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Novelle zum Thema Tradition

von  Terminator

Illustration zum Text
(von Terminator)
1. Das Schulfest

Alfred warf Basketbälle auf dem Schulbasketballplatz in den Korb aus großer Entfernung und traf ziemlich oft. Gewitterwolken drohten an zwei Horizöntern, Ben eilte aber schneller herbei als der Beginn der Blitzeshow, und zog Alfred ins Schulgebäude. An jenem Freitagabend im August wurde eine Schulfestivität veranstaltet, Anika wartete schon, wie eine Prinzessin angezogen, auf Alfred, der weniger an den Ball und mehr an das kommende Basketballspiel gegen eine 11. Klasse einer Hauptstadtschule dachte. Alfred klatschte sich mit Ben, Bill und Brandon ab und schritt zum Mikrofon im Festsaal, wo er eine kurze und witzige Rede hielt. Gale wichste mit dem Arsch auf dem Stuhl rum und flüsterte zu jedem Satz des “Idioten” giftige Bemerkungen. Omar saß neben ihm in der letzten Reihe und war genervt davon, denn ihn schien die kindische Rede des “Rüden” vielleicht zu motivieren, vielleicht im letzten Augenblick von etwas abzuhalten. Wäre da nicht Anika: hellblond, zierlich, und einfach nur schön. Was fand sie an diesem Einsneunzig-Recken, der außer wilder Kraft und guter Laune nichts hatte? Als der Ball begann, stellte Gale fest, dass ihn Gitty zugunsten von Bill versetzt hatte, weil seine Freundin auf einmal krank war. Gale giftete rum, legte Schleimspuren in einem überlegenen Ton, tat, was er immer tat, und wofür ihn jeder verachtete. Omar sagte nach Gales Beschwerde über Gittys “Hinterfotzigkeit” nur, dass er als Einziger aus der Klasse nicht einmal eine schriftliche Einladung zum Schulball bekommen hatte.

Die Gewitterwolken verdichteten sich und legten lagsam los, wie auch der Ball. Es wurde getanzt und gelacht, und in einer Ecke wurde ein Liebesbrief vorgelesen. Der Brief war aus Omars von Gale geklautem Tagebuch; der Giftzwerg überreichte an jenem Morgen nach zäher und wichtigtuerischer Verhandlung das Stück Papier dem von Ben zu ebendieser Verhandlung geschickten Dennis. Und Dennis las nun den Brief, der an Anika adressiert war, und auf ewig in Omars Tagebuch hätte bleiben sollen. Erst kam eine lange Beschreibung von Anikas Schönheit, woraufhin nicht wenige, aber besonders Ben und Bill, sich lachend wunderten, wie “notgeil” derjenige gewesen sein muss, der diesen Brief geschrieben habe. Dann folgten verzweifelte Floskeln. Omar musste derweil kacken, und tat es genüsslich und lange, denn er fühlte sich irgendwie “connected”, saß zum ersten Mal seit Monaten an einem Abend nicht zu Hause rum, sondern war dort, wo Leute sind. Fröhlich pfeifend verließ der die Jungentoilette und begab sich zum Festsaal. Er unterhielt sich kurz mit Dennis, den ihn freundlich anlächelte und ihm zu der einizgen 1 der 11. Klasse im Mathe-Test gratulierte. Die ausgelassene Stimmung mache dem schüchternen kleingewachsenen Nahostdeutschen Mut, sich endlich normal mit Leuten zu unterhalten, es war das erste Schulfest, bei dem er Spaß hatte. Bis Gale dies neiderfüllt bemerkte und Omar klarmachte, dass alle nicht mit ihm, sondern über ihn lachten.

Omar war zuerst wie versteinert, dann schlich er aus dem Festsaal hinaus , aber ging nicht nach Hause, sondern in den Keller. Dort störte Lars etwa zehn Minuten, bevor er von Ben abgeholt wurde, und auf dem Weg zum Festsaal diesem gegenüber versprach, dass es gleich sehr lustig werden würde. Auf der Leinwand im Festsaal sollte gleich vom Server der Schule eine Diashow gezeigt werden, und Lars hatte sich soeben in den Schulserver gehackt und einige Fotos mit Pornobildern ersetzt, auf denen die Köpfe der Pornodarsteller mit deren der Lehrer und des “nervigen Strebers” Gale ersetzt wurden. Draußen begann es heftig zu donnern, und Sigurd suchte auf seiner Fahrradtour bei Lieblingswetter kurzzeitig Schutz im Schulgebäude vor dem drohenden Starkregen. Während bei der Diashow Irritationen und Verwirrungen für eine witzige Klimax sorgten, paarten sich Donnerschläge mit Granatenexplosionen, wobei die Letzteren für eine geraume Zeit für die Ersteren gehalten wurden. Bis Dennis schrie: “Omar läuft Amok!”


