Die Moderne als Wahn

Interpretation zum Thema Ehrgeiz

von  Terminator

Wer davon ausgeht, dass nach dem Tod nichts mehr kommt, müsste doch eigentlich ziemlich entspannt sein. Natürlich wird er vor dem Tod noch leben und angesichts des Todes etwas erleben wollen. Ironisch-symbolisch wird er sich um sein sterbliches Erbe kümmern, wobei ihm, wenn er kein Idiot ist, klar sein wird, dass er weder als Geist den ihm auf seiner Beerdigung gezollten Respekt erfahren wird, noch wie es seinen Kindern oder Vermögenswerten nach seinem Tod weitergeht.

Mit Sicherheit wird jemand, der davon ausgeht, dass nach dem Tod nichts mehr kommt, nicht hetzen. Er wird weder im hedonistischen Bereich den Vogel abschießen wollen noch sich angesichts des kommen ewigen Nichts zu verewigen trachten. Die Lust will tiefe Ewigkeit, ist aber in den Grenzen des in diesem Leben Möglichen schnell erschöpft; der theoretische Nihilist wird epikureisch sein Leid mindern wollen, anstatt unmögliche Lust anzustreben. Nach unmöglicher Lust zu streben, führt zu großem Leid.

Was nach ihm kommt, wird dem theoretischen Nihilisten auf edle Art egal sein: nicht scheißegal, aber egal genug, um sich nicht komplett den Arsch für etwas aufzureißen, was er niemals erleben wird. Er wird wohlwollend sein Erbe an seine Erben weitergeben, aber weder Gier noch Geiz werden beim Aufbauen seines Vermächtnisses seine Begleiter sein. Beschreibt dies den modernen Menschen? Durchaus nicht: der moderne Mensch ist die Unruhe selbst, er hetzt, er strebt nach selbstzerstörerischer Lust, er wirtschaftet gierig und geizig, und betreibt Raubbau an seiner natürlichen und sozialen Umwelt sowie seiner Psyche.

Der neuzeitlich-moderne Mensch bekennt sich, gestützt durch den evidenten technologischen Fortschritt seiner Naturwissenschaft, zum theoretischen Nihilismus, sprich dazu, dass es keinen Gott und keine unsterbliche Seele gibt. Er handelt aber wie jemand, der davon überzeugt ist, dass er bereits verdammt ist, und ohnehin in die Hölle kommt: darum entzaubert und entweiht er berserkerhaft die Welt, ist in seinem Arbeits- und Konsumwahn unersättlich, überbietet sich selbst immer schneller in Tabubrechen und Selbstzerstörung. Wenn nach dem Tod nichts ist, dann ist alles egal. Wenn man in die Hölle kommt, will man es vorher noch krachen lassen. Sage mir, wie du lebst, und ich sage dir, woran du wirklich glaubst.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (21.12.20)
Der letzte Satz ist wohl ganz und gar richtig. Formal gesehen hat der moderne Mensch aber viel mehr Möglichkeiten, an etwas zu glauben oder nicht, was früher als Ketzerei ausgemacht worden wäre. Mit der Pandemieangst allerdings treten schon wieder Meinungshoheit und Glaubensverbote auf, wie eine Vorstufe zu historischen Verfolgungen.
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