Einen Tag nach Weihnachten
Es war einen Tag nach Weihnachten die Stadt platzte fast vor Menschen aus den Mauern. Hektik, Stress. Eine Frau brüllte ihre Kinder an, ein Mann seine Frau und der Weihnachtsengel lächelte friedlich vom Dom-Hotel, so wie einen Tag zuvor- zumindest sah ich das in dem Moment noch so
.
Ich musste leider zur Bank, also verband ich es mit dem Hundespaziergang und reihte mich dann geduldig in die Schlange vor der Kasse ein. Eine Frau drängelte sich vor, nachdem sie mich übersehen und ewig lange mit ihrer Mutter geplauscht hatte. Zwangsläufig hatte ich mithören müssen, dass Vater soeben das Konto über achtzigtausend auflöste. Die Tochter also zwängte sich nun vor mich und schnauzte mich an, ich sei später als sie gekommen. Ich bemerkte ganz ruhig, dass dem nicht so sei sie nörgelte weiter. Freud hätte für ihr Verhalten sicherlich eine weihnachtliche Erklärung gefunden, aber schließlich kann man ja nicht alles sexistisch bewerten. Dennoch musste ich daran denken und grinsen. Ich ließ sie vor - einen Tag nach Weihnachten.
Von rechts hörte ich, wie die Bankchefin, die extra dazu gekommen war, sich in Bedauern auflöste, dass die achtzigtausend
- ja, ob die da wohl bald fertig werden? Die Kriechübungen der Chefin näherten sich dem Ende. Ich packte den Hund, löste mich aus der Schlange und strebte auf die Angestellte zu. Die pflaumte mich an: Sie müssen in der Schlange warten, auch, wenn Sie nicht zur Kasse wollen. Heute ist das anders! Aha einen Tag nach Weihnachten.
Ich wandte mich wieder der Schlange zu- frostige Blicke peitschten mich- und stellte mich erneut hinten an. Ich überlegte, ob ich meine achtzig auch auflösen sollte- nur aus Gnatz- dann fiel mir ein, ich hatte ja nur neunundsiebzig,neunundsiebzig drauf
So langsam begannen meine Füße zu kribbeln- der Hund hatte die frisch renovierte Prunksäule entdeckt und fiepte, weil er sie sehr reizvoll fand. Ich entfernte mich und ihn möglichst weit von ihr.
Endlich erbarmte sich die Chefin und fragte, wer denn nicht zur Kasse wolle. Ich meldete mich und zog, als ich mit ihr Richtung Saferaum schritt, alle Blicke auf mich: Ich war eher dran - und das einen Tag nach Weihnachten.
Die Chefin bedachte meinen Hund mit einem eingefrorenen Lächeln: DEN wollen Sie aber nicht mit in den Saferaum nehmen?!. Doch, hörte ich mich mit aufsässiger Stimme sagen natürlich, denn den will ich ja da rein tun.. Sie lachte nicht und schweigend gingen wir die Treppe hinunter. Den Hund musste ich zerren, denn er äugte immer noch begehrlich auf die Säule.
Ich legte meinen Goldklumpen (Weihnachtsgeschenk) in den Safe und wen sah ich da beim Verlassen des Raumes? - Meine alte, langjährige Lieblingsfeindin Cornelia, der ich schon in der Grundschule den Kakao über die Hose gekippt hatte. Cor-ne-li-a, das kann man sich auf der Zunge zergehen lassen, das ist ein Genuss! Wie gehts? flötete sie. Gestern gings noch, brummte ich. Du hast dich gar nicht verändert! jubilierte sie ungerührt weiter und ich wusste nicht, ob das ein Kompliment war oder eine Beleidigung.
Ich achtete nicht auf den Hund und der markierte nun endlich die Siegessäule mit einem gewaltigen Strahl ein. Vermutlich würde das auf den Überwachungskameras zu sehen sein und die Rechnung würde mir zu gehen. Ich versuchte, mit einigen zerknüllten Taschentüchern, das Gröbste zu bereinigen, begleitet vom höhnischen Grinsen diverser angenervter Schlange-Steher- und natürlich Cornelias. Ich trat die Flucht nach vorne an und folgte möglichst unauffällig meinem Dackel.
Der Weihnachtsengel vom Dom-Hotel lächelte mir dabei liebevoll zu und es juckte mir in den Fingern, ihm einen bestimmten zu zeigen.
Die Stadt platzte fast vor Menschen aus allen Mauern. Hektik, Stress - einen Tag nach Weihnachten.