2. Vier Granaten und keine Leiche

“Wo ist Anika?” fragte der kahle dicke Cop zum wiederholten Mal. Omar schwieg. Er bekam schließlich Kaffee, um weiterhin verhörfähig zu bleiben, denn es war 3 Uhr nachts. “Wir wissen, dass du Anika getötet hast”, wiederholte der Cop, und fragte, wo ihre Leiche sei. Omar schwieg.

Es war Sigurd, der den Granatenschmeißer im Flur überwältigt hatte. Dennis rief sofort die Polizei, und nach den vorläufigen Angaben dieser soll zeitlich irgendwo zwischen 21:55 und 22:15, bei Donner und Regen, Omar Anika getötet und ihre Leiche versteckt haben. Da der von Sigurd überwältigte Schwächling nicht nass wurde, wurde der Aufenthaltsort der Leiche im Schulgebäude vermutet, aber nicht gefunden. Es gab ein paar leicht Verletzte nach vier Granatenexplosionen, mit denen Omar die Pokalwand, den Sportsaal, die Raucherecke und den Matheraum verwüstet hatte. Erschöpft durfte er spät am Samstagmorgen endlich schlafen, nachdem er endlich seinen Mund aufgemacht und bei Allah geschworen hatte, nur Sachschaden verursacht, aber niemanden getötet zu haben.

Lars spülte den Rest der Schlafmittel im Klo des geschlossenen Möbellagers runter und gähnte leicht unausgeschlafen. Er pisste, frühstückte und sah ins versteckte Zimmer: alles war in Ordnung. Er setzte sich in einen bequemen Sessel und las ein Buch.

Alfred musste am Samstagmittag wie viele andere zum Polizeirevier, aber ein anderer war der Star. Der mutige und entschlossene Sigurd, der auf dem Schulfest erst gar nicht erschienen war, hatte ja den Amokläufer überwältigt und Schlimmeres verhindert. “Das ist große Zivilcourage” lobte der kahle dicke Cop. “Nein”, schüttelte Alfred mit dem Kopf und sah ihm direkt in die Augen. “Wie bitte?” fragte der Polizeibeamte nach. “Das ist Mut, nicht Zivilcourage”, sagte Alfred und sah Sigurd anerkennend an, was dem aber wohl entging, denn er erwiderte seinen Blick nicht. Ben warf ein: “Alfred hätte genauso gehandelt, wenn er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen wäre”. “Auf jeden Fall!” rief Dennis.

“Du hast Glück, mein Junge,” sagte der kahle dicke Cop irgendwann im Laufe des Abends zu Omar, “weil wir keinen Vorwurf der Islamophobie wollen, lassen wir dich jetzt frei. Vorerst glauben wir dir, dass du dich nur an Sachen abreagiert hast, aber falls Anikas Leiche auftaucht, dann schwöre ich beim Propheten...”

Sigurd saß im Café mit Alfreds Betas und bohrte wie ein Detektiv aus dem Film nach. Er ließ sich über den Verlauf des Abends bis zum Amoklauf aufklären, aber es kam dabei nichts Zusammenhängendes zusammen. Sigurd dachte anschließend laut nach, dass Lars keineswegs besser als Gale sei, nur eben ein introvertiertes und kein extrovertiertes Arschloch, genauso destruktiv. Doch Lars, der Hobbymusiker und Lebenskünstler, war beliebt, und Gale verhasst. “Gale ist ein Incel” lachte Bill. “Und Lars?” lachte Sigurd. Und nach kurzem Schweigen stellten Alfreds Betas tatsächlich fest, dass auch Lars nie eine Freundin hatte, nur war es vorher niemandem so richtig aufgefallen.

