder Hunger noch Durst. Die Besprechung war kurz und sachlich, Lex mochte keinen Smalltalk. Aus Höflichkeit blieb er noch, nachdem ein Kollege ihn auf einen Cappuccino einlud, und ließ sich in ein persönliches Gespräch verwickeln. Als die Rechung kam, nahm der Kollege seine Einladung zurück, und Lex stellte fest, dass er sein Portemonnaie im Büro vergessen hatte. Die drei Kollegen schauten genüsslich zu, wie der Kellner jeden Lösungsvorschlag des hinterfotzig Verarschten mit steigender Respektlosigkeit ablehnte, bis Lex sich wie Scheiße fühlte. Die Kollegen wiesen ihn mit pseudoeloquenten Bemerkungen darauf hin, dass sie zuviert in aller Bälde das Lokal verlassen mussten, da auf alle noch Arbeit wartete. Jede Formulierung, mit der Lex seine Kollegen höflich  bat, ihm die verfickten 2,80 doch für 15 Minuten zu leihen, wurde rhetorisch gekonnt zurückgewiesen, so dass Lex schließlich darum betteln musste. Da die verfahrene Situation das laufende Geschäft aufhielt und andere Besucher des Lokals sich unwohl fühlten, kam eine Kellnerin hinzu, und machte Lex vor allen Leuten zur Sau, nannte ihn einen Schnorrer und wer geht schon ohne Portemonnaie in ein Café. Ein Kunde schlich schließlich höflich vorbei und drückte Lex die 2,80 in die Hand. Lex versprach stotternd, das Geld in wenigen Minuten zurückzuzahlen, doch als er und seine Kollegen zum Ausgang gingen, überkam alle anderen Gäste das unbehagliche Gefühl, dass das es doch nicht gewesen sein konnte. Das war es auch nicht, denn auf dem Weg zum Ausgang drehte sich Lex vor seinen Kollegen um, und schlug den, der ihn auf einen Cappuccino eingeladen hatte, und das vergessene Portemonnaie anscheinend zuvor im Büro gesehen hatte, mit der Faust ins Gesicht. Dieser fiel auf einen Tisch, und Lex schlug ihm immer weiter in die Fresse, bis er seine Birne zermatschte. Dem zweiten Kollegen, der wie versteinert dastand, schlug Lex mit einem schweren Dekostein auf den Hinterkopf. Während dieser blutend auf den Boden sank, warf Lex dem fliehenden Dritten eine volle Flasche von den Tresen hinterher und traf ihn ebenfalls am Hinterkopf. Mit seinen Sicherheitsstiefeln der Kategorie S5 trat Lex immer wieder auf die Köpfe seiner am Boden liegenden Kollegen ein, bis ihre Schädel platzten. Danach packten alle mit an, und brachten die Leichen in den Müllcontainer hinter dem Haus. Lex wechselte die Schuhe, und lief zum Büro der Baufirma, in der er arbeitete. Er nahm sein Portemonnaie und lief zum Café zurück. Der hilfreiche Gast lobte Lex dafür, dass er ihm das geliehene Geld umgehend zurückgab, obwohl kein Pfand hinterlegt worden war, und Lex hätte genauso einfach verschwinden können. Nun hatte Lex Hunger und bestellte einen Sandwich. Der Kellner von Vorhin traute sich nicht, ihn zu bedienen; die Kellnerin von Vorhin war diesmal sehr höflich und sogar freundlich, wie auch folglich Lex zu ihr. Doch als sie sich umdrehte, klatschte er ihr so kräftig auf den Po, dass sie ausrutschte und durch den Raum flog; alle lachten. Der Kellner, der die vier Kollegen bedient hatte, bewies sein Gespür für vorauseilenden Gehorsam, und näherte sich Lex mit den Worten, er – also er, nicht Lex – sei ein armseliges nach Scheiße stinkendes Schwein, und stehe seiner – also Lexens – Heiligkeit wie ein Sklave zu Diensten. Lex gab die Bestellung nochmal auf, und der Kellner entfernte sich von ihm mit den Worten: "Ich bin eine Schwuchtel! Ich bin eine Schwuchtel! Ich bin eine Schwuchtel!" Lex wartete in aller Ruhe auf seine Bestellung, während die anderen Gäste ihn, der vor wenigen Minuten drei exzellente Architekten getötet hatte, mit größter Achtung und Bewunderung anschmachteten. Das kann es doch nicht gewesen sein, dachte Lex, und holte ein Maschinengewehr aus seinem Rucksack.


Anmerkung von Terminator:

9.2014

2019 Eric-Harris-Gedenkpreis von Denver

2020 Ehrenpreis der Deutschen Amoklaufgesellschaft (heute entgegengenommen)

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Kommentare zu diesem Text


 Buchstabenkrieger (20.12.20)
Hi Terminator,

der Inhalt ist schon echt schräg, dennoch konnte ich nicht tief genug in den Text eintauchen.
Der Text ist mir viel zu schnell erzählt, zeigt keine Emotionen des Protas, ein paar Absätze würden den Text auflockern und das Lesen vereinfachen.
Wieso haben die Kollegen keine Namen?

und näherte sich Lex mit den Worten, er - also er, nicht Lex - sei
--> er – also er, nicht Lex – sei
--> Geviertstrich anstatt Bindestrich

Danach packten alle mit an, und brachten die Leichen in den Müllcontainer hinter dem Haus.
--> Dieser Satz gefällt mir am besten!

Schönen 4. Advent.
LG, Buchstabenkrieger

 Terminator meinte dazu am 20.12.20:
Der Name Lex steht für das Gesetz, das Verbrechen hat keinen Namen. Der Inhalt ist nicht schräg, sondern verkehrt die verkehrte Welt, in der wir leben, sodass nicht die zufällige Handlung, sondern die wahre Absicht, der böse Wille, gerichtet wird.

 Buchstabenkrieger antwortete darauf am 20.12.20:
Hi Terminator,

Danke für deine Rückmeldung.

Mir ist schon klar, dass sich Lex auf das Gesetz bezieht, das habe ich auch gar nicht hinterfragt.
Ich finde den Inhalt trotzdem schräg, das ist meine Meinung. Ist ja nicht negativ gemeint.

LG, Buchstabenkrieger

 Terminator schrieb daraufhin am 20.12.20:
Das Schräge ist wahrscheinlich, dass es Makrokonsequenzen für Mikrotaten gibt. So war das auch gedacht, als Ode an eine absolutistische deontologische Moral.
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