“Omar, was hast du getan!?” schimpfte der Vater, während der Junge nur schwieg und weinte. Bis er aufschie: “Ich hab nur deren Scheiß zerstört, ich hab niemandem was getan!!” Der anwesende Sozialarbeiter überlegte sich eine Weile, den Jungen in die Geschlossene zu stecken, überlegte es sich aber dann anders und ließ die Familie in Ruhe.   


3. Die Entführung der Prinzessin

Um 13 Uhr nochwas am Samstag wachte Anika auf. Sie stellte fest, dass es sich wohl um eine Entführung handelte, da sie in einem unbekannten verschlossenen Raum war. Auf einem anonymen Brief stand die Anweisung, sich zu schminken und festlich anzuziehen, sonst drohte Gewalt. Derweil sah Lars auf der anderen Seite des Spiegels zu, und betrat, als Anika fertig war, den Raum.

– Lars!?
– Wen hast du den erwartet? Hannibal Lecter?
– Wo bin ich? Was soll das hier...
– Entspann dich. Du bist tot.
– Was!?
– Das ist, was alle denken. Sie suchen nach deiner Leiche.
– Wer... wer war das?
– Ach das... Das war Omar. Er hatte keine Waffen dabei, nur ein paar Böller.
– Und du? Bist du sein Komplize?
– Verarschst du mich? Keineswegs, ich habe nur diem gecarpet, du weißt schon.
– Nein, weiß ich nicht!
– Alle denken, er hätte dich getötet, nachdem er wegen dem Liebesbrief ausgerastet war.
– Und du!?
– Ich war am richtigen Zeit am richtigen Ort, um endlich das Richtige zu tun.
– Mich zu entführen!?
– Warum denn nicht? Hätte ich sonst je eine Chance bei dir?
– Jetzt hast du bestimmt keine mehr.
– Tu nicht so, als ob ich je eine gehabt hätte. Für dich habe ich nie existiert.
– Wie auch immer... Bring mich jetzt nach Hause, oder du weißt, was passiert.
– Was passiert denn?
– Ich zeige dich an, du kommst in den...
– Träum weiter, Bitch. Und vergiss nicht, dass du tot bist. Omar hat es bereits getan. Man wird deine Leiche finden und...
– Bist du wahnsinnig?
– Du fragst mich allen Ernstes, ob ich wahnsinnig bin? Ich liebe dich seit der fünften Klasse, und du hast mich nie wahrgenommen, das ist wahnsinnig! Aber jetzt hat der Wahnsinn ein Ende.
– Was hast du denn vor, mich vergewaltigen und umbringen? Komm schon, das bist nicht du...
– Der unsichtbare Trottel, DAS bin nicht ich. Ich bin nett, hilfsbereit, gut, freundlich, ich bin... ich bin... für dich jedenfalls war ich die ganze Zeit nur Luft!!
– Hör auf zu schreien, du machst mir Angst!
– Sorry. Sorry, tut mir leid, das wollte ich nicht. Ich wollte doch nur... doch nur...
– Weinst du jetzt...
– Warum guckst du so!? Bin ich denn kein Mensch für dich!!? … Natürlich bin ich kein Mensch für dich. Ja, das ist es. Nicht liebenswert. Nicht existent. Nur der witzige Lars, der Streiche spielt. Aber, ich hab, verdammt nochmal auch einen Schwanz! Scheiße!!! Ich hab... Scheiße. Scheiße...
– Komm schon, hör auf zu weinen.
– Scheiße... Ich hab... Ich hab Lippen, die geküsst werden wollen, Haut zum Gestreicheltwerden, ich habe mich mit ganzem Wesen so nach dir gesehnt...
– Hihi, sorry, sorry! Das war nicht so gemeint, ich wollte nicht über dich lachen, sorry!
– Ohhhh doch. Genauso war es gemeint. So war es die ganze Zeit gemeint. Du miese Nutte!
– Ich habe Angst! Ich werde schreien!
– Hier wird dich keiner hören. Du weißt doch nicht mal, wo du dich gerade befindest, also sei ruhig und tu, was ich sage.
– Sonst was?
– Was hast du da geflüstert? Lauter bitte.
– Sonst was!?
– Du bist nicht so naiv wie du aussiehst. Du weißt genau, was mit dir passieren wird.
– Wirst du mir etwas antun?
– Ja, das werde ich. Ich werde dir etwas antun. Das, was du mir all die Jahre angetan hast.
– Mich ignorieren?
– Dich quälen!!!

Lars schloss hinter sich die Tür und ging weinen. Nachdem er sich beruhigte, beobachtete er beim langen Teetrinken Anika durch den Spiegel, bis sie einschlief. Er hatte sich ausgesprochen, er hatte sich alles von der Seele geredet, und wusste nun nicht, was er machen sollte. Also machte er in der Nacht die Tür auf und verpisste sich heimlich und leise. Als Anika am Sonntagmorgen aufwachte, erkundete sie ängstlich die Räumlichkeiten auf der Suche nach einem Ausgang, doch als sie diesen endlich fand, hörte sie eine ängstliche weibliche Stimme, die ihre Neugier und nicht nur Neugier so sehr triggerte, dass sie ihren Entführungsort nunmehr freiwillig betrat.


4. Ein gemütlicher Sonntag

Lars holte den Termin bei der Polizei nach, entschuldigte seine Abwesenheit am Samstag mit Schockzuständen, log, er hätte sich zu Hause ins Bett verkrochen und den ganzen Tag Angstzustände gehabt. Doch er versicherte auch, dass Omar Anika nicht getötet hatte, indem er angab, sie nach seiner Festnahme noch kurz gesehen zu haben. Viele trafen sich am Nachmittag bei Dennis, und auch Lars ging hin. Weil die Nachricht von Anikas Wiederauftauchen sich immer noch nicht verbreitet hatte, war er zunehmend nervös.

Es hörte sich wie der Schmerzensschrei eine Mieze an, aber von wo? Anika ging rein und raus, schlich um den Gebäudekomplex, dachte schließlich an einen Porno und ging fast schon nach Hause, als sie eine Gestalt auf einem hohen Balkon sah. Trotz großer Angst siegte die Neugier, und Anika stellte fest, dass das Möbellager sich noch weitere Stockwerke hochwärts erstreckte, und weiter oben viel luxuriösere Divane und Einrichtungen warteten. Eine der Zimmereinrichtungen sah wie ein BDSM-Raum aus, den das Mädchen mit großer Neugier und blühender Phantasie erstmal erkundete. Die Entführung hatte sie anscheinend aus ihrer gewohnten Realität in eine Traumwelt versetzt, in der nun vieles möglich war.

17 Uhr, und immer noch keine Rückkehr von Anika. Derweil räsonnierte Gale wichtigtuerisch über das erbärmliche Incelleben von Omar, hetzte gegen seine angebliche Sonderbehandlung aufgrund der Zugehörigkeit des armen Schweins zum islamischen Kulturkreis und zog verbal über Loser und Incels her. Lars ließ sich lange nichts anmerken, doch die Anspannung wuchs mit jeder Viertelstunde. Was, wenn Anika auf dem Heimweg von sie wusste nicht einmal wo was passiert war? Was, wenn jemand gerade das mit Anika tat, womit Lars verzweifelt gedroht hatte? Er traute sich nicht, zum Möbellager zurückzukehren, und so blieb ihm nur gespanntes Warten.

“Omar, hör mal, das war, muss ich sagen, eigentlich doch leider geil, was du in der Schule gemacht hast”, rief ihn Ben in Alfreds Auftrag an. “Geil, so viel Scheiß in die Luft gejagt. Megageil! Weißt du, wir hätten dich längst in unserem Team, wenn du einen Kopf größer wärst, aber Basketball, du weißt schon. Der Brief, komm schon, keiner wusste, dass der aus deinem Tagebuch war. Ist halt peinlich und intim und so, aber komm schon, komm drüber weg...” Omar bedankte sich nur höflich, aber verlor ansonsten nicht viele Worte. Während bei Dennis bald nicht nur Worte flogen: es wurde Lars zu viel, er konnte Gales dämliches Gelaber nicht mehr ertragen, und schlug ihm mit der Faust in die Fresse. Gale kroch durchs ganze Wohnzimmer zur Heizung, doch Lars sprang hinterher und trat ihm mit dem Vollspann in den Arsch. Dennis wollte Gale zur Hilfe eilen, doch Alfred sagte: “Lass ihn”, und so trat Lars den sich am Boden wälzenden Gale mit der Verse in den Bauch. “Scheiße!” rief Alfred, als er Dennissens Eltern herbeieilen hörte, “Herr Deltens, Gale ist ausgerutscht und voll auf die Fresse gefallen”.

Anika hörte wieder diese erotisch anregenden Miezenschreie und begab sich nun wirklich auf die Suche. Es war so eine Art Penthaus, wo sie die an eine Hartgummiwand gefesselte Mieze Anfang 20 sah: zierlich, in erotischer Unterwäsche, perfekte Figur. Die nicht minder attraktive, aber etwas höher gewachsene und robustere Quälerin sah sie kommen und lächelte. Im dezenten schwarzen Damenanzug stand sie von einer Reihe brennender Kerzen und bot Anika einen bequemen tiefroten Sessel an. “Wie jung bist du, Mäuschen?” “16”, flüsterte Anika. “Gefällt dir die Mieze?” “Ich weiß nicht... Ja.” “Möchtest du heißes Wachs auf ihre...”


5. Eine Art Hitzefrei

Alfred ließ Ben, Bill und Brandon dafür sorgen, dass alle, die sich Gesternsonntag bei Dennis getroffen hatten, bei der Geschichte blieben, Gale sei ausgerutscht. Am Montag war keine Schule, da gerade erst die Renovierungsarbeiten begannen. Stattdessen war Klassentreffen bei Ben. Bill besorgte Bier, Alfred rief Brandon an, er möge bei Omar klingeln und ihn mitnehmen. Belli war vor allen anderen da, das war ihr aber peinlich, also ging sie dreimal um den Block spazieren, um als eine der Letzten bei Ben anzutanzen. Ohne Anika war Belli die Schönste in dieser 11. Klasse, was ihr durchaus nicht entging. Sie tat so, als hätte sie Brandon nicht bemerkt, und schritt nach dem Hereinplatzen zur Kunstfreakin Diane, die einen kleinen Araber mit einem Granatenwerfer zeichnete. Omar fand das Bild so geil, dass er es einrahmen und bei sich im Zimmer aufhängen wollte. Selbst die Sozialstunden als Konsequenz seines Outbursts, die da kommen würden, waren vergessen, als er schließlich von Alfred den Spitznamen Bomberman bekam.

Der Montag zog sich hin, doch an Anikas Verschwinden war keinerlei Entwicklung abzusehen. Der kahle dicke Cop wollte sich wieder Omar vorknöpfen, doch eine kluge Kollegin überzeugte ihn, und vor allem seinen Vorgesetzten, dass Lars derjenige war, der Anika als Letzter gesehen hatte, schließlich habe er auch geschworen, Anika nach Omars Festnahme am Freitagabend noch gesehen zu haben. Also musste Lars aufs Revier. “Wo hast du sie gesehen?” fragte die gutaussehende lesbische Polizistin. “Im Korridor... Sie muss auf dem Mädchenklo gewesen sein, als Omar...” Lars wurde vorerst geglaubt, und da Anikas Eltern immer noch nicht die Rückkehr ihrer Einzelprinzessin vermelden konnten, begann eine ressourcenreiche Suche nach dem Mädchen, die dessen Schönheit durchaus angemessen war.

Und auch am Dienstag ließ sich Anika nicht blicken. In der Nacht zum Mittwoch beim spontanen Klassentreffen am See ließ Bill in Alfreds Namen verkünden: “Gale heißt ab jetzt Ork”. Toller Spitzname, sagte Gitty, um einen Smalltalk mit Lars anzufangen. “Hast du vielleicht etwas mit Anikas Verschwinden zu tun?” Lars schwieg. “Komm schon, hast du sie vielleicht entführt und getötet? Wär echt cool. Ich meine nicht, dass Anika tot ist, sondern du weißt schon... Dass du ein Psychopath bist”. Belli flirtete nun offen mit Alfred, der sie aber wie schon am Montag abblitzen ließ. “Warum kommt Sigurd eigentlich nie?” fragte sie daraufhin Ben.

Seit Sonntag schon verwöhnten drei Miezen Anfang 20 Anika mit Wellness und Beauty. Nun kam wieder die Torturatorin und fragte, ob das Mädchen nicht vielleicht nach Hause wollte. “Auf keinen Fall!” kicherte Anika und betrachtete sich prinzessinenhaft im Spiegel. Die Torturatorin ließ die Miezen gehen und fesselte Anika an die Hartgummiwand. Anika kicherte. Darauf kicherte die junge Frau auch und fragte, warum Anika sich so sicher sei, sie würde ihr nichts tun. “Weil ich so süß bin”, kicherte Anika. Zwischen den Zeiträumen, in denen sie mit großen Federn gekitzelt wurde, wurde sie mit luxuriösen Torturationsutensilien bedroht, bis sie fast schon glaubte, die Torturatorin würde ihr etwas antun, doch dann doch nicht. Beim Abendtee fragte diese, was Anika empfunden hatte, als “...du weißt schon”. “Ich fühlte, wie schön und zart ich bin”, kicherte Anika. “Und als ich deine Hand mit der Kerze genommen habe und geführt habe und das Wachs auf die zarte Haut der Mieze...” “Da fühlte ich noch mehr, wie schön und zart ich bin”. “Ich fahre jetzt in die Stadt, soll ich dich vor deiner Haustür absetzen?” “Auf keinen Fall”, kicherte Anika. “Wirklich nicht?” fragte die Frau mit ernster Stimme. “Nein”, weinte Anika. “Alle machen sich Sorgen, vielleicht wurde wegen dir schon jemand verhaftet”. “Ich kann nichts dafür, dass ich so schön bin”, schluchzte Anika.

“Lars”, murmelte der kahle dicke Cop. “Unser Hauptverdächtiger ist Lars. Er hat anscheinend auch diesen Torben-Flynn zusammengeschlagen, den sie alle Gale nennen, weil der von der Entführung berichten wollte. Die Anderen decken ihn, weil es vielleicht eine Gruppenvergewaltigung war, vermutlich in der Nacht, nachdem der Amoklauf und die Verwirrung...” “Zu weit hergeholt”, unterbrach ihn die lesbische Polizistin.


6. Ruhe und Frieden

Am Donnerstag führte Lars die Cops zum Möbellager, das ganze Gebäudekomplex wurde gründlich durchsucht, doch nichts gefunden. Wegen mir ist Anika tot, dachte Lars, und war mit dem Gedanken nicht allein. Nun war er derjenige, der Anika angeblich womöglich vergewaltigt, mit Sicherheit aber getötet, und die Leiche versteckt hatte. Durch einen Suizid entkam er der Untersuchungshaft.

“Ben, Lars ist tot”, murmelte Belli am Freitagabend bei Alfred am Pool. Gitty hörte es und kommentierte zynisch: “Lars und Anika, was für eine tragische Liebesgeschichte”. Bomberman trauerte in Stille, traute sich still, das erste Bier seines Lebens zu trinken, und statt des zweiten folgte ein Gefühl der Erleichterung: Anika ist tot. Ein wohliger Schauer des Nihilismus konvertierte Bomberman vom Islam zum Existentialismus, wie er im Gespräch mit Diane feststellte. “Schön, dass sie jetzt nicht mehr älter wird”, freute sich die lesbische Diane, “so kann ich sie immer süß und unschuldig in Erinnerung behalten”. Sonst freute sich keiner, alle waren geschockt bis schockiert, und nicht wegen des tatsächlichen Todes von Lars, sondern wegen des vermuteten Todes von Anika.

“Alfred”, flirtete Belli durch die Trauer hindurch, “also ich denke, Sigurd hat ein Geheimnis”. “Quatsch”, wimmelte Alfred sie ab und trank sein fünftes Bier. Dennis schwamm genüsslich seine Runden im Pool, denn seine Eltern hatten keinen Pool. Bill und Brandon gingen noch mehr Bier holen. Unterwegs gestanden sie sich gegenseitig ihren Crush on Anika. Der Vater von Lars stürmte besoffen rein: “Es war dieser... dieser... Omar! Wo ist der Türke? Wo versteckt sich dieser Araber? Komm raus, du Kasache! Mein Sohn hat Anika nicht getötet, es war dieser Islamist!” Zufällig war Alfreds Vater Polizist und nahm den Betrunkenen mit aufs Revier. “Was für Eltern bringen solche Kinder zur Welt?” räsonnierte der kahle dicke Cop. “Noch nie was von Condomen gehört? Man kann die Geburt von solchen Unmenschen verhüten!” Der Vater von Lars stammelte etwas vor sich her, schlief dann in seiner Kotze ein.

Die Nacht an Alfreds Pool wurde lang. Im Busch knallte Alfred kurz Gitty, kam dann zurück auf den Liegestuhl und trank sein achtes Bier. Betrunken machte Ben Belli an, bekam aber einen Korb. Belli dachte für einen kurzen Moment, Sigurd sei in den Garten gekommen, doch es war nur Bill. Omar und Diane gingen zu Diane, wo sie keinen Sex hatten. Sie beobachteten vom Dachboden aus die Sterne und tauschten ihre Erinnerungen an Anika aus, die sie seit der fünften Klasse kannten.

Belli nahm den nächtlichen Bus nach Hause, verfuhr sich, wurde in einem Park vergewaltigt, wunderte sich, dass es gar nicht so schlimm war, wie sie immer dachte, und nahm einen weiteren Bus nach Hause, wobei sie sich diesmal nicht verfuhr. Ihre Mutter war schockiert über die zerrissene Kleidung, die Elisabeth mit wildem Sex mit Sigurd auf der Party erklärte. Sigurd aber erschien erst jetzt bei Alfred im Garten, wo er Alfreds Betas mitteilte, dass seit ein paar Tagen in der Stadt ein Vergewaltiger lauerte, und man deshalb die Mädchen nicht allein nach Hause gehen lassen sollte. “Die zwei Kleinsten und Schönsten von euch kann ich nach Hause bringen”, sprach er zu einer Mädchengruppe und tat daraufhin das Gesagte.

“Anika, bist du sicher, dass du bei uns leben willst?” fragte die Torturatorin, immer noch voller Skrupel. “Wir sind schon 1000 Kilometer weit weg, wovor hast du denn Angst? Wenn das wahr ist mit eurem Schloss auf der Insel, dann werden sie mich nie finden”. “Und deine Eltern?” “Hihi”. “Und deine Freunde?” Anika kicherte. “Als ich mich vor einer Woche vor dem Spiegel schminkte, da verliebte ich mich zum ersten Mal im Leben”. “In wen?” fragte die exzentrische Unimieze. “In mich”, kicherte Anika.


Anmerkung von Terminator:

7.2019

Die Anfangsbuchstaben der Namen der männlichen Charaktere repräsentieren die Ränge der soziosexuellen Hierarchie der Männer: Alpha, Beta, Gamma, Delta, Omega (drin) + Sigma, Lambda, Omega (draußen).

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Kommentare zu diesem Text


 Buchstabenkrieger (24.12.20)
Hi Terminator,

auch auf die Gefahr hin, wieder eine Rückantwort zu erhalten, zu der ich erstmal ein Fremdwörterbuch herauskamen muss, hier mein Kommentar.

Alfred warf Basketbälle auf dem Schulbasketballplatz in den Korb aus großer Entfernung und traf ziemlich oft.
--> Puh, was für ein langer, komplizierter Satz. Er tut das, auf dem X, in den Y, aus der Z.
Vorschlag: Aus großer Entfernung warf Alfred ... Er traf ziemlich oft.

auf ihre...”
--> auf ihre ..."
--> Leerzeichen vor den Auslassungspunkten, wenn das Wort vollständig ist
--> Hast du öfter, ähm immer.

“In mich”, kicherte Anika.
--> Versuche mal, "In mich" zu kichern.
--> Empfohlen werden alle Varianten von sagen und fragen.
--> Vorschlag: "In mich", sagte Anika kichernd / und kicherte dabei.

“also ich denke, Sigurd hat ein Geheimnis”.
--> ... Geheimnis."
--> Punkt innerhalb der wörtlichen Rede

“Wirklich nicht?” fragte
--> ... nicht?", fragte
--> Hast du öfter. Siehe Regeln: www.woertlicherede.de

denn es war 3 Uhr nachts.
--> drei Uhr
--> Duden empfiehlt, Zahlen bis zwölf auszuschreiben

Ich habe mir jetzt die anderen Teile der Novelle nicht angeschaut, denke aber, dass es da genauso aussieht.

Schöne Tage.
LG, Buchstabenkrieger

 Terminator meinte dazu am 24.12.20:
Danke für deine Korrekturvorschläge. Sollte dieser Text mal in einem Lesebuch der 11. Klasse stehen, werde ich sie auch umsetzen. Ansonsten hat sich der Text für mich an ebenjenem Julitag 2019 erledigt, an dem er geschrieben wurde. Eine Einstellung, die eines Literaturforums nicht würdig ist, aber ich bin kein Literat, sondern Philosoph.